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Ausgabe:

Dezember/2018

Spalte:

1261–1262

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kartje, John

Titel/Untertitel:

Wisdom Epistemology in the Psalter. A Study of Psalms 1, 73, 90, and 107.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2014. XII, 216 S. = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 472. Geb. EUR 109,95. ISBN 978-3-11-035053-1.

Rezensent:

Bernd Janowski

Die Prägung bestimmter Psalmen durch die Sprache, Anthropologie und Theologie der Weisheit ist seit etlichen Jahrzehnten ein Dauerthema der Psalmenforschung. Das vorliegende Buch – ein schmaler Band von 173 Seiten (plus Literaturverzeichnis und Regis-ter) –, das offenbar an der Katholischen Universität von Nordamerika in Washington (als was?) vorgelegt wurde, bearbeitet dieses Thema, indem sein Autor John Kartje vier Psalmen (Ps 1; 73; 90; 107) auswählt und auf ihre Bedeutung für die Komposition des Psalters hin befragt. Begründet wird diese Auswahl mit dem Hinweis auf den »epistemological content« dieser Psalmen sowie auf ihren ka­nonischen Ort innerhalb des Psalters (vgl. 2). Das ist etwas kühn, weil man dafür auch andere »Weisheits«-Psalmen hätte nehmen können (z. B. Ps 49 am Ende der Korachsammlung Ps 42–49).
In Kapitel 1 (4–31) gibt der Vf. im Anschluss an die sattsam be­kannten Arbeiten von G. Lakoff, Z. Kövecses u. a. einen Überblick über die kognitionswissenschaftlichen und metapherntheoretischen Grundlagen seiner Überlegungen, die er dann in Kapitel 2 (32–52) am Beispiel von Prov 1–9 anwendet. Textanalysen im eigentlichen Sinn, so fällt bereits hier auf, vermisst man dabei ebenso wie einen analytischen Blick für Fragen der Komposition etc. Auch hätten die mehr theoretisch gehaltenen Ausführungen in Kapitel 1 ohne Not auf ca. zehn Seiten abgehandelt werden können, da das Wichtigste dazu längst von anderen gesagt worden ist.
Kapitel 3 (53–70) wendet sich dann dem Thema im engeren Sinn zu, wobei der Vf. zunächst forschungsgeschichtliche Bemerkungen zu den sogenannten Weisheitspsalmen (zur Definition, s. 53 ff., leider wenig Neues) macht. Ab Kapitel 4 (71–90) beginnen schließlich die Analysen der vier Psalmen, die sich bis Kapitel 7 (138–164) hinziehen und jeweils nach einer Übersetzung und Kurzexegese den Blick auf die Metaphorik und Epistemologie lenken. Kritisch an-zumerken ist dabei, dass der Vf. bis auf Ps 1, wo alle sechs Verse betrachtet werden, eklektisch verfährt und nur die seiner Meinung nach metaphorisch und epistemologisch ertragreichen Verse auswählt (bei Ps 73 sind dies V. 4.7.9 f.17 f.20.24, bei Ps 90 sind dies V. 1.5.8 f.10.12 f. und bei Ps 107 werden nur V. 1–22 und V. 33–43 analysiert). Überzeugend ist das nicht. Hilfreich ist dagegen der Appendix zur Verwendung des für das Verständnis von Ps 90,12 wichtigen Verbs manah »zählen« (132–137). So etwas hätte man sich auch für andere Verben, Motive und Themen gewünscht. Ein knappes Schlusskapitel (165–173) bündelt die Hauptergebnisse und kommt noch einmal auf die Ausgangsfrage nach der Bedeutung der vier untersuchten Psalmen für die »Canonical Structure of the Psalter« zurück. Dass diese Ausführungen nicht repräsentativ sind, weil die getroffene Textauswahl willkürlich ist, weiß, wer mit der Materie vertraut ist.
So hat man am Ende nicht viel mehr in der Hand als das, was man schon längst wusste – vor allem aber einen Band, der angesichts seines schmalen Umfangs überzogen teuer ist (EUR 109,95). Wer ein solches Buch kaufen soll, bleibt ein Geheimnis des Verlags und seiner Reihenherausgeber.