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Ausgabe: | Juni/2018 |
Spalte: | 622–624 |
Kategorie: | Neues Testament |
Autor/Hrsg.: | Heilig, Christoph |
Titel/Untertitel: | Paul’s Triumph. Reassessing 2 Corinthians 2:14 in Its Literary and Historical Context. |
Verlag: | Leuven: Edition Peeters 2017. XVI, 338 S. = Biblical Tools and Studies, 27. Kart. EUR 86,00. ISBN 978-90-429-3392-7. |
Rezensent: | Dietrich-Alex Koch |
In 2Kor 2,14 beginnt Paulus den neuen, bis 7,4 reichenden Teiltext des (jetzigen) 2Kor mit der Wendung τῷ δὲ θεῷ χάρις τῷ πάντοτε θριαμβεύοντι ἡμᾶς ἐν τῷ Χριστῷ (Luther 2017: »Gott aber sei gedankt, der uns allezeit im Triumph mitführt in Christus«).
Christoph Heilig legt eine umfassende sprachliche und exegetische Untersuchung zu der hier verwendeten Metapher vom Triumphzug vor.
Nach einleitenden Ausführungen zu Aufgabenstellung und Vorgehensweise (Chapter 1, 3–24) folgt das grundlegende 2. Kapitel (25–116), in dem der Vf. erstmalig mit Hilfe des TLG eine vollständige Auflistung aller verfügbaren Vorkommen des Verbs θριαμβεύειν bietet (37–51), die er anschließend hinsichtlich der lexikalischen Verwendung analysiert. Damit liefert er für alle künftigen Diskussionen eine stabile Grundlage. Dabei bestätigt sich zunächst das bisherige Bild, wenn auch auf deutlich breiterer Basis: Die überwiegende Zahl der etwa 100 Belege, nämlich rund 80 %, betreffen die intransitive Verwendung (»einen Triumphzug begehen«), nur 20 % den auch in 2Kor 2,14 vorliegenden transitiven Gebrauch (82). Hierfür gelangt der Vf. in Abgrenzung zu den Definitionen von S. J. Hafemann (jmd. im Triumphzug als zum Tode bestimmten Gefangenen mitführen) und C. Breytenbach (einen Triumph begehen [aufgrund eines Sieges] über jmd.) zu der Definition: »to cause sb. or sth. to move (before oneself) in a triumphal procession in order to display sb. or sth. to the watching crowd« (101). Gegen Breytenbach hält der Vf. fest: »the meaning of transitive θριαμβεύειν includes the element of presentation in the triumph to the spectators« (96).
Das 3. Kapitel (119–143) diskutiert »Background Possibilities«, d. h. die möglichen historischen und religionsgeschichtlichen Hintergründe. Primärer – und für den Vf. letztlich einziger – Bezugsrahmen ist das Ritual des römischen Triumphzuges. Bemerkenswert ist, dass der Vf. – gegen eine verbreitete Tendenz in der Exegese – davor warnt, zu viele Einzelheiten des Rituals bei Paulus (und seinen Adressaten) als bekannt vorauszusetzen (128). Gegen Hafemann wird festgehalten, dass die Hinrichtung der im Triumphzug mitgeführten Gefangenen sich auf wenige (prominente) Einzelfälle beschränkte und keineswegs die Regel war (137). Die Kenntnis paganer Prozessionen (auch bei Dionysosfesten, z. B. in Athen) ist für Paulus natürlich vorauszusetzen, trägt aber (gegen P. B. Duff) nichts zum Verständnis von θριαμβεύειν bei (142). Schließlich berührt der Vf. unter der Überschrift »Paul and God’s Triumph« einen wichtigen Punkt: Im Unterschied zu dem gesamten sonstigen Vorkommen von θριαμβεύειν liegt bei Paulus in der Anwendung auf Gott eine eindeutig metaphorische Verwendung vor. Der Vf. diskutiert die Erklärungsmodelle von J. M. Scott (Paulus hat Kenntnis der jüdischen Merkabah-Mystik) und W. J. Webb (Gott als Krieger im Alten Testament). Beide Vorschläge werden später (in Kapitel 5) aus inhaltlichen Gründen zurückgewiesen (202–204).
Nicht diskutiert wird die Frage einer paganen metaphorischen Verwendung des Triumphmotivs für die Handlung bzw. die Epiphanie einer Gottheit. Wichtig wäre hier nicht so sehr die ad-hoc-Idee Ovids von einem Triumphzug der Cupido (Am. I 2,19–43), sondern die literarische und vor allem ikonographisch sehr wirksame Tradition vom Triumph des Dionysos im Zusammenhang seines mythischen Zuges nach Indien (u. a. Ovid, Am. I 2,47). Der Vf. kennt diese Stelle (201), wertet sie aber hier nicht aus.
Unter der Überschrift »Internal Evidence« (nämlich für die Bedeutung von θριαμβεύειν in 2,14b) wird im 4. Kapitel (145–191) der engere Kontext von 2,14b analysiert. Als Kontext kommen dabei (unter der Voraussetzung der literarischen Einheit von 1,1–2,13/ 2,14 ff.) einerseits 2,11–13 und 2,14c–16a (d. h. ohne 16b+17!) in den Blick. Die vom Vf. als ›chaotisch‹ bewertete Abreise Paulus’ aus Alexandria Troas in 2,13 könnte erneut Zweifel an der Integrität des Paulus in Bezug auf seine Reisepläne auslösen (vgl. 1,17). Dem wolle Paulus durch 2,14b begegnen: »Paul has to affirm that the chaos that surrounds some of the recent missionary activities of him and his team are not an indication of human standards in a supposedly divine mission (161).« Und: »it is plausible to assume […] that τῷ πάντοτε θριαμβεύοντι ἡμᾶς ἐν τῷ Χριστῷ interprets their seem-ingly chaotic movements as part of God’s triumphal procession (ebd.).« Hier ergeben sich deutliche Anfragen:
1. Die Beurteilung des in 2,13 berichteten Verhaltens des Paulus als ›chaotisch‹ ist unbegründet. Anders als in 1,17 geht es auch gar nicht um die nachträgliche Änderung früher gegebener Besuchszusagen.
2. 2,14a–16a kann nur dann als Entgegnung auf 2,13 verstanden werden, wenn man 2,16b ausblendet. Aber die Formulierung καὶ πρὸς ταῦτα (!) τίς ἱκανός; (»und wer ist dazu [!] befähigt?«) zeigt, dass sich V. 16b direkt auf V. 14–16a zurückbezieht. 2,14–16a ist also Hinführung zur Fragestellung von V. 16b, die dann den gesamten Textteil bis 7,4 bestimmt. V. 14a.b (τῷ δὲ θεῷ χάρις τῷ πάντοτε θριαμβεύοντι κτλ.) kann also ohne V. 16b (+17) gar nicht sachgemäß interpretiert werden.
Im 5. Kapitel (195–217) führt der Vf. die lexikalischen und historischen Ergebnisse zusammen. Zunächst schaltet er Versuche aus, die Teilnahme des Paulus an Gottes Triumphzug dahingehend zu erklären, dass er hier in positiver Weise, nämlich in der Rolle eines den Triumphator begleitenden siegreichen Generals oder als Weihrauchträger erscheint. Zum Abschluss kann er dann formulieren: »If Paul had wanted to express the thought of being led by God in his triumphal procession, his actual word choice is, thus, quite in line with what one might expect« (217); »it is best to assume that this is the most probable meaning for 2 Cor 2:14b« (ebd.).
Im 6. Kapitel (219–237) analysiert der Vf. die weiteren Textelemente von V. 14b. Wichtig für das Gesamtverständnis ist, dass der Vf. ἡμᾶς nicht ausschließlich auf Paulus, sondern auch auf seine Mitarbeiter bezieht (222 f.). Damit entfällt die verbreitete biographische Deutung, Paulus werde als besiegter Gottesfeind im Triumph vorgeführt.
Im 7. Kapitel (241–259) führt der Vf. die bisher gewonnenen Ergebnisse zusammen. Er hebt zwei zentrale Elemente der Meta-pher vom Triumphzug hervor: Das Herumgeführtwerden und das Moment der Beschämung der Herumgeführten in den Augen der Zuschauer. Er gelangt so zu einer ausgesprochen spekulativen Ausdeutung: »Paul chose this metaphor in order to link the perception of captives in the procession with an evaluating of his ministry – more specifically the chaotic movements of his mission – that he might have feared to be prevalent in Corinth. Since Paul is countering here an unspoken attack, the use of a metaphor has the advantage of allowing his readers to locate themselves within the pic-
ture and to identify with the watching crowd and their feelings,
without having to acknowledge explicitly their intuitive reaction towards Paul’s narration of his travels« (248); und: »the complex move to encourage the Corinthians to identify themselves with the watching crowd« dient dazu, dass die Korinther »find themselves challenged in their simplistic perception of Paul’s ministry« (259).
Der Vf. hat die Diskussion um die Bedeutung von θριαμβεύειν in 2Kor 2,14 auf eine neue Grundlage gestellt und diese Analyse wagemutig mit einer zugespitzten These verknüpft. Auch wenn man dieser These nicht zu folgen vermag, wird diese Arbeit die künftige Diskussion maßgeblich bestimmen.