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Ausgabe:

September/2017

Spalte:

880–882

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Baumann, Stefan, u. Holger Kockelmann[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der ägyptische Tempel als ritueller Raum. Theologie und Kult in ihrer architektonischen und ideellen Dimension. Akten der internationalen Tagung, Haus der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. 9.–12. Juni 2015.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2017. IX, 584 S. m. zahlr. Abb. u. Tab. = Studien zur spätägyptischen Religion, 17. Geb. EUR 144,00. ISBN 978-3-447-10794-5.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die Publikation umfasst 21 Beiträge zur Konferenz »Der Tempel als ritueller Raum«, die vom 9. bis 12. Juni 2015 in Heidelberg über altägyptische Sakralgebäude organisiert wurde. Der Inhalt des Bandes gliedert sich nach folgendem Schema auf:
Pierre Zignani stellt an den mathematischen Proportionen den kanonischen Aufbau des spätägyptischen Tempels heraus. Die doppelt so große Länge wie Breite und anderthalbmal so große Höhe wie Breite des Allerheiligsten von Dendera werden kundgetan (3). Das Verhältnis von 3 zu 5 zwischen Breite und Länge der Naoi kommt häufiger vor (4).
Stefan Baumann untersucht Raumfunktion und Raumstruktur ägyptischer Tempel. Die antike Vorstellung des Tempels als Abbild der Welt wird veranschaulicht (19). Der typologische Zusammenhang zwischen Tempel- und Wohnhausarchitektur wird ausgeführt (18–30).
Alexa Rickert vergleicht die Dachtreppen der Tempelnaoi von der 26. Dy-nas­tie bis zum Ende der griechisch-römischen Zeit. Der Baubefund wird in »einläufige, gerade Treppen« und »mehrläufig gewundene Treppen« unterteilt (41–42). Die chronologische Entwicklung oder etwaige lokale/geographische Einflüsse werden für eher marginal gehalten (67).
Jan Tattko enträtselt ausgewählte Aspekte der Dekoration der Türdurchgänge im Umgang des Barkensanktuars von Edfu. Die Unkonventionalität der Türlaibungen mit der Beschreibung der dahinter liegenden Räume wird besonders betont (86–87).
Anaïs Tillier wertet die Dekoration der Säulen im Tempelhof von Kom Ombo aus. Die lokal-theologischen Einzelmotive werden jeweils zur Sprache gebracht (108–121).
Silke Caßor-Pfeiffer vertieft sich in die seitlichen Sanktuare des Isistempels von Philae. Die Darstellung des Königs beim Opfer vor mehreren Göttinnen ragt auf der West-/Ost-/Nordwand der Kapellen markant hervor (127). Die Einheitlichkeit des Dekorationssystems der östlichen und westlichen Kapelle wird generell festgehalten (140). Die Themenkreise wie Königtum, Nilflut etc. werden stichpunktartig abgehandelt (142–146).
Holger Kockelmann richtet den Sinn auf apotropäische Texte und Bilder der Türdekoration in ägyptischen Tempeln der griechisch-römischen Zeit. Die weitgehende Ersetzung der traditionellen Erschlagungsszenen auf den Pylonen durch kleinformatige Ritualszenen wird beim Namen genannt (180–181). Die Statuettenform des Schutzgottes in Philae und Ain Birbije wird als Signal für die Ritualität des Türbereichs verstanden (184).
Marcel Kühnemund fördert Details zur rituellen Reinheit der Türdurchgänge zutage. Das entsprechende Datenmaterial wird in Kategorie A = zwei weihende Könige, B = Horus und Thot als Reinigungsgötter, C = Inschriften ohne Abbildungen und D = Ritualszenen aufgeteilt (203).
Nicolas Leroux schürft im Verhaltenscodex der Priester im ptolemäischen Tempel. Die relevanten Texte sind meist auf den Innentüren angebracht. Die phraseologischen Gemeinsamkeiten der Quellen in Edfu, Dendera und Kom Ombo werden herausgestrichen (253–255). Die plausibelste Übersetzung der Formel »m śnm-nś« wird in »do not snatch through calumny« gesehen (260–261).
Fabian Wespi erhebt Fakten zum Bücherhaus des späten ägyptischen Tempels. Die Verbindung zwischen den Bücherhäusern von Edfu und Philae wird demonstriert, die sich in Nähe zum Tempelvorhof und Grundriss ausdrückt (274–275). Die Ähnlichkeiten der Dekoration werden angeschnitten, die sich u. a. in der Verehrung der Hauptgottheit auf der Rückwand des Raumes manifestieren (281).
Christophe Thiers macht mit Gegebenheiten im »salle de déeses« in Tôd vertraut. Das Verständnis des »salle« als »Goldhaus« (n.wt.-nbw) wird erläutert (295). Der Saal wird als eine Art Geburtsstätte gezeichnet (297). Der Mythos von der Fernen Göttin hat eine größere Rolle gespielt (297–299).
Florian Löffler lässt den Leser an den Texten aus der Seitenkapelle (Raum E) in Edfu teilhaben. Das Dekorationsprogramm setzt sich aus 18 Ritualszenen zusammen (308). Der Schwerpunkt der Texte hat u. a. auf der Legitimation des Königtums gelegen (342–343).
Emmanuel Jambon präsentiert Beobachtungen zur Darbringung des »bouquet monté«. Die frühesten Szenen datieren in die Zeit von Ptolemaios IV. Philopator zurück (358). Die bevorzugte Lokalität für die Szenen ist in der Nähe von Toren zu dokumentieren (362). Der König tritt dort u. a. als Personifikation des Nils und Erbe bestimmter Götter auf (375–376).
Rene Preys gibt Einblick in den königlichen Kult in Edfu. Die Aufnahme von Einzelzügen des Osiriskultes in den Königskult wird für sehr wahrscheinlich gehalten (390). Der Kult der königlichen Vorfahren hat unter Ptolemaios VIII. eine Blütezeit erlebt (410–411).
Victoria Altmann-Wendling geht dem Konzept von Raum und Zeit am Beispiel der Mond- und Tempeltreppen nach. Die treppenförmige Darstellung in Dendera wird zum Sinnbild für die positiv konnotierte Mondzunahme erklärt (423). Die Parallelen der Mondszene auf den Pylonen von Edfu und Philae werden notiert, die sich im Prozessionsfest mit Flussfahrt sowie Zusammenhang mit dem Neujahr und Eintritt der Überschwemmung zeigen (438).
Christian Leitz bezieht Raumbezeichnungen in Athribis ein. Der Tempel hat mehr als 120 Tempel- und Raumbezeichnungen bewahrt (447). Die Bezeichnungen auf den Türaußenseiten können nähere oder fernere Räume betreffen (452).
Dieter Kurth deckt Facetten zu »Außen« und »Innen« in der Dekoration griechisch-römischer Tempel auf. Die Ritualszenen der Türen mit stehenden Göttern in allen Registern werden von denen der Wände mit stehenden Göttern im unteren Register und thronenden Göttern in den oberen Registern unterschieden (463). Der Idealtyp der Positionierung der Königstitulatur über 4. Register wird offenbart, wobei das 1. Register mit dem äußeren/vorderen Bereich und das 4. Register mit dem inneren/hinteren Bereich des Tempels korrespondiert (466–467).
Carolina Teotino sammelt Ergebnisse zu Tages- und Nachtstunden im Tempel von Athribis. Der erste Fall für Stunden in griechisch-römischen Tempeln überhaupt stammt aus der Zeit von Ptolemaios IV. Philopator, während der letzte Fall unter Trajan/Commodus belegt ist (475). Im Gegensatz zu anderen Standorten tauchen Stunden in Athribis nur namentlich auf (478). Die engste Parallele zum dortigen Aufbau wird in der ersten östlichen Dachkapelle/ Dendera identifiziert (479).
Françoise Labrique setzt Tempelinschriften am Beispiel des Euergetes-Tores in Relation zum kosmischen Raum. Der Herrschaftsbereich des Amun wird auf horizontaler und vertikaler Ebene angesiedelt (493–503).
Svenja Nagel sondiert den Umgang mit priesterlichem Wissen im kaiserzeitlichen Ägypten. Die demotischen/griechischen magischen Papyri werden als wichtige Dokumente für den Austausch von ägyptischen Ritualen zwischen einheimischen Priestern und Ausländern hingestellt (509–510).
Daniel von Recklinghausen durchforscht sogenannte »ortsfremde« Götter in Esna. Die Integration genuin mit anderen Kultorten verbundener Götter in die Tempeldekoration wird speziell für Esna auf lokale rituelle Kriterien zurückgeführt (547).
In der Bewertung des Buches bleibt ein positiver Gesamteindruck haften. Die Argumentationen stellen sich insgesamt als gut nachvollziehbar heraus. Die Übersetzungen halten durchaus der Kritik stand. Die Schlussfolgerungen bauen ganz selten auf bloßen Mutmaßungen auf.