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Ausgabe:

Januar/2017

Spalte:

119–121

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

[Müller, Klaus]

Titel/Untertitel:

Gott – Selbst – Bewusstsein. Eine Auseinandersetzung mit der philosophischen Theologie Klaus Müllers. Hrsg. v. S. Wendel u. Th. Schärtl.

Verlag:

Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2015. 318 S. Kart. EUR 34,95. ISBN 978-3-7917-2739-4.

Rezensent:

Martin Wendte

Das anzuzeigende Buch ist die »Freundschaftsgabe« zum 60. Ge?burtstag von Klaus Müller, dem römisch-katholischen Müns-teraner Professor und Direktor des »Seminars für Philosophische Grundfragen der Theologie«. In Aufnahme der Diskutierfreudigkeit des zu Ehrenden hat die Freundschaftsgabe den Charakter einer »Streitschrift« (1). Dafür versammelt sie konstruktiv-kritische Beiträge einer Reihe von Kollegen, Freunden und Schülern, welche sich an den zentralen Forschungsinteressen von M. orientieren.
Die vier Kapitel des Buches, denen jeweils eine Reihe von Beiträgen zugeordnet sind, orientieren sich an den wichtigsten Forschungsfeldern M.s. Unter der Überschrift »Erkenntnistheorie, Hermeneutik, Ästhetik« führt Jürgen Werbick in M.s Denkprojekt als Ganzes ein, indem er dessen Ansatz und seine Grundentscheidungen benennt und kritisch diskutiert. Werbick erinnert daran, dass M. das Ziel vertritt, die Theologie im Horizont der Moderne zu rechtfertigen. Der laut M. einzige Weg dafür besteht darin, die Theologie in einer transzendentalen Rekonstruktion des Selbstbewusstseins grundzulegen. M. folgt damit Dieter Henrich und dessen Rekurs auf Kant, indem er feststellt, dass das Selbstbewusstsein sich nicht in sich selbst gründet. Vielmehr verweist es notwendigerweise auf einen Grund, auf das Absolute, das es zugleich selbst begrifflich nicht erfassen kann, und dessen Existenz nicht beweisbar ist. Dieses Absolute ist laut M. und wiederum im Anschluss an Dieter Henrich a-personal zu denken und panentheistisch zu denken – in ihm leben wir. Werbick kritisiert M.s Ansatz in drei Punkten. Erstens ist für das Selbstbewusstsein der innerweltlich Andere genauso gleichursprünglich wichtig wie das Absolute: Es stellt sich heraus, dass »die Unverfügbarkeit des Selbstbewusstseins als Gegeben- bzw. Hervorgerufensein von einem absoluten Grund wie vom mitmenschlichen Anderen« (15) zu denken ist. Zweitens spricht einiges dafür, dass das gründende Absolute selbst personal zu denken ist. Denn der Mensch ist doch durch seinen Grund herausgefordert zu eigenem Tun und herausgefordert dazu, sich und An-dere zu würdigen. »Die Metapher der Würdigung spielt in die Beziehung endlicher Subjektivität zum Absoluten die personale Di?mension ein.« (17) Drittens fragt Werbick an, ob nicht M.s Zuordnung von transzendental-begründendem Denken zur Hermeneutik zu überdenken sei. M. betont, dass alle hermeneutischen Operationen– etwa: das Auslegen von Bibeltexten, welche mit dem Anspruch auftreten, Offenbarungen zu bezeugen – zurückzubinden sind an transzendental-begründendes Denken, damit es unter den Bedingungen der Moderne ausweisbar ist. Werbick plädiert dagegen für eine Zuordnung der beiden, die durch Wechselseitigkeiten geprägt ist und in der das transzendental-begründende Denken sich auch herausfordern lässt durch diejenigen Weisen und diejenigen Inhalte, welche in der Offenbarung gegeben werden: »Das Bedenken des Wie wirkt auf das Denken des Was zurück.« (24) Damit wird auch deutlich, dass es mitnichten nur die transzendentale Denkweise im Gefolge Kants und Henrichs gibt, in der die Theologie ihre Vernünftigkeit in der Moderne auszuweisen vermag.
Thomas Schärtl plädiert in seinem ausführlichen Beitrag zu »Glaube und Vernunft« für eine Rationalitätskonfiguration, die – entgegen der Grundentscheidung M.s – ohne Letztbegründungsansprüche auskommt. Marcello Neri rekonstruiert die Freiheitsphilosophie des italienischen Hermeneutikers Luigi Pareyson, auf den sich auch M. bezieht, ehe Reinhard Hoeps Überlegungen zu einer Ästhetik der Herrlichkeit präsentiert.
Das zweite Kapitel steht unter der Überschrift »Subjektphilosophie und Modernerezeption« und versammelt Beiträge von Magnus Striet, Joseph Quitterer, Stephan Winter und Georg Essen zum Thema. Magnus Striet plädiert unter Rekurs auf Thomas Pröpper, den verstorbenen Freund M.s, für eine Subjektphilosophie, die im Hadern mit Gott verbunden ist und zugleich von Demut geprägt ist gegenüber einem Gott, der selbst so demütig war, sich in Jesus Christus den Menschen anzunähern. Diese De?mut ist – im An?schluss an Kant – auch erkenntnistheoretisch zu wenden: Sosehr es unsere Pflicht ist zu hoffen, dass am Ende alles gut wird, sosehr können wir das ebenso wenig wissen, wie wir beweisen können, dass Gott existiert.
Das dritte Kapitel erhält Beiträge zum Thema »Gottesfrage, Monismus, Panentheismus« und damit zu einem derjenigen Themen, zu denen M. mit besonders großer Resonanz publiziert hat.
Albert Franz präsentiert ein breites, nicht nur auf den Panentheismus fokussiertes Panorama des Deutschen Idealismus, während Katrin Bederma monistische Motive mit den Anfragen Jugendlicher in Beziehung bringt. Ottmar John verteidigt die monistischen Anliegen, indem er zeigt, dass der Dualismus das deutlich größere Problem ist. Winfried Löffler rekonstruiert das Denken der neuseeländischen Philosophen John Bishop und Ken Perszyk, die monistisch, aber nicht panentheistisch konturiert sind. Saskia Wendel bedenkt wesentliche Antinomien des monistischen Denkens, während Rudolf Langthaler eine andere Lesart des Werkes von Kant und Reinhold vorträgt als die von M. vertretene. Knut Wenzel geht auf diejenige etwa in der Alten Kirche vertretene Version der Trinitätslehre zurück, die die Monarchie des Vaters vertritt und in dieser Weise die Überpersönlichkeit Gottes (des Vaters) mit der Persönlichkeit Gottes (des Sohnes) zusammendenkt.
Das abschließende, kurze vierte Kapitel versammelt unter der Überschrift »Medienphilosophie und Ethik« einen Beitrag von Axel Heinrich, der Kurzweils Beitrag zur Drohnendebatte diskutiert, und einen Beitrag von Giancarlo Collet, der die aktuelle missionarische Herausforderung des »Landgrabbings« in Ghana und damit in einem Land untersucht, dem M. selbst verbunden ist.
Die Beiträge des Bandes sind von ganz unterschiedlicher Form: Sie reichen von persönlich gehaltenen, eher assoziativen (und gerade darin auch anregenden) Beiträgen wie dem von Magnus Striet über präzise Auseinandersetzungen mit dem Werk M.s wie dem Beitrag von Werbick und dem streng argumentativ verfahrenden, sehr lesenswerten Beitrag in der Form eines Sendschreibens von Saskia Wendel bis hin zu dem Beitrag von Wilfried Löffler, der in »klassischerer« Form andere Autoren rekonstruiert. Die Verschiedenheit der Form ist Vor- und Nachteil dieser festlichen Streitschrift zugleich. Erfreulicherweise sind die Beiträge in ihrer verschiedenen Form fast alle von ansprechender und teils von sehr hoher Qualität, und alle beziehen sich deutlich auf diejenigen Überschriften, unter denen sie zusammengefasst sind, und damit (teils indirekt) auf das Werk M.s. Somit ist der Band eine gelungene Einladung dazu, sich vertieft dem Denken M.s zu widmen und seine Ideen weiterzudenken.
In inhaltlicher Hinsicht ist bemerkenswert, dass viele der direkten Schüler und Kollegen wie etwa Magnus Striet, Saskia Wendel und Knut Wenzel eine Vielzahl von Argumenten und Traditionen bemühen, um gegen den von M. bevorzugten apersonalen Monismus in der Gotteslehre zu votieren. Es ist zu hoffen, dass M. sich dadurch zu erneuter, vertiefter Verteidigung seiner Einsichten herausgefordert sieht.