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Ausgabe:

Oktober/2019

Spalte:

1056–1058

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schröder, Bernd, Gemeinhardt, Peter, u. Werner Simon [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

»Rezeption« und »Wirkung« als Phänomene religiöser Bildung. Forschungsperspektiven und historiographische Fallstudien.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018. 200 S. = Studien zur Religiösen Bildung, 18. Kart. EUR 34,00. ISBN 978-3-374-05397-1.

Rezensent:

Hendrik Klinge

Rezeption und Wirkung sind Phänomene, die in der theologischen Literatur oft nur im Nachsatz behandelt werden. Nicht wenige Monographien enden mit einem »harmlosen Kapitelchen«, das, nachdem die eigentliche Arbeit getan ist, einen kurzen Ausblick auf die Wirkungsgeschichte wirft. Zu den Verdiensten des Bandes gehört es, dass er dieses oft eher stiefmütterlich behandelte Thema ins Zentrum rückt. Dieses Verdienst ist umso größer, als die Verfasserinnen und Verfasser der hier versammelten Beiträge sich nicht darauf beschränken, die in den Geisteswissenschaften bereits seit geraumer Zeit diskutierte »Rezeptionsästhetik« auf ein neues Gebiet – in diesem Fall die historische Religionspädagogik und Bildungsforschung – anzuwenden, sondern auch neuere Ansätze zu er­proben und teilweise selbst zu entwickeln.
Hervorgegangen ist der Band aus einer gemeinsamen Tagung des Arbeitskreises für historische Religionspädagogik sowie eines Teilprojekts des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs »Bildung und Religion in Kulturen des Mittelmeerraums und seiner Umwelt von der Antike bis zum Mittelalter und zum Klassischen Islam« in Göttingen. Der Tagungsrückblick von Werner Simon dient zugleich als Überblick über die Beiträge des Bandes, weshalb seine Penultima-Stellung innerhalb des Bandes etwas überrascht. Dass neben den namhaften Herausgebern vor allem Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu Wort kommen, macht, wie im Fall von Christian Fröhlings Studie zur religionspädagogischen Rezeption Meister Eckharts, neugierig auf die damit zusammenhängenden Qualifikationsschriften. – Eine Rezension der Monographie Fröhlings findet sich dankenswerterweise a. a. O., 153–155.
In seiner Einführung steckt Bernd Schröder souverän das Terrain ab, klärt wesentliche Begrifflichkeiten und Bezugsgrößen und macht nicht zuletzt auf die explizit theologische Dimension der Phänomene »Rezeption« und »Wirkung« aufmerksam (14). Methodologisch vertieft werden diese Gedanken im Beitrag von Johannes Wischmeyer, der die verschiedenen Konzepte, von der Rezeptionsästhetik bis zur intertextuellen Forschung, historisch einordnet und auf ihre Leistungsfähigkeit hin befragt. Besonders begrüßenswert erscheint dabei, dass Wischmeyer nicht die in anderen Wissenschaften teilweise anzutreffende Überzeugung teilt, die Methodologie sei als Panazee für alle disziplinspezifischen Probleme zu betrachten. Vielmehr betont er, dass der historischen Religionspädagogik nicht allein dadurch geholfen sei, ihr Methodenrepertoire zu erweitern, sondern vielmehr eine breitere Quellenbasis nottue, eine Einschätzung, die in modifizierter Weise auch von Schröder bestätigt wird (28.185).
Die stärker an materialen Gehalten orientierten Beiträge des Bandes lösen diese Forderung, die Methodologie nicht zum Selbstzweck werden zu lassen, fast durchweg ein. Das Spektrum der behandelten Gegenstände ist dabei zeitlich, lokal und konfessionell erstaunlich breit: Neben wissenssoziologischen Betrachtungen zur katholischen Religionspädagogik in den 1960er Jahren findet sich etwa auch eine Studie zu pädagogischen Bildungsreisen im 19. und 20. Jh. Hervorzuheben ist der Beitrag von < /span>Peter Gemeinhardt, der sich mit drei neueren Publikationen zu »Augustinus’ Religionspädagogik« beschäftigt und der dafür plädiert, den An­schluss der Religionspädagogik an die Patristik nicht in einer vermeinten einheitlichen Positionierung »der« Kirchenväter, sondern vielmehr in deren »pluriformer Erscheinung« zu suchen (133). Äußerst instruktiv sind auch die über den unmittelbaren Forschungsgegenstand hinausgehenden Überlegungen, die Gemeinhardt hier zur Frage der theologischen Enzyklopädie anstellt (113–117). Elisabeth Hohensee wendet in ihrem Beitrag die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse auf die Katechetik von F. H. C. Schwarz (1818) an. Die für diesen Ansatz charakteristische Art der Codierung mag dem theologischen Leser fremdartig, wenn nicht gar übertrieben schematisch erscheinen; sie ist in anderen Wissenschaften aber durchaus Standard. Ob aber diese Erweiterung des Methodenrepertoires tatsächlich einen Mehrwert gegenüber der »klassisch-hermeneutischen Textanalyse« erbringt oder ob hier nicht doch ein Hypertrophieren der Methodologie zu befürchten steht, darf mit der Verfasserin selbst (44) als noch offene Frage angesehen werden.
Nur in aller Kürze kann darauf hingewiesen werden, dass der Literaturbericht von Bernd Schröder, der zugleich als Fortführung einer früheren Publikation des Verfassers zu betrachten ist, eine Pflichtlektüre für jeden professionell mit der historischen Religionspädagogik Befassten darstellt.
Insgesamt stellt der Band einen wichtigen Beitrag zur Forschung dar und sei nicht nur jedem religionspädagogisch und kirchengeschichtlich Interessierten empfohlen, sondern auch Forscherinnen und Forschern anderer Disziplinen, die offen dafür sind, aus einem dezidiert theologischen Umgang mit den Phänomenen »Rezeption« und »Wirkung« Gewinn für ihr eigenes Fach zu ziehen.