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Ausgabe:

Juni/2002

Spalte:

620 f

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Dalman, Gustaf

Titel/Untertitel:

Arbeit und Sitte in Palästina. Bd. 8: Das häusliche Leben, Geburt, Heirat, Tod. Fragment m. 66 Abb. sowie Gesamtregister für die Bde. 1-8. Im Auftrag des Gustaf-Dalman-Instituts Greifswald hrsg. v. J. Männchen. Bearb. v. L. Rogler, Stefan Schorch unter Mitarb. v. Thomas Neumann, Georg Raatz.

Verlag:

Berlin-New-York: de Gruyter 2001. XII, 504 S. gr.8. Geb. ¬ 148,00. ISBN 3-11-016607-0.

Rezensent:

Michael Tilly

Dalmans zwischen 1928 und 1942 in sieben Bänden erschienene umfangreiche Sammlung landeskundlichen Materials ist bis heute von hohem Wert für die biblische Landes- und Altertumskunde und für die Erhellung der Lebenswelt Palästinas auch in der Antike. Der nun vorliegende achte, das Gesamtwerk abschließende Band enthält die Edition des in maschinenschriftlicher Abschrift erhaltenen Manuskripts der unvollendeten Darstellung von Geburt, Kindeserziehung, häuslichem Leben, Gastfreundschaft sowie (nicht bzw. nur ansatzweise ausgeführt) Hochzeit, Tod und Begräbnis, illustriert durch 66 Abbildungen aus der Fotosammlung des Gustaf-Dalman-Instituts Greifswald (147-158).

In ihrem Vorwort (V-VII) benennt die Hgn. die grundlegende Absicht der Edition, nämlich den Abschluss des Werkes D.s "in dem von ihm bestimmten und ausgeführten Rahmen" (V), was dazu führt, dass sie auf eine Berücksichtigung des aktuellen Standes der Forschung verzichtet und das Manuskript nur einer formalen Bearbeitung unterzieht. Die Einleitung (1-5) erlaubt einen Einblick in die fast sechs Jahrzehnte währenden Bemühungen um die Drucklegung des Werkes.

Wie bereits in den vorliegenden Bänden bietet D. eine nach sachlichen Kriterien geordnete empirische Darstellung der Lebenswelt Palästinas anhand von Beobachtungen und Erfahrungen mit den jüdischen, christlichen und muslimischen Bewohnern des Landes, deren Bräuche und Überlieferungen (z. B. Volkslieder und Sprichwörter), die er anhand eigener Notizen oder mittels der Zeugnisse seiner Gewährsleute zusammenstellt. Jedem Einzelthema folgt dabei ein Abschnitt "Im Altertum", in dem die einschlägigen Belege in der biblischen und rabbinischen Überlieferung, aber auch in den aramäischsprachigen Papyri, bei Josephus und in der griechischen Literatur Erwähnung finden.

Kap. I "Die Geburt" (6-29) behandelt in einem ersten Abschnitt zunächst den Geburtsvorgang und die Behandlung des Kindes, die Haarschur des Neugeborenen, das Säugen und Entwöhnen, Wiege und Wiegenlieder, Namengebung sowie die Bedeutung der Erstgeburt (6-17). In einem zweiten Abschnitt gelangen sodann Taufe und Beschneidung zur Darstellung (17-27). Ein knapper dritter Abschnitt erwähnt die "abergläubischen Sitten" (27-29). In Kap. II "Kindeserziehung" (30-38) werden Erziehung, Spiele und Schulunterricht behandelt. Das ausführlichere Kap. III "Das häusliche Leben" (39-97) beginnt mit einer Behandlung des Tageslaufs unter Einbeziehung der Formen individueller Frömmigkeit und unter besonderer Berücksichtigung des Gebets und der Phylakterien im antiken Judentum (39-48). Der zweite Abschnitt beschreibt die Mahlzeiten, d. h. Frühstück, Mittagessen, Abendessen, und die dazugehörigen Waschungen (48-64). Im dritten Abschnitt dieses Kapitels (64- 92) macht D. ausführliche Angaben über Speisen, ihre Zusammensetzung, Herstellung und Zubereitung. Bei der Behandlung der antiken Belege liegt das Hauptaugenmerk auf der Rekonstruktion der Benediktionen bei einem jüdischen Gastmahl (80-84). Es folgen kurze Abschnitte über die Getränke (92-95) und über die Unterhaltung nach dem Mahl (92- 95). In beiden Fällen fehlt die Darstellung des antiken Quellenmaterials. Während Kap. IV "Gastfreundschaft" (98-103) Informationen über das Verhalten gegenüber Wandergästen und geladenen Gästen bietet, konnten die Kap. V "Die Hochzeit" (104) und VI "Das Lebensende (Tod und Begräbnis)" (105f.) von D. nicht mehr bzw. nur noch ansatzweise ausgeführt werden. Der vorliegende Band wird erschlossen durch Verzeichnisse der hebräischen, aramäischen, griechischen, lateinischen und arabischen Wörter (111-123), der Sachen (124- 129), Bibelstellen (130-135) und rabbinischen Zitate (136- 140), sowie einem Literaturverzeichnis (141-145).

Das ausführliche ergänzende Register zu den Bänden 1-7 (187-504) erschließt das Gesamtwerk. Die anhand der knappen Literaturangaben der Fußnoten rekonstruierten Literaturverzeichnisse der Teilbände (189-277) machen nahezu alle von D. herangezogenen, teilweise kaum noch bekannten Arbeiten zugänglich und sind durchaus noch der Durchsicht wert. Eine Erleichterung stellen die Gesamtverzeichnisse der Sachen (278- 371) und der herangezogenen Bibelstellen (372-438) dar. Besonders hervorzuheben, da bislang ein Desiderat, ist das Gesamtverzeichnis der rabbinischen Zitate (439-501).

Hierbei sind einige kleinere Fehler zu verzeichnen, so z. B. "M Taab" (457; vgl. 503; lies: M Taan); b BM 7,1 (474; lies: M BM); "yBer 6,10" (482; lies: 6c); y Ed II 6 (483; lies: M Ed); "T" (499; lies: T Ps[almen]). ARN (488), MegTaan (491), Sem (494) und Sof (498) sind keine Midraschim. Das Buch endet mit einem Verzeichnis der verwendeten Sigla rabbinischer Schriften (502-504).

Seit dem Abschluss des Werkes D.s hat die historische und philologische Forschung in allen ihren Teildisziplinen beträchtliche Fortschritte gemacht. Viele Fragen können heute genauer und differenzierter beantwortet werden. Dennoch hat die vorliegende sorgfältige und gründliche Edition ihren wissenschaftlichen Wert nicht nur als Vervollständigung des publizierten Gesamtwerkes D.s, sondern auch als Präsentation einer volkskundlichen Materialsammlung, die vor allem Ausdruck der exakten Beobachtungsgabe des Palästinaforschers D. ist. Unter der Voraussetzung, dass Menschen bei der Gestaltung ihres Lebens stets aus einer begrenzten Anzahl vorgegebener Möglichkeiten schöpfen, welche ihrerseits durch die sie umgebende Gesellschaft bzw. Kultur determiniert werden, ermöglicht diese wertvolle Materialsammlung Einblicke in die Lebensgestaltung der Bewohner Palästinas in der ersten Hälfte des 20. Jh.s, aber auch Rückschlüsse auf Bräuche und Traditionen, die bis in die Antike reichen.