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Ausgabe:

Juli/August/2019

Spalte:

789–791

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Küster, Volker

Titel/Untertitel:

Zwischen Pancasila und Fundamentalismus. Christliche Kunst in Indonesien.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2016. 296 S. m. Abb. = Contact Zone. Explorations in Intercultural Theology, 19. Kart. EUR 38,00. ISBN 978-3-374-04178-7.

Rezensent:

Eckhard Zemmrich

Wissenschaftliche Reflexion, die sich der Verarbeitung lebendiger Begegnung verdankt, betritt immer Neuland, sofern sie die dabei eingenommene, individuell geprägte ›Zentralperspektive‹ bewusst nutzt und in der methodischen Erschließung des Forschungs-gegenstandes dieser hermeneutischen Grundentscheidung verpflichtet bleibt. Bei dem Werk von Volker Küster steht die per-sönliche Begegnung des Autors mit zum großen Teil aktuellem, christlich geprägtem künstlerischen Schaffen in drei Regionen In­donesiens im Hintergrund der Erschließung. Beispiele der dort begegnenden, christlich geprägten Kunst und der Schulen, denen sie zugehören oder die sie selbst bilden, werden in religions- und kunstgeschichtlichen sowie theologischen Analysen vorgestellt sowie in weiter ausgreifende Theoriekontexte und das im Buchtitel angedeutete religionspolitische Spannungsfeld eingebettet. Neuland betritt die Studie auch insgesamt in ihrer thematischen Fokussierung: Eine über einzelne Regionen hinausgreifende Un­tersuchung neuerer christlicher Kunst in Indonesien gibt es bislang nicht. K. füllt hier ein echtes Desiderat – selbst in der hohen geographischen Beschränkung auf die zwei international geschätzten Kunstszenen Bali und Yogyakarta sowie auf Kunst in West-Papua an zwei ausgewählten Orten. Diese Auswahl bietet einen solch reichhaltigen Einblick, dass sie die Behauptung nicht nötig gehabt hätte, es gebe zwar auch anderswo in Indonesien »versprengte christliche Künstler«, aber – etwa bei den Völkern der Batak, Dayak und Toraja – »eben keine nennenswerte christliche Kunst« (84). Das dürfte sich so nicht halten lassen. Nicht nur die hybride, christliche Kunstszene im kulturellen Schmelztiegel der indonesischen Hauptstadt Jakarta zeigt das. Christliches, und zwar auch christlich-kontextuelles künstlerisches Schaffen etwa an Stammeshäusern und Kirchenbauten, aber auch in der Textilkunst andernorts in Indonesien ist vielleicht deshalb weitaus weniger bekannt, weil es oftmals – wie auch in Papua – nicht vergleichbar individualisiert und kommerzialisiert ist wie in den Kunstszenen von Bali und Yogyakarta. Vorhanden ist es gleichwohl.
K. arbeitet einerseits exemplarisch, indem er synchronisch die bereits genannten drei Regionen Indonesiens mit jeweils einem Kapitel zu Bildern und Skulpturen und einem weiteren zu christlicher Baukunst in den Blick nimmt. Dennoch greift unter den insgesamt sechs Kapiteln das erste zum Thema »Kunst und Religion in Indonesien« auch diachronisch weit aus, wenn es bemerkenswert komprimiert und vielschichtig Geschichte, Religionsgeschichte und Kunstgeschichte ganz Indonesiens von der Frühzeit an thematisiert. Darin muss sich unter anderem das durch Robert Hefner bekannt gewordene und seither stark rezipierte Bild vom »Civil Islam« Indonesiens aus den Erfahrungen der Post-Suharto-Zeit heraus kritisch befragen lassen, und auch »die vorgeblich friedliche Ausbreitung des Islam in Indonesien (wird) als ein ideologisches Konstrukt entlarvt.« (17 f.) Kunstgeschichtlich beschreibbar wird für K. die präsentierte Gegenwartskunst in einer »Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen« (85), da die in Indonesien oft weniger starke Individualisierung der frühchristlichen und mittelalterlichen Kunst viel näher stehe.
Die Kunstschaffenden aus den ausgewählten Regionen werden jeweils in einem kurzen biographischen Porträt vorgestellt, danach folgen Beschreibung und Analyse bedeutender Arbeiten aus dem jeweiligen Œuvre. Zurückhaltende Deutungsansätze öffnen dabei Räume für eigene Interpretationen. Alle besprochenen Werke sind auch im Anhang entweder in Schwarz-Weiß oder in Farbe abgebildet, und zwar in hoher Aufnahmequalität und guter Reproduktion (nur leider oft recht klein). Im zweiten Kapitel über »Christliche Kunst im Kontext der Agama Hindu-Bali« nimmt zu Recht das Schaffen des Malers, Tänzers, Wayang-Puppenspielers und Musikers Nyoman Darsane den größten Raum ein. Dieser im deutschen Sprachraum bereits durch frühere Publikationen ebenso wie der nach ihm vorgestellte Ketut Lasia bekannte spiritus rector ästhetischer und liturgischer Kontextualisierungsbemühungen der Protestantischen Kirche in Bali wird hier auch in seinem Spätwerk präsentiert, das die Erschütterungen der Zeit nach 1998 verarbeitet. Ob dieses sich tatsächlich insgesamt stilistisch mit einem »balinesischen Expressionismus« (105) deutlich vom Frühwerk abheben lässt, scheint angesichts der zahlreichen Beispiele durchgehaltener Formensprache und vergleichbarer Motivik – etwa in der Verarbeitung der Johannes-Apokalypse – allerdings diskutabel.
Die darauffolgende Generation mit experimentellem, teils ab­straktem Schaffen wird exemplarisch anhand von Mitgliedern der christlichen Künstlergruppe Balinese Christian Art Association (BCAA) vorgestellt: Gde Yosef C. Darsane, I Komang Wahyu Sukayasa, Ni Ketut Ayu Sri Wardani (die einzige Frau) und Gde Sukana Kariana.
Faszinierende Einblicke hält auch das kürzere, dritte Kapitel über christliche Kunst in Yogyakarta bereit, ebenfalls mit einer Mischung aus bekannten Namen der älteren und unbekannteren der jüngeren Generation: Bagong Kussudiardja, Hendarto, Hari Santosa, aber auch A. B. Dwiantoro, Dopo Yeihan und Wisnu Sa­songko.
Die im vierten, kürzesten Kapitel vorgestellte Papuakunst der Asmat ist oft anonym. In einem Museum und einem Kloster gesammelte Werke werden präsentiert sowie die Kunst zweier auf einer Kurzreise nach West-Papua interviewter Künstler, Donatus Moyen und Paulus Demetou. Die dabei besprochene Kunst am Bau leitet über zum fünften Kapitel mit seinen Ausführungen zu ausgewählter christlicher Sakralarchitektur auf Bali und Java, bis hin zu einem für seinen architektonischen Gesamtwurf preisgekrön ten Stadtviertel »Wisma Salam« in Magelang, Zentral-Java, als »dreidimensionale Befreiungstheologie« (178 f.). Kuriositäten wie die mittlerweile sehr bekannte »Hähnchenkirche« (»Gereja Ayam«) am Rande des Sultanats Yogyakarta dagegen bleiben außen vor.
Das Schlusskapitel widmet sich der in Indonesien allgegenwärtigen interreligiösen Dimension christlicher Kunst als »Dialog in Bildern«. Diese von K. bereits in früheren Publikationen erprobten Dialogformen sowohl der Bilder (Motivik) als auch hinter (Künstler) und vor den Bildern (Betrachter) bleiben zwar Fragment, bieten aber ebenfalls interessante Einblicke in die vielgestaltige künst-lerische Verarbeitung religiöser Themen in Indonesien. Der ausführliche Bildteil schließt das Buch ab. Ein Stichwortverzeichnis wäre wünschenswert gewesen, ebenso die Tilgung von gelegent-lichen Fehlern bei indonesischen Namen, Begriffen und Abkürzungen.
Die Aufbereitung des so vielgestaltigen Materials erfolgt nicht nur in geographischer Ordnung, K. bedient sich für die Kategorisierung der von ihm besprochenen Werke der etablierten Unterscheidung zwischen Akkomodation, Kontextualisierung/Inkulturation (der Gebrauch changiert) und Glokalisierung. Ganz offenbar ist dabei auch an eine Entwicklung gedacht (»noch« Akkomodation, »schon« Kontextualisierung). Glokalisierte Kunst allerdings widersetzt sich einer entsprechenden Einordnung und provoziert damit die methodische Rückfrage nach Sinn und Angemessenheit solcher Ordnung in einer Kunstwelt, die durch globalen Austausch der Bilder, Stile und Symbole zunehmend von Gleichzeitigkeiten und hybriden Identitätskonstruktionen geprägt ist. So hinterlässt K.s facettenreiches Werk auch Anregungen zu weiterführenden Klärungen im Bereich interkultureller Ästhetik.