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Ausgabe: | Dezember/2019 |
Spalte: | 1243–1245 |
Kategorie: | Altes Testament |
Autor/Hrsg.: | Jacobs, Mignon R. |
Titel/Untertitel: | The Books of Haggai and Malachi. |
Verlag: | Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2017. 423 S. = The New International Commentary on the Old Testament. Geb. US$ 48,00. ISBN 978-0-8028-2625-1. |
Rezensent: | Aaron Schart |
Der Kommentar von Mignon Jacobs gehört in die Reihe »The New International Commentary on the Old Testament«. Das Profil der Reihe besteht nach Aussage des Herausgebers in ihrer evangeli-kalen Ausrichtung, was den Glauben einschließt, die Bibel sei das inspirierte Wort Gottes (XII). Der Kommentar kombiniert die Schriften Haggai und Maleachi, die beide der persischen Epoche zugehören und auch inhaltlich Gemeinsamkeiten haben: Haggai ruft zur Wiedererrichtung des Tempels auf, Maleachi kritisiert den Kultvollzug, nachdem der Tempel wieder in Betrieb genommen worden war.
Wie üblich gibt J. zunächst eine Einführung, die die Person des Propheten, die historischen Umstände, die Textüberlieferung, die Struktur der Schrift und die theologischen Kerngedanken darlegt (für Haggai: 3–30, für Maleachi: 129–153). Es fehlt ein Abschnitt zur Entstehung der Schriften. Anschließend erfolgt eine Kommentierung, die der Struktur des Textes Abschnitt für Abschnitt folgt. Eine umfangreiche Bibliographie, in der Titel für beide Schriften gemischt sind, ist vorangestellt (XX–XLV), reichhaltige Indizes der Autoren, Schlagworte und Bibelstellen sind angefügt. Da die Indizes sich auf Haggai und Maleachi gemeinsam beziehen, sind sie für diejenigen Leser interessant, die nach Dingen suchen, die in bei-den Schriften vorkommen; man muss sich lediglich merken, dass Haggai auf den Seiten 3–125 und Maleachi auf den Seiten 129–336 behandelt wird. Einträge, die Zahlen aus beiden Abschnitten enthalten, verweisen also auf gemeinsamen Stoff. Leider wird diesen Verbindungen sowie der Einbindung der Schriften in das Zwölfprophetenbuch als Ganzes in der Kommentierung kaum Aufmerksamkeit geschenkt.
Während Haggai, wie üblich, nach textinternen Gliederungsmarkern gegliedert wird, leitet J. die Gliederung Maleachis von der Paragrapheneinteilung des masoretischen Textes ab. So kommt es zu der ungewöhnlichen Einteilung: »Superscription« (1,1), »Disputation regarding Yahweh’s Love for Israel« (1:2–5), »Behaviors and Beliefs regarding Honor« (1,6–2,16), »Words Exemplifying Beliefs« (2,17–4,6; MT 2,17–3,24). Die weit überwiegend angenommene Gliederung in sechs Disputationsworte verschwindet dadurch.
Die fortlaufende Kommentierung des Textes präsentiert, wie üblich, eine eigene Übersetzung. Ausgiebig werden moderne Übersetzungsvarianten vorgestellt. Das ist sicherlich eine brauchbare Hilfe für Leser, die moderne Übersetzungsvarianten vergleichen und bewerten wollen. J. weist gelegentlich auf Varianten der Septuaginta hin, auch Verbesserungsvorschläge des masoretischen Textes von verschiedenen Exegetinnen und Exegeten werden angeführt, er beteiligt sich aber nicht selbst an der Rekonstruktion des Urtextes, selbst in Fällen, in denen der masoretische Text keinen erkennbaren Sinn ergibt, z. B. in Mal 2,3b.12.15.
Im Falle der inhaltlichen Auslegung folgt J. dem Mainstream der Forschung. An Stellen, an denen die Auslegung umstritten ist, tendiert J. zu dem Verfahren, Thesen verschiedener Autoren und Übersetzungen nebeneinanderzustellen und der Leserschaft das Urteil zu überlassen. Gelegentlich schließt sich J. auch einer bestimmten Position an, meist ohne weitere Argumente.
Einige wenige Beispiele aus der Kommentierung mögen einen Eindruck vermitteln. In Hag 2,3 erinnert der Prophet diejenigen unter seinen Hörern, die den vorexilischen Tempel noch mit eigenen Augen gesehen haben, an dessen Herrlichkeit. Demgegenüber erscheine der nachexilische Tempel »wie nichts« (75). Diese Einschätzung beziehe sich nicht auf die Ausstattung, sondern auf die Dimensionen des Tempels und falle auch deshalb so vernichtend aus, weil der vorexilische Tempel in der Erinnerung der inzwischen 70- bis 80-jährigen Personen in verklärter Gestalt erscheine (75).
In Hag 2,23 wird erwartet, dass Serubbabel bayyôm hahû‘ »an jenem Tag« als YHWHs »Siegelring« fungieren wird, d. h. er wird als bevollmächtigter Vertreter YHWHs agieren. J. weist daraufhin, dass die Angabe »an jenem Tag« auf eine Zukunft verweist, die sowohl innergeschichtlich als auch eschatologisch (»imminent or remote«, 121) sein kann.
Mal 1,2–3a besagt, dass YHWH Jakob geliebt, aber Esau/Edom »gehasst« habe. Die Härte dieser Aussage wird gerne dadurch vermieden, dass man »hassen« als »zurücksetzen« versteht. Demgegenüber hält J. aber fest, dass YHWH Edom genauso voraussetzungslos hasst, wie er Israel liebt (165).
Die berühmte Stelle Mal 1,11, die von einer reinen Opfergabe »unter den Heiden« bereits in der Gegenwart, und nicht erst am Ende der Geschichte, spricht, scheint J. so zu verstehen, dass es gelegentlich vorkam, dass einzelne Heiden dem Gott Israels fernab vom Jerusalemer Tempel Gaben darbrachten (202).
In Mal 2,11b wird von »der Tochter eines fremden Gottes« gesprochen. J. deutet das, wie üblich, auf Frauen, die einen fremden Gott verehren (244–245). Durch ihren Einfluss auf die Familie, insbesondere die Kinder, gefährden sie die religiöse Identität der Familie, was Auswirkungen auf die Gemeinde insgesamt hat.
In Mal 2,16a finden viele ein Verbot der Scheidung. Diese Meinung stellt auch J. vor und sieht dabei einen Gegensatz zu Esra, der die Scheidung von fremdstämmigen Frauen forderte (Esra 9–10; 261). In Mal 3,10 lädt Gott die Hörer ein, ihn doch zu testen, ob er nicht eine vollkommene Ablieferung des Zehnten mit dem Ausschütten von Segen belohne. Diese Forderung widerspricht der Tradition, dass der Mensch Gott nicht versuchen darf (Dtn 6,16). Um der Menschen willen, die sich anscheinend ehrlich nach Umkehr sehnen (Mal 3,7), bietet Gott ein Verfahren an, wie diese sich vergewissern können, dass sie nun wirklich auf dem richtigen Weg sind (297).
In Mal 3,20 notiert J. knapp, dass hinter der Metapher der »Sonne der Gerechtigkeit« das Bild der im gesamten Alten Orient über die Jahrhunderte verbreiteten geflügelten Sonnenscheibe stehen muss, misst dem aber nicht allzu viel Bedeutung bei (322).
In Mal 3,21 ist nicht eindeutig, ob die YHWH-Fürchtigen daran beteiligt werden, die Frevler zu bestrafen. J. deutet die Metaphern aber so, dass die YHWH-Fürchtigen »will be God’s tool of destruction« (324).
In Mal 3,24 wird die bevorstehende Sendung Elias so beschrieben: »Elijah differs from other prophets in that he ascended to heaven without experiencing death. In essence, he is a ›super‹ prophet. If anyone could effect a transformation of the community, surely it would be Elijah. He influenced his community to return to worshiping Yahweh and to abandon Baal worship.« (332) Dass im Neuen Testament Johannes der Täufer als der wiedergekommene Elia aufgefasst wird, wird beiläufig erwähnt.
Insgesamt handelt es sich um einen philologisch ausgerichteten Kommentar, der die aktuelle Forschung breit und solide repräsentiert. Eigenständige, neue Beiträge zur Diskussion sind nicht das Ziel des Kommentars. Die evangelikale Ausrichtung der Kommentarreihe stört nie die historisch-kritische Perspektive. Allerdings ist zu erwähnen, dass die Literarkritik völlig ausgeklammert wird, was aber auch außerhalb des evangelikalen Milieus vorkommt. Wer eine Auseinandersetzung mit deutschsprachigen Forschungsbeiträgen sucht, wird in diesem Kommentar nicht fündig.