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Ausgabe:

Juni/2002

Spalte:

631–633

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Williamson, Paul R.

Titel/Untertitel:

Abraham, Israel and the Nations. The Patriarchal Promise and its Covenantal Development in Genesis.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 2001. 309 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament, Suppl. Series, 315. Lw. ¬ 55,00. ISBN 1-84127-152-7.

Rezensent:

Horst Seebass

Nach Auskunft des Vf.s (9; z. Z. lecturer am Irish Baptist College, Belfast) ist das Buch die leicht überarbeitete Fassung der "Ph.D. dissertation", die er 1998 an der Queen's University in Belfast eingereicht hat. Der Vf. verfolgt mit diesem Buch zwei große Ziele: 1. Er möchte nachweisen, dass es sich in Gen 15 und Gen 17 um zwei deutlich unterschiedene Bundesschlüsse handelt, von denen der zweite auf den ersten Bezug nimmt (17,8 zu 15,18). 2. Während der Bund in Gen 15 durch den Ritus von V. 17 ratifiziert werde, fehle in Gen 17 eine Ratifikation, die erst in Gen 22,13 (sic!) -18 nachgeholt werde.

Für diesen Nachweis nimmt der Vf. einen großen Anlauf. Nach einer Einleitung (Kap. 1, 17-25) entfaltet er wissenschaftsgeschichtlich bisherige Verhältnisbestimmungen, angefangen bei Philo und rabbin. Schriften bis zur Gegenwart, die für lange Zeit eine Identität der beiden Bünde annahmen (Kap. 2, 26-77; die Ausnahmen Augustinus und M. Luther erläutert der Vf. bei den Einzelanalysen). Dies ist wohl weniger verwunderlich, als der Vf. annimmt, weil im Alten Testament ein späterer Bund einen früheren nicht aufhebt, sondern bis auf Jer 31,31-34 stets fortsetzt. Seinem Abriss entnimmt der Vf. vier alternative Verhältnisbestimmungen: 1. Identität; 2. Gen 15 grundlegend, Gen 17 nur ergänzend; 3. Gen 15 nur Vorausblick auf Gen 17; 4. zwei klar unterschiedene Bünde. Der Vf. zeigt, dass nur die letzte Alternative in Betracht kommt (78-120 = Kap. 3). S. 26-120 sind von heftiger Kritik an dem Modell der Quellenscheidung durchzogen, ohne dass es rezenten redaktionsgeschichtlichen Ansätzen besser ginge. Dem Quellenscheidungs-Modell unterstellt er, dass es die Parallelität von Gen 15 und Gen 17 annehmen müsse. Auf den Rez. trifft dies z. B. nicht zu, da der Rez. die Quellenscheidung für das bisher am wenigsten hypothetische Modell der Pentateucherklärung hält, aber Gen 15 und Gen 17 für sehr verschieden und fast gar nicht parallel. Der Vf. hätte dies in "Vätergeschichte I (11,27-22,24) Neukirchen 1997" z. St. nachlesen können, nahm aber nur einen Aufsatz aus dem Jahr 1977 wahr (80).

Diesen hinführenden Kapiteln folgen Detailuntersuchungen zu Gen 15 (121-144: "Covenant between the pieces") und zu Gen 17 (145-187: "Covenant of Circumcision"). Den Inhalt wiederzugeben, würde hier zu weit führen. In Kürze lässt sich sagen, dass die Exegese von Gen 15 m. E. große Mängel aufweist (s. u.), wenn man davon absieht, dass der Vf. unvermeidlich richtig a) den Bund einzig als Sache Jahwes zu Gunsten der Landverheißung und b) erst für Abrahams Nachkommen als wirksam erklärt. Die Exegese von Gen 17 ist dagegen im Wesentlichen lesenswert und diskussionswürdig (zu m. E. wenigen Kritikpunkten s. u.). Das letzte 6. Kapitel (vor "Summary and Conclusion", 260-267) diskutiert Gen 15 und Gen 17 im Rahmen der Abrahamtradition (217-260). Die drei exegetischen Kapitel argumentieren ausschließlich synchron, meiden also auch jegliche Literarkritik. Das letzte Kapitel enthält eine steile, von T. D. Alexander (s. Lit.-Verz. 268) vorbereitete These zur Gesamtauffassung der Abrahamtradition, nach der die Ratifikation des Bundes von Gen 17 erst einerseits durch den sonst nach Meinung des Vf.s nicht erklärlichen Brandopferritus von 22,13 und andererseits durch Jahwes Eidschwur in 22,15-18 erfolge.

Wenn man wie der Rez. Jahrzehnte an der Kommentierung der Gen gearbeitet hat, nimmt man unweigerlich wahr, dass der Vf. im Wesentlichen Literatur berücksichtigt, die der Rez. eher überflogen als gründlich bearbeitet hat, wenn auch nicht aus dem Grunde, dass dort nicht auf Quellenscheidung eingegangen wird (deren Hypothetik der Rez. beinah mehr als der Vf. betont), sondern aus dem Grund, dass dort schon Literarkritik mehr oder minder als verpönt gilt. Darauf bezogen zeigt der Vf. zu Gen 17 und zur Deutung der Abrahamtradition viel Scharfsinn und theologische Einfühlung. Auch überzeugt der Vf. darin, ein sorgfältiges synchrones Profil zu den großen Traditionsbereichen des Pentateuch wie der Abrahamtradition für wissenschaftlich erheblich und theologisch dringlich zu halten. Jedoch gibt es Kritikpunkte, die nicht einmal des Vf.s Ablehnung der Quellenscheidung berühren.

Zu Gen 15: Der Vf. kümmert sich nicht darum, dass V. 2b unübersetzbar ist, sondern liest falsch "Elieser v. Damaskus". Das philologisch schwierige w-Perfekt in V. 6a wird trotz gewichtiger neuerer Diskussion ebenso wenig gründlich bearbeitet wie die Frage nach dem exakten Sinn von V. 6 insgesamt (s. o. meinen Komm. zur Diskussion). B. Jacob, Das erste Buch der Tora, hat gegen den Vf. bereits 1934 z. St. nachgewiesen, dass die V. 10.17 keinen Opferritus schildern. Dass V. 17 kein Bundesschlussritus sein kann, weil Jahwe nicht sich selbst eine Hälftung androhen kann, findet keine Berücksichtigung (zur Diskussion s. meinen Komm.). V. 18 (Landverheißung mit überdehnten Grenzen) dürfte sich nur indirekt auf 12,1-3 beziehen, dagegen direkt auf 12,7, das der Vf. wegen seiner Wertung von 12,1-3 vernachlässigt. Zumindest fragwürdig sind die Begriffe "Nation" und "national" für 12,2b "Sei ein Segen" und V. 3 sowie für 15,18, weil sie nicht antike Verhältnisse treffen, Israel nicht einmal in der Zeit der vereinigten Königreiche ein einheitliches Königtum war und 15,18 weit über das hinausgeht, was das Volk je besiedelte. Schulmäßig ist der Vf. daran gebunden, die kaum vermeidbare Bezeichnung von V. 13-16 als Ergänzung zu leugnen und das Nebeneinander von V. 1 (Vision), V. 5 (Blick in den Nachthimmel) mit V. 12.17 (Sonnenuntergang) zu harmonisieren. Auch hat der Vf. nicht wahrgenommen, dass 15,19-21 in der Konzentration auf das Ethnos Israel zehn palästinische "Völker" friedlich ins Land einbezieht, was zu den universalistischen Vorstellungen in Gen 17 positiv hinführen könnte.

Zu Gen 17: Es ist nur schwer begreiflich, dass der Vf. trotz einer reichen semitistischen Literatur an der Übersetzung des bisher nicht sicher gedeuteten Gottesnamens Schaddaj als "Allmächtiger" festhält und die sdjn der Inschriften von Tell Der cAlla mit keinem Wort erwähnt. Die gewiss nicht biologisch zu deutende singuläre Form von 'ab "Vater" in V. 4 (die bereits B. Jacob 1934 z. St. beschrieb) verbindet der Vf. verfehlt mit dem antiken Beamtentitel "Vater des Pharao" (158). Die Behauptung, dass Jahwes ewige Verbundenheit mit Abrahams "Samen" sich speziell auf die Verheißung, Könige würden aus Abraham und Sara hervorgehen (V. 6.16), bezieht (167-174), steht eindeutig nicht im Text, sondern wird aus Ps 72,17 eingelesen. Die Behauptung S. 176, dass tamim in V. 1 (der vorher ganz richtig gedeutet wird) moralische Obligationen enthalte, wird aus 18,18 f. eingelesen, obwohl Gen 17 dies nicht andeutet. (181, Anm. 130 findet sich der einzig signifikante Druckfehler, wo es Num 17,1-5 und Num 17,25 heißen müsste.)

Zum Überblick über die Abrahamtradition (Kap. 6): Der Vf. möchte beweisen, dass die futurischen Ankündigungen des Bundesschlusses in Gen 17 eine dort nicht zu findende Ratifizierung ausschließen, die vielmehr erst in 22,13 (sic!)-18 erfolge. Dies ist sicher falsch. 1. 22,13 gibt im Rahmen von 22,1-14 einen vorzüglichen Sinn (den zu finden der Vf. nicht bereit war), weil das dort geschilderte Brand-Opfer die stumme Anerkennung des Gottseins Gottes nach dem schauerlichen Erleben von V. 1-12 darstellt wie zuvor das Brandopfer Noahs nach der Sintflut (8,20). Den Bezug von V. 13 zu V. 8 "Gott wird sich ersehen" und damit auch zu V. 14a übergeht er völlig, obwohl weder V. 13 noch V. 15-18 eine Beziehung zum Wort "Bund" herstellen (15,10.17 schildern zudem keinen Bundesopferritus, s. o.). 2. 22,15-18 wiederholen (bis auf "das Tor der Feinde besetzen") längst bekannte Verheißungen, die Jahwe jetzt auf seinen Eid nimmt, also Gesagtes feierlich bestätigt. 3. Zweifellos markieren damit 22,15-18 einen Höhepunkt in der Abrahamtradition; aber es ist Unsinn zu behaupten, dass 12,1-8 und 22,1-19 diese Tradition rahmten, a) da der Vf. Gen 21 nicht palindromisch einordnen kann (319), b) Gen 23,1-25,11 schnöde übergeht. Vielmehr gilt nur, dass 22,1-4.15-18 synchron u. a. auf 12,1-3 Bezug nehmen. 4. 17,4a deklariert den Bund im Nominalsatz, und nach V. 9 konnte Abraham mit der Beschneidung bereits Jahwes Bund bewahren. Der Bund gilt also in Gen 17 als von Gottes Seite bestätigt.

Der Vf. wiederholt schon Gesagtes reichlich oft. Ohne das gäbe es reichlich Raum für nötige Diskussionen, zu denen der Vf. durchaus fähig ist.