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Ausgabe:

Januar/2007

Spalte:

82-83

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Arnold, Matthieu, et Jean-Marc Prieur [Éds.]:

Titel/Untertitel:

Dieu est-il violent? La violence dans les représentations de Dieu.

Verlag:

Strasbourg: Presses universitaires de Strasbourg 2005. 160 S. 8°. Kart. EUR 15,00. ISBN 2-86820-277-2.

Rezensent:

Adolf Martin Ritter

Dieses Heft dokumentiert die (Mehrzahl der) während einer Begegnung zwischen protestantischen Theologinnen und Theologen aus Straßburg und Heidelberg (Januar 2004) gehaltenen Referate. Bei dieser Begegnung ging es nicht darum, die Flut der allgemeinen Erörterungen des Themas »Religion und Gewalt« in ihren wechselseitigen (am Tage liegenden oder auch verdeckten) Verflechtungen weiter anschwellen zu lassen. Vielmehr fragte man speziell danach, welche Rolle die Gewalt in den untersuchten Gottesbildern spielt und in welcher Weise sich diese Gottesbilder mit gewaltsamem Verhalten von Menschen verbunden haben oder verbinden lassen.

Nach einer »Einführung« der Herausgeber (5­10), die zugleich als Übersetzer der deutschen Beiträge ins Französische fungierten, folgen »unzeitgemäße Beobachtungen eines Exegeten« über »Gott und die Gewalt im AT« aus der Feder M. Oemings (11­30), während sein neutestamentlicher Kollege P. Lampe die (kanonische und zwischentestamentliche) »apokalyptische Literatur« unter der Fragestellung untersucht, ob einem gewalttätigen Gottesbild zwangsläufig auch ein gewaltorientiertes Ethos entspreche (31­48). Beide Heidelberger Exegeten kommen zum Ergebnis: Wie der Gott des Alten Testaments so nimmt der der Apokalyptik das ausschließliche Recht zur Vergeltung für sich in Anspruch und beugt so der Eskalation von Gewalt vor. Der Straßburger Patristiker J.-M. Prieur behandelt sodann das Thema »Gott, seine Allmacht und die Gewalt in der frühchristlichen Literatur« (bis zu Augustin und Severos von Antiochien), mit dem Ergebnis, dass weder für Lateiner noch Griechen die Allmacht Gottes seine Willkür einschließe, d. h. vor allem die Möglichkeit, sich gegebenenfalls über Gerechtigkeit und Güte als seine hauptsächlichen Wesenseigenschaften hinwegzusetzen, ohne dass deswegen seiner Allmacht Grenzen gesetzt wären. Prieurs Heidelberger Fachkollege A. M. Ritter bekräftigt das in seinem kurzen Koreferat (63­67), besonders in Auseinandersetzung mit J.Assmanns Monotheismusthesen. In einem weiteren kirchenhistorischen Referat behandelt der Straßburger Reformations- und Neuzeithistoriker M. Arnold die protestantische Kriegspredigt während des Ersten Weltkrieges diesseits und jenseits des Rheins (69­88) und stellt besonders bei den deutschen Protestanten eine Brutalisierung des Gottesbildes (meist in Verbindung mit einer Heroisierung Jesu) fest, räumt allerdings ein, dass zur gerechten Beurteilung auch die katholische Kriegspredigt hätte verglichen werden sollen. F. Enns, damals am Heidelberger Ökumenischen Institut und jetzt an der Universität Hamburg tätig, ordnet die Debatte ausdrücklich in den Rahmen der Dekade des Ökumenischen Rates zur Überwindung von Gewalt ein (89­102), während die beiden abschließenden religionswissenschaftlichen Referate von M. Bergunder (Heidelberg; 103­129) und F. Rognon (Straßburg; 131­141) sich der Frage widmen, ob es richtig ist, mit J. Assmann von einer dem Monotheismus (namentlich dem des Christentums und des Islam) inhärenten Gewalttätigkeit und einer dem Polytheismus zumindest naheliegenden pazifistisch-toleranten Haltung auszugehen; der eine, Bergunder, hat die religiösen Traditionen des Hinduismus und des Buddhismus, der andere, Rognon, die polytheistische Kultur der Kanaken Neucaledoniens vor Augen. Beide plädieren entschieden für einen historischen Zugriff, womit zwangsläufig eine Nuancierung der Assmannschen Thesen verbunden ist.

Es kann nur sehr dazu ermuntert werden, das Heft zur Hand zu nehmen und nachzuprüfen, wie diese interessanten Ergebnisse gewonnen wurden.