Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2018

Spalte:

323–324

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ullmann, Martina [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

10. Ägyptologische Tempeltagung: Ägyptische Tempel zwischen Normierung und Individualität. München, 29.–31. August 2014.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2016. XIII, 194 S. m. Abb. u. Tab. = Königtum, Staat und Gesellschaft früher Hochkulturen, 3: Akten der Ägyptologischen Tempeltagungen, 5. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-3-447-10572-9.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die Publikation druckt einen Teil der anlässlich der 10. Ägyptologischen Tempeltagung gehaltenen Vorträge ab, die vom 29.–31. August 2014 in München ausgetragen wurde. Der Inhalt des Bandes teilt sich in die folgenden Beiträge auf:
N. Alexanian und F. Arnold beschäftigen sich mit den Landschaftskorrekturen um die »Knickpyramide« des Snofru. Das Baumaterial für die Pyramide wurde in deren unmittelbarer Umgebung gebrochen (2). Im Osten von Taltempel und unterem Aufweg wurde ein größeres Hafenbecken angelegt (4). In der Nähe zum Taltempel findet sich eine ziegelummauerte Struktur, die wohl einen Garten beherbergte (5). Die Topographie wird zum Begräbnisritual des frühen Alten Reiches in Bezug gesetzt (8).
R. Birk spricht die überregionale Normierung priesterlicher Epitheta der Ptolemäerzeit an. Die traditionellen Ämter des 1. bis 4. Propheten des Amun in Karnak wurden in der Ptolemäerzeit durch die 5. Priesterphyle erhöht (17). Die Prozessionsteilnehmer an den Treppenhauswänden von Edfu und Dendera wurden entlang absteigender/aufsteigender Hierarchieachse angeordnet (19–21). Die Gouverneure wurden in Edfu und Dendera anhand der Epitheta nach einem einheitlichen Schema konzipiert (32).
R. Bussmann lotet die ägyptologischen Verwendungsmöglichkeiten der anthropologischen Begriffe »great tradition« und »little tradition« aus. Die Interpretation der Kultbauten des 3. Jt.s durch spätere und königliche Texte und Architektur wird wegen des Wandels zwischen früherem Funerärkult und späterem Tempelkult kritisch gesehen (40). Die deutlichere Unterscheidung zwischen Traditionen und menschlichen Akteuren wird angemahnt (45).
S. Caßor-Pfeiffer hebt Ausnahmen bei Randzeilen griechisch-römischer Tempel hervor. Die Abweichungen der göttlichen Randzeile gehen zum Teil auf ritualbedingte/thematische oder architektonische Ursachen zurück (50–61).
P. Chudzik sondiert die Architektur des Totentempels Mentuhotep II. in Deir el-Bahari in Hinblick auf die Privatgräber hoher Beamter in Theben. Die königliche Anlage ist aus Taltempel, Aufweg und eigentlichem Sanktuar aufgebaut (72–73). Der Tempel diente als Art Nukleus für die Privatgräber an den Felshängen von Deir el-Bahari, am Fuß des Asasif und im Ostteil der thebanischen Nekropole (73). Die Sichtbarkeit der dem königlichen Vorbild nachempfundenen Gräber spielte eine große Rolle (74).
H. Kockelmann reflektiert über ägyptische Kulte zwischen mythischer Norm und lokaler Exegese. Die lokale Ansiedlung von Göttern wird mit der Rolle der Tempel als Ursprung des Kosmos bzw. der Kultorte als mythischen Geburtsstätten begründet (85). Die Legende von der Geburt der Isis in Dendera wird als ahistorisch abgelehnt, da der archäologische Kontext einen Bezug zum Delta nahelegt (93).
J. Fr. Quack sucht das »Buch vom Tempel« nach Hinweisen auf Normierung ab. Die Verbindung aus selbstständigen Pronomen + Partizip/Prospektiv auf späthieratischen Papyri deutet auf deren Zugehörigkeit zum »Buch vom Tempel« hin (102). Die Komposition wird aufgrund des vom Mittleren Reich bis zum Kanoposdekret anno 238 v. Chr. gebräuchlichen Systems rotierender Priester-phylen spätestens in die frühe Ptolemäerzeit datiert (104). Der Eindruck wird auch durch die relativ alte Sprachstufe der Basisversion des Textes bestätigt (105). Das »Buch vom Tempel« ist u. a. wegen der Erwähnung des Apisstieres vor allem für den Großraum Memphis/Heliopolis aufgelegt, aber in der Römerzeit landesweit kopiert worden (107).
Ch. Salvador geht anhand der Graffiti aus dem Neuen Reich im Hof des 7. Pylons von Karnak auf Ausdrücke für Individualität ein. Die 133 Graffiti auf der Westwand bestehen neben 28 textlichen Beispielen aus einem figurativen Hauptkern, der u. a. Vogeldarstellungen enthält (115). Die wohl schon in der Nutzungsphase des Tempels angebrachten Graffiti werden nicht als Werk von Laien, sondern als Werk von Priestern, Schreibern und anderen Tempelleuten aufgefasst (119).
A. Stupko-Lubczyńska fragt nach Aspekten zu Iunmutef und Thot in der Kapelle des Hatschepsuttempels von Deir el-Bahari. Das »Haus der Millionen« in den Texten zu Iunmutefund der »Tempel der Millionen« im Grab des Puimre werden mit dem Sternenhimmel assoziiert (135).
M. Ullmann folgt dem Raumkonzept der nubischen Felstempel Ramses II. Die früheste Anlage bildet der Hemispeos von Beit el-Wali, der drei entlang einer Ost-West-Achse angeordnete Räume besitzt (157). Im Großen Tempel von Abu Simbel wird das Schema freistehender, großformatiger Mehrraumtempel erstmals ganz in Fels gehauen (158). Die dreiteilige Struktur des Tempels aus mehrräumigem Heiligtum, Nordkapelle und Südkapelle steht den »Millionenjahrhäusern« in Theben nahe (159). Die Seitenräume der Tempel von Derr, Wadi es-Sebua und Gerf Hussein werden aufgrund eigener Kultachsen als eigenständige Entwicklung verstanden (167).
F. Wespi berichtet über Priesternormen im demotischen Papyrus Florenz PSI inv. D 102. Der Text wird in die Reihe der »demotischen juristischen Bücher« gestellt (185). Die Ähnlichkeiten zu den Regeln der kranken Priester auf der Rückseite der Demotischen Chronik werden betont (192).
Das Buch fordert zu einer positiven Bewertung heraus. Die Lektüre ist durchaus lohnend.