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Ausgabe:

Juni/2002

Spalte:

658 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

T'Sas, Anne-Marie

Titel/Untertitel:

Der Gottesbegriff Paul Tillichs auf der Grenze von Personalität und Transpersonalität.

Verlag:

Würzburg: Echter 2001. 178 S. gr.8 = Religion in der Moderne. Kart. ¬ 19,90. ISBN 3-429-02336-X.

Rezensent:

Karin Grau

Diese engagiert geschriebene Dissertation widmet sich der Gotteslehre Paul Tillichs, und sie konstatiert hier eine tiefgreifende Ambiguität: Im Kontext religiöser Erfahrung spreche Tillich, anknüpfend an die Begegnungsphilosophie Bubers, durchaus von einem personalen Gott; im systematisch-theologischen Kontext hingegen dominiere ein identitätsphilosophisch gewonnener transpersonaler Gottesbegriff mit panentheistischer Tendenz.

Im Zuge der Untersuchung werden dabei wesentliche, nicht unbekannte Probleme der Tillichschen Gotteslehre beleuchtet. Dazu gehört Tillichs Hang zu Universalismen und zur Ontologisierung des Theologischen, der sich unter anderem auch in den nur sparsamen Äußerungen zur Trinitätslehre niederschlägt. Dazu gehören erkenntnistheoretische Schwierigkeiten insbesondere der Symbollehre, die sich verdichten, wenn Tillich eine Position "objektiver Erkenntnis" einzunehmen versucht. Diese und andere z. T. spannende Einzelanalysen werden von der Autorin vor dem Hintergrund einer an Schoonenberg anschließenden Typologie des Personalen allerdings nun so systematisiert, dass der Eindruck einer tiefen Spaltung entsteht. In Tillichs Theologie, so die Hauptthese, treffen zwei unvereinbare Systeme aufeinander: "ein der Philosophie des Idealismus (insb. Schellings) entnommenes panentheistisches Modell, in dem die Vorstellung eines personhaften Gottes keinen Platz hat" (169) und ein System, das von existentiellen menschlichen Situationen ausgehend "auf die Verwendung anthropomorpher Gottesnamen und personaler Eigenschaften Gottes angewiesen ist" (ebd.). Die Vfn. kommt zu dem Schluss: "Tillich ringt mit Janus und kommt gespalten aus diesem Streit heraus." (ebd.)

Dieses Urteil nun muss als Ausdruck überstrapazierten Systematisierens betrachtet werden, das sich zudem vorschnell fixiert auf die Kritik "identitätsphilosophischer Voraussetzungen", die einen theologischen Entwurf anscheinend von vorneherein disqualifizieren. Dass Tillich an einen Schelling anknüpft, dem die idealistisch proklamierte Identität von Ich-Bewusstsein und Welt-Bewusstsein bereits zerbrochen ist, wird nicht gesehen.

Entsprechend sind die Stellungnahmen zu Mystik und Partizipation nicht sorgfältig genug ausgelotet. So kann unter anderem das Missverständnis entstehen, die Neigung zu Ontologisierung und Transzendierung stehe hinter der umstrittenen Rede von "Gott über Gott", die doch nichts anderes will, als die paradoxe, im Christusgeschehen wurzelnde Wahrheit der Gnade nachzubuchstabieren. - Ertragreich wäre, wenn die Vfn. der Gotteslehre Tillichs dezidiert von ihrer eigenen Position aus begegnen würde, die da und dort in Wendungen wie "Begegnungsspiritualität" (76) oder "Subjekt-Subjekt-Paradigma der Anerkennung" (166) aufleuchtet. Die Gotteslehre, auch die Tillichsche, kann nur gewinnen in der Begegnung mit jeglicher "Phänomenologie des Anderen".