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Ausgabe: | Dezember/2016 |
Spalte: | 1452–1455 |
Kategorie: | Ökumenik, Konfessionskunde |
Autor/Hrsg.: | Gallegos Sánchez, Katrin |
Titel/Untertitel: | Rahmenbedingungen kirchlicher Kommunikation. Eine kanonistisch-kommunikationswissenschaftliche Untersuchung. |
Verlag: | Münster u. a.: LIT Verlag 2015. 411 S. = Kommunikative Theologie – interdisziplinär, 18. Kart. EUR 44,90. ISBN 978-3-643-12951-2. |
Rezensent: | Bernhard Sven Anuth |
Die Monographie ist die leicht überarbeitete Fassung einer 2014 von der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg angenommenen Dissertation von Katrin Gallegos Sánchez. Sie will zur Reflexion über Kommunikation in der katholischen Kirche beitragen und Veränderungspotential ausloten (21). Ihr interdiszipli-närer Ansatz, der die kommunikationswissenschaftliche mit der kanonistischen Perspektive verbindet, ist innovativ und macht die Studie nicht nur für Kirchenrechtler und Kirchenrechtlerinnen interessant.
Die Vfn. kann und will nicht den gesamten Ist-Zustand kirchlicher Kommunikation erfassen. Sie analysiert den normativ gesteuerten Teil, um zu klären, wie der kirchliche Gesetzgeber Kommunikation versteht und warum er sie kirchenrechtlich so und nicht anders regelt (28–30). Dazu wählt sie methodisch fünf Blickwinkel, aus denen sie je spezielle Aspekte beleuchtet, nämlich Kommunikationskomponenten (Akteure, Inhalt, Ausdruck/Medium): Kommunikationsraum, -prozess, -wirkung und -ziele (33–35). So orientiert, vermittelt die Vfn. zunächst in einer kommunikationstheoretischen Tour d’Horizon, was Kommunikation ist und wie sie funktioniert (36–117). Ihre anschließende Analyse der kirchenrechtlich geregelten Kommunikation (118–278) richtet sich entsprechend, wenn auch in anderer Abfolge, an den genannten Aspekten aus. Die Ergebnisse bündelt die Vfn. im dritten Teil zu einem »kirch(enrecht)lichen« Kommunikationsmodell (279–322). Der vierte Teil fragt nach Chancen für Veränderung und fungiert zugleich als Schluss bzw. Ausblick (323–351). Es folgen ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie hilfreiche Stellen-, Personen- und Sachregister.
Kommunikationstheoretisch arbeitet die Vfn. u. a. heraus: Kommunikation ist gleichzeitiges Handeln und Verhalten der an ihr Teilnehmenden (59–63), das durch das Recht reguliert bzw. gelenkt werden kann (118). Die entsprechenden normativen Vorgaben für die Akteure im kirchlichen Kommunikationsraum (129–140) bzw. -prozess (141–185) zeigen: Die rechtliche Gestaltung der kirchlichen communicatio bildet die hierarchische Struktur der communio getreu ab (143). Absolute Kommunikationshoheit besitzt der Papst (149.168). Der Diözesanbischof ist (auch) »hinsichtlich der Kommunikationsrechte in einer ›Sandwich-Position‹« zwischen Vermittlung universalkirchlicher Vorgaben und eigenverantwortlicher Leitung seiner Teilkirche (151). Laien haben kirchlich »kaum ein Äußerungsrecht, das nicht gleichzeitig eine rechtliche Verpflichtung beinhaltet oder in anderer Weise eingeschränkt ist« (153). Ähnliches zeigt sich für Rezeptionspflichten der Akteure (156–166), den Schutz ihrer Kommunikationsrechte (167–172) sowie rechtliche Verhaltensforderungen, in denen die hierarchische Rollenverteilung sichtbar und die amtliche Ekklesiologie nonverbal kommuniziert wird (173). Darüber hinaus gestaltet der Gesetzgeber Kommunikationsprozesse, indem er konkrete Formate vorgibt und reguliert, vor allem die standes- und amtsabhängig unterschiedlich ausgeübte Verkündigung (186–216). Die Wirkung von Kommunikation beeinflusst der Gesetzgeber u. a., indem er Voraussetzungen und Rechtsfolgen sogenannter performativer Kommunikationsakte definiert und bestimmte (Glaubens-)Inhalte schützt bzw. andere verbietet (223–278). Leitungs- und Kommunikationshoheit sind katholisch eng verbunden (238). Im Gegensatz zu modernen Kommunikationstheorien geht das kirchenamtliche Kommunikationsverständnis zudem »noch von der Möglichkeit eines reinen, unversehrten Inhalts aus« (246). Die Richtigkeit dieser und weiterer Befunde der Vfn. wird durch im Detail vorhandene kanonistische Ungenauigkeiten keineswegs beeinträchtigt.
Die Stärke der Studie liegt ohnehin im dritten Teil, in dem die Vfn. ein »kirch(enrecht)liches Kommunikationsmodell« entwickelt und die gesetzlich geregelten Wege, Akteure, Prozesse und Inhalte kirchlicher Kommunikation sukzessive in einem instruktiven Schaubild zusammenführt (295). Grundlegend ist dabei die Unterscheidung von Glaubenskommunikation im engeren Sinn (z. B. Katechese, Verkündigung, Lehre) sowie Organisationskommunikation als den inhaltlich stärker auf Leitung, Organisation und Rückkopplung ausgerichteten Kommunikationsprozessen (279). Während die Organisationskommunikation (280–283) von oben nach unten klar bestimmt ist, bleibt sie von unten nach oben dem persönlichen Stil der Oberen überlassen. Eine institutionalisierte Rückkopplung gibt es nicht, »die Wechselseitigkeit des Kommu-nikationsprozesses und der systemerhaltende Informationsaus tausch bleiben strukturell unberücksichtigt« (282). Dies wahrt den hierarchischen Abstand der Kommunikationsteilnehmer und sichert die Kommunikationshoheit der kirchlichen Autorität (283). Die rechtliche Regulierung der Glaubenskommunikation zeugt, so die Vfn., von einem instruktionstheoretischen Kommunikations- und Offenbarungsverständnis: In dieser Sicht »besteht Glauben aus Zustimmung: Glauben heißt gehorchen« (285). Gegen nachkonziliare theologische Optionen geht der kirchliche Gesetzgeber davon aus, Christus habe der Kirche das depositum fidei zur treuen Bewahrung und Tradierung anvertraut (c. 747 § 1). Diese Aufgabe übernehmen Papst und Bischöfe als Träger des kirchlichen Lehramts. Andere, auch »institutionalisierte Multiplikatoren« wie Katecheten und Katechetinnen oder Religionslehrer und -lehrerinnen seien »quasi [nur] Briefträger« (287). Die Vfn. konstatiert: »Wenn das Lehramt die Deutungshoheit über die Lehre besitzt und die Existenz des Lehramtes Teil dieser Lehre ist, bleibt die nichtglaubenskonf orme Rückkopplung systematisch ausgeschlossen« (289), damit die lehramtliche Erkenntnisautorität nicht untergraben wird (ebd.).
Kommunikationswissenschaftlich stehe der CIC zudem in der Tradition eines Stimulus-Response-Modells, wenn die Wirkung von (Glaubens-)Kommunikation »unabhängig von äußeren Fak-toren und inneren Dispositionen einzutreffen« habe und sich »objektiv als falsch oder richtig bewerten« lasse (291). Ohne eine grundlegende kommunikations- und erkenntnistheoretische Neuausrichtung müssten definitive, d. h. unfehlbare Lehren als unhinterfragbar gelten; alles andere wäre glaubensgefährdend (293). Weil aber auch die Lehren vom Jurisdiktions- und Lehrprimat als definitiv gelten, sind Glaubens- und Organisationskommunikation katholisch eng verknüpft, »bilden ein einziges Kommunikations modell«, oder kurz: »Alles ist Glaubenskommunikation« (294). Anfragen an das System sind daher stets auch Anfragen an den Glauben (297). Die Konsequenzen (298–322), so die Vfn., seien »ernüchternd«: Lehramtlich formulierte Kommunikationsziele wie Gemeinwohlverwirklichung, Nachahmung der trinitarischen Beziehung oder anschlussfähige Evangeliumsverkündigung (119–129) seien strukturell nur schwer oder gar nicht erreichbar (321 f.).
Gleichwohl hofft die Vfn. auf Veränderung und sieht entsprechendes Potenzial in den amtlichen Kommunikationszielen wie auch im Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium (2013): Verkündigung könne als (teilkirchliche) Inkulturation verstanden (324–330) und das Vorbild Trinität ernst(er) genommen werden (331–337), um aus der hierarchischen Kommunikationspyramide ein dezentralisiertes, vernetztes System zu machen. Die Anschlussfähigkeit kirchlicher Kommunikation nach innen wie außen sei zu verbessern (337–340) und die Wahrheit stets unter eschatologischem Vorbehalt zu bezeugen, was sich auf Absolutheitsanspruch und Gehorsamsforderung des Lehramts auswirken müsse (340–342).
Die Vfn. räumt ein: Ihre Analyse habe gezeigt, »wie starr das kirchliche Beziehungsgefüge ist und welche stabilisierende Wirkung die Kommunikationsrechte dabei spielen«. Der weite Weg von einem instruktions- zu einem kommunikationstheoretischen Offenbarungsmodell sei katholisch »erst noch zu beschreiten« (350). Dennoch erkennt sie im gegenwärtigen Pontifikat zumindest »Vorboten« der hierfür nötigen Strukturveränderungen und einer sich demgemäß wandelnden Ekklesiologie (350 f.). Vor dem Hintergrund der vorherigen »ernüchternden« kanonistischen Analyse kann diese Einschätzung überraschen, entspricht aber im Sinne des katholischen Katechismus (Nr. 1819) der christlichen Hoffnung nach dem Vorbild Abrahams, der auch schon gegen alle Hoffnung voll Hoffnung geglaubt hat (Röm 4,18).