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Ausgabe: | Mai/2019 |
Spalte: | 442–443 |
Kategorie: | Religionswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Stubenrauch, Bertram |
Titel/Untertitel: | Pluralismus statt Katholizität? Gott, das Christentum und die Religionen. |
Verlag: | Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2017. 189 S. Kart. EUR 29,95. ISBN 978-3-7917-2916-9. |
Rezensent: | Martin Hailer |
Der Band von Bertram Stubenrauch enthält zwei Abschnitte aus der Habilitationsschrift des Vf.s (Dialogisches Dogma. Der christliche Auftrag zur interreligiösen Begegnung, Freiburg i. Br. 1995) sowie sieben thematisch daran anschließende Aufsätze aus den Jahren 1998 bis 2015. Er verbindet die erneute Publikation mit der Zielsetzung, seinen »Ansatz […] einer kenotisch orientierten Gottesbeschreibung« (7) erneut vorzustellen und damit für die »wertschätzende Katholizität des christlichen Glaubens« (8) zu werben. Kritisch wendet sich das Vorhaben sodann gegen die Idee, im interreligiösen Dialog selbst sei »eine, wenn nicht gar die maßgebende Form der göttlichen Offenbarung zu sehen« (ebd.).
Der kenotische Ansatz orientiert sich am Philipperhymnus und begreift Gott wesentlich so, dass er sich in Christus ganz auf Augenhöhe mit den Menschen begeben und selbst ausgesagt hat. Dies impliziert zum einen die Selbsterniedrigung Gottes und zum anderen, dass in Christus Gottes Identität definitiv und abschließend am Tage ist. Beides gilt es für den interreligiösen Dialog fruchtbar zu machen: Weil Gott sich kenotisch auf die Weltwirklichkeit einlässt, muss die Spur seines Selbsterweises nicht nur im Christentum gesucht werden, sondern auch im Gespräch mit christlich unvertrauten Glaubenserfahrungen (25 f.50 u. ö.). Zugleich aber gilt, dass der Wahrheitsanspruch der Christusoffenbarung nicht zu relativieren ist (»auf jeden Fall vermeiden«, 37): »Der Sohn ist zwar ein anderer als der Vater, aber er ist nichts anderes als er – alius non aliud.« (145) Entsprechend deutlich geht der Vf. mit der pluralistischen Theologie der Religionen ins Gericht (89–97. 117–119).
Damit verbindet sich die Idee der wertschätzenden Katholizität: Angehörige anderer Religionen zeigen, dass der Mensch für die Gegenwart des Absoluten empfänglich ist, auch wird der universale Heilswille Gottes deutlich (118 f.147). Die christlich nicht abbildbaren Gotteserfahrungen Andersreligiöser deutet der Vf. als numinose Fanale: Gerade in ihrer Unverständlichkeit mahnen sie, die Universalität von Gottes Heilswillen zu achten (119, vgl. 137). Das aber geht nicht mit einer Relativierung der Rolle der Kirche einher. Sie ist vielmehr soteriologisch notwendig: Christus, »das Ein und Alles Gottes« (178), benötigt Mitmenschen, die die Fülle Gottes zeigen. Das ist die Aufgabe der Kirche als seines messianischen Volkes, sie ist »kreatürliches Medium der Gottesoffenbarung« (180).
Von diesen Bestimmungen aus kritisiert der Vf. andere religionstheologische Modelle. In Sachen des religionstheologischen Pluralismus wurde das bereits deutlich. Er bezieht sich darüber hinaus auf die Position von Gerhard Gäde, nach dem Christus die Wahrheit auch in allen anderen Religionen ist (›Interiorismus‹, vgl.: Christus in den Religionen, Paderborn 22010), und hält sie für widersprüchlich. Eine knappe kritische Anfrage richtet er auch an die Komparative Theologie, wie etwa Klaus von Stosch sie betreibt (142). Wer in diesem Sinne »interreligiös« spricht, kommt nicht umhin, Universalwahrheiten zu postulieren (144). Es kann aber nicht darum gehen, »auf interreligiöse Weise eine Metareligion […] zu erzeugen«, weshalb der Vf. im Gegenzug dazu für den Leitbegriff »interreligioneller Dialog« als Basis einer zeitgemäßen Missionskonzeption plädiert (149).
Wer aber will im Ernst »eine Metareligion erzeugen«? Und wieso soll die Suche nach von mehreren Religionen möglicherweise geteilten Wahrheiten ihrerseits Offenbarungsanspruch erheben? Derart scharfe Vorwürfe, die doch nichts weniger als den Häresieverdacht implizieren, müssen gezeigt, nicht nur pauschal benannt werden. Komparative Theologie etwa sucht in der Tat Parallelen im thematischen Einzelvergleich, entscheidet aber nicht, im Rahmen welches Interpretationsparadigmas sie verstanden werden. Geschieht das z. B. inklusivistisch, so ist der Verdacht völlig unbegründet.
Um hier weiterzukommen, wäre es nötig gewesen, über den bloßen Wiederabdruck der Texte hinaus substantielle Auseinandersetzungen zu beginnen. Das aber ist durchgängig nicht geschehen. So vermisst man z. B. die Stimme Perry Schmidt-Leukels als desjenigen deutschsprachigen Theologen, der explizit von interreligiöser Theologie spricht, auch sind lediglich eine Druckseite zum Interiorismus und ganze zwei Absätze zur Komparativen Theologie nicht geeignet, auch nur annähernd stimmige Bilder zu zeichnen, zumal beide in einem Text stehen, der erkenntlich Vortragscharakter hat. Dazu kommen zahlreiche Wiederholungen in den im Wesentlichen unbearbeiteten Aufsätzen (8), auch wurde auf die Diskussion der seit der jeweiligen Drucklegung erschienenen Literatur verzichtet. Ein Beitrag zur Sache auf Höhe der Debatte ist damit freilich nicht vorgelegt worden.