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Ausgabe: | März/2018 |
Spalte: | 231–233 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Reformationszeit |
Autor/Hrsg.: | Bullinger, Heinrich |
Titel/Untertitel: | Briefe von Oktober bis Dezember 1546. Hrsg. v. R. Bodenmann, A. Kess, J. Steiniger. |
Verlag: | Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2017. 491 S. = Heinrich Bullinger Werke. Abt. II: Briefe, 18. Lw. EUR 140,00. ISBN 978-3-290-17889-5. |
Rezensent: | Stefan Michel |
Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:
Bullinger, Heinrich: Briefe von Juni bis September 1546. Hrsg. v. A. Kess, R. Bodenmann, J. Steiniger. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2015. 547 S. = Heinrich Bullinger Werke. Abt. II: Briefe, 17. Lw. EUR 145,00. ISBN 978-3-290-17782-9.
Nachdem 2014 Band 16 des Heinrich Bullinger-Briefwechsels (HBBW) mit den Briefen von Januar bis Mai 1546 erschien (vgl. ThLZ 140 [2015], 810–813), konnten die Zürcher Editoren Reinhard Bodenmann, Alexandra Kess und Judith Steiniger 2015 und 2017 die Bände 17 und 18 mit den Briefen von Juni bis September (Nr. 2452–2603) und Oktober bis Dezember 1546 (Nr. 2604–2733) in bewährt akkurater Weise mit reichen Kommentierungen vorlegen. Damit ist das für die Reformationsgeschichte ereignisreiche Todesjahr Luthers abgeschlossen und kann nun aus Zürcher Perspektive näher in den Blick genommen werden. Besonders deutlich zeigt sich an HBBW 18, dass seit dem 14. Band ein neuer Leiter der Edition seine Arbeit tut. Nachdem die Regesten in den letzten Bänden ausführlicher verfasst und die Absätze deutlicher voneinander abgesetzt wurden, kam es in Band 18 zur Einführung einer Absatzzählung. Diese hilft – ähnlich wie beim Melanchthonbriefwechse l–, zwischen Regest und Editionstext rasch hin und her zu wechseln. Auf diese Weise werden zugleich die Regesten aufgewertet, die offenbar immer wichtiger werden, um sich den Briefen Bullingers nähern zu können, weil selbst bei den potentiellen Lesern und Leserinnen die Lateinkenntnisse geringer werden. Die Editoren leisten mit den üppigen Regesten über die eigentliche Edition hinaus eine wertvolle Hilfestellung zur Benutzung ihrer Edition in den nächs-ten Generationen. Dass die Absatzzählung nicht in den Editionstext aufgenommen wurde, sondern am Rand steht, ist nicht nur eine optisch gute Lösung. Auf diese Weise wird der Text von einem das Lesen möglicherweise störenden Eingriff freigehalten.
Beide Bände wurden von Reinhard Bodenmann mit umfangreichen Einleitungen (13–45; 13–46) versehen, die auf wichtige Ereignisse in den Briefen oder Ergebnisse der Edition hinweisen. So berichtet Bodenmann auch kurz von neuesten Veröffentlichungen, die durch den HBBW ermöglicht wurden (Bd. 18, 44 f.). Neben dem enormen theologischen und historischen Quellenwert bieten die Briefe neben Fakten auch Gerüchte sowie einige Alltäglichkeiten. Dazu gehört beispielsweise ein Scherz, den Blarer im Auftrag Konrad Zwicks mit Bullinger treibt (Nr. 2492). Die Briefe vermitteln eben nicht nur historische Fakten, sondern erlauben auch einen Blick auf die Sorgen und Hoffnungen der Korrespondenten Bullingers, die für sie zum Zeitpunkt der Niederschrift ihrer Briefe real waren.
Band 17 bietet 157 Briefe, von denen bisher 97 nicht gedruckt waren, 38 weitere lagen nur in Teiledition vor. In Band 18 finden sich 130 Briefe, zu denen 83 ungedruckte und 22 nur teilweise edierte zählen. Insgesamt haben nur 55 von 287 Briefen Bullinger zum Verfasser. Wichtigste Korrespondenten sind in beiden Bänden Ambrosius Blarer – mit dem sich Bullinger teilweise in einer Geheimschrift schreibt – in Konstanz, Oswald Myconius in Basel und Johannes Haller in Augsburg.
Wichtigstes Thema von HBBW 17 ist eindeutig der Schmalkaldische Krieg, der aus süd- und oberdeutscher Sicht beobachtet wird. Die Zuneigungen gelten eher Philipp von Hessen, der sächsische Kurfürst Johann Friedrich kommt hingegen als »Bauch von Sachsen« nicht so gut weg (495). Bullinger interessiert sich für den Kriegsverlauf und weiß sich über die aktuellen Ereignisse gut unterrichtet. Er tauscht sich darüber mit seinen Korrespondenzpartnern ebenso aus wie mit den Zürcher Stadtoberen. Flugschriften kursieren (Nr. 2558), die propagandistisch Meinungsbildung betreiben. In öffentlichen Gebeten in vielen Orten der Schweiz – wie Aarau, Biel, Bern, Winterthur und Zürich –, aber auch in Straßburg wird für den Sieg des Schmalkaldischen Bundes gebetet (Nr. 2478.2506.2547.2549.2647 u. a.). Durch Schweizer Söldner, die sich durch Tapferkeit auszeichnen, sollten die Protestanten, auf deren Seite Gott steht, unterstützt werden. Begierig werden Nachrichten über Truppenbewegungen oder Siege und Niederlagen ausgetauscht. Ab Ende September 1546 mehren sich jedoch die Nachrichten über die ausbleibenden Erfolge der Schmalkaldener. So wächst sich in HBBW 18 die Enttäuschung langsam zur Resignation am Jahresende 1546 aus. Nachdem Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Sachsen den süddeutschen Kriegsschauplatz verlassen mussten, sind die protestantischen Städte und Territorien sich selbst überlassen. Dass Herzog Moritz von Sachsen gegen seinen Verwandten kämpft, wird ihm nicht angerechnet, sondern stößt auf Entsetzen und Unverständnis (Nr. 2664.2665.2670.2671. 2684.2715 u. ö.). Häufig wird von Kriegsgräuel wie Plünderungen, Vertreibungen, Hinrichtungen, Vergewaltigungen oder Kastrationen von Pfarrern berichtet. Entlassene oder entlaufene Söldner ziehen marodierend durchs Land. Beide Bände stellen wertvolles Material zum Schmalkaldischen Krieg zur Verfügung, das bisher nicht ausgewertet wurde.
HBBW 17 und 18 bieten auch biographisches Material über Bullinger: Dessen Sommer war geprägt von der Arbeit an seinem Kommentar zum Lukasevangelium, der am 24. August 1546 fertiggestellt wurde (Nr. 2543), so dass ihn der Zürcher Antistes im September an seine Freunde verschicken konnte. Familienangelegenheiten kommen in den Briefen 2604, 2620 und 2727 zur Sprache.
Ein wichtiges theologisches Thema bleibt das Abendmahl, das von den Lutheranern anders gedeutet wurde. Dies führt allerdings auf der persönlichen Ebene zu Verwicklungen: So wurden die Pfarrer in Augsburg von einem vertriebenen lutherischen Pfarrer, Georg Caesar, derb als Schwärmer beschimpft. Deshalb wurde er mit seinen Anhängern aus der Stadt ausgewiesen (Nr. 2557.2677. 2685). Die Straßburger verstanden nicht, dass die beiden aus Zürich stammenden Studenten Ludwig Lavater und Jakob Gesser nicht einmal zu Ostern zum Abendmahl gehen wollten (Nr. 2600.2704 u. ö.). Herzog Johann Friedrich von Sachsen stellte Thomas Naogeorg nach, weil er sein Kurfürstentum verlassen hatte und eine andere Abendmahlslehre vertrat als die Wittenberger Theologen (Nr. 2610 u. ö.).
Reiches Material bieten beide Bände – vor allem die Briefe Hallers – zur Ausbreitung und zum Verlauf der Reformation in Augsburg. Die Zürcher schickten Prediger in die Stadt, um das begonnene Werk für ihren theologischen Standpunkt zu befestigen (Nr. 2573.2576.2596). – Beeindruckend ist der Brief Bullingers an eine Anhängerin Schwenckfelds, wahrscheinlich Elisabeth Höcklin (Nr. 2687). Darin stellt er seinen Standpunkt vom Wort Gottes dar. – Der in Nr. 2518 erwähnte Hauptmann (oder besser Statthalter) von Wolfenbüttel war wohl Bernhard von Mila (1499–1561) und nicht Bernhard von Mellingen.
Da die Regesten und Editionen mit den Kommentaren zum Teil sehr lang ausfallen, wären zur besseren Orientierung für die Benutzung der Bände Kopfzeilen (running head) mit Angabe der jeweiligen Briefnummer und des Briefdatums hilfreich gewesen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der HBBW inzwischen bis Band 16 im Internet frei zugänglich ist. Die Datenbank ist voll durchsuchbar und stellt der interessierten Öffentlichkeit zurzeit auf vorbildliche Weise 2477 Briefe kostenfrei zur Verfügung (www.irg.uzh. ch/de/hbbw/).