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Ausgabe:

Oktober/2016

Spalte:

1072–1074

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

McKeown, James

Titel/Untertitel:

Ruth.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2015. 162 S. = The Two Horizons Commentary. Kart. US$ 22,00. ISBN 978-0-8028-6385-0.

Rezensent:

Andrea Beyer

James McKeown lehrt am presbyterianischen Union Theological College (Queen’s University) in Belfast. Die Schwerpunkte seines Ruthkommentars in der Reihe »Two Horizons« schließen sowohl an seine Dissertation »A study of the main unifying themes in the Hebrew text of the Book of Genesis« (1991) als auch an seinen Gen-Kommentar in derselben Reihe (2008) an. So stehen im Ruthkommentar innerbi-blische Verbindungslinien im Zentrum des Interesses. Unter diesen haben einerseits trotz der Einordnung als Weisheitsliteratur (4) mögliche Bezugnahmen, Kontraste und Vergleichspunkte zur Gen besonderes Gewicht. Andererseits sind im Sinne einer »kanonischen Lek-türe« Bezüge zu Ri und Sam im Blick. Dem Ziel der Reihe entsprechend – einem Brückenschlag zwischen Fachwissenschaft und Praxis, Einzelexegese und übergreifenden theologischen Linien – liegt der Schwerpunkt weniger beim exegetischen Detail als bei verbindenden Themen und Motiven: Das Ruthbuch habe hohen Wert für eine bib-lische Theologie (71). Überall trifft der Leser auf eine Fundgrube an fundiert-abwägenden Beobachtungen und anregenden Thesen, verständlich und sorgfältig dargeboten. Verschiedenste Forschungspositionen (nur) aus englischsprachiger Fachliteratur werden diskutiert, darunter auch ungewöhnliche, wie etwa Bledsteins These einer Autorenschaft von Davids Tochter Tamar (135 f.). Der Vf. selbst urteilt dabei durchgängig umsichtig und mit Gefallen an einer Vielzahl von Deutungen.
Der Einleitung (1–11) folgt ein Kommentarteil (13–70). Ebenso viele Seiten umfassen die Abschnitte »Theological Horizons« (71–110) und »Theological Issues, Themes, and Approaches« (111–140).
Die Einleitung bietet einen Überblick und bleibt hinsichtlich einer Datierung (2 f.) wie auch einer Zielsetzung des Ruthbuches (4) recht offen. Die »Familiengeschichte« (2) wird als (heilige) Schrift und Teil des Kanons gelesen (1), d. h. im Horizont anderer biblischer Texte und weitgehend unter Absehung von Fragen (literar-)historischer Verortung. Im Blick ist dabei die heutige, auf die LXX zurückgehende Buchfolge.
Das Interesse des Vf.s an theologischen Themen prägt schon den Kommentarteil (vgl. z. B. zum Thema Segen 41 f.51). Er wägt andere Positionen ab (z. B. 52 f.) und integriert Ausblicke auf die jüdische Tradition. Das Urteil des Vf.s geschieht abwägend, etwa zur Bedeutung der Namen (15.17) und zur Deutung des Tods Elimelechs (15 f.18) – nicht ohne klar die eigene Position und abweichende Perspektiven darzustellen (19 f.). So finden sich anregende, unterschiedlich überzeugende Ideen. Zwei Beispiele seien genannt: Der Wechsel zwischen femininer und maskuliner Form bei Boas’ Knechten bzw. Mägden (2,18–23) verrate Ruths Interesse, sich einen der Knechte als Ehemann zu suchen – sie bleibe aber geduldig (in Kontrast zu Sara und Abraham, 53 f.). Boas solle wie Isaak (55 f.) erst essen und trinken, ehe er Ruth entdeckt, damit er segnen kann.
Unter »Theological Horizons« (71–110) werden Bezüge zu biblischen Büchern hergestellt, die Eheschließung Ruths eingeordnet und die wichtigsten Charaktere des Buches porträtiert. Unter »Canonical Context« treten Gemeinsamkeiten und Widersprüche vor allem zu Gen, Dtn, Ri und Sam in den Blick: Kontrastfiguren, Parallelen, Motive wie die göttliche Wahl der »Kleinen«, die Themen Nachkommenschaft, Land, Segen und manch Detail mehr. Dabei bleibt der Zusammenhang vage und assoziativ, wo die Verbindung sich auf die rein motivische Ebene oder Einzelbegriffe beschränkt (z. B. zu Lot [75], zu Achsa in Ri 1 [80]). Ohne Eintragungen für das Ruthbuch vorzunehmen, illustriert der Vf. so dennoch dessen besonderes Profil – auszuwerten, welcher Vergleich oder Kontrast historisch intendiert sein könnte, liegt nicht im Interesse des Bandes.
»The Marriage of Ruth« (86–94) fragt nach Levirat und Lösung: Ruths Ehe sei als »Lösung« zu verstehen (90), da die Voraussetzung für ein Levirat wäre, dass Brüder zusammen wohnen (88). Die »character studies« (95–110) in Anschluss an K. M. Saxegaard führen für Naomi (101–106) und Boas (106–108) zu einem eher kritischen Urteil.
»Theological Issues, Themes, and Approaches« (111–140) widmet sich wichtigen Motiven und besonderen Aspekten. Zur Verborgenheit Gottes findet sich ein Seitenblick auf Hiob (114 f.). Der Blick auf Moab als Feindesland ist konventionell (122 f.). Das Thema »(Er-) Lösung« (123–128) wird von Jakob bis ins Neue Testament skizziert: Im Ruthbuch finde sich seine alltägliche Anwendung (127). Das Ruthbuch habe universalen Horizont (128–132); dass es Gegenentwurf zu Esr/Neh sein soll, schätzt der Vf. eher kritisch ein (129). Einigen Einsichten und Thesen feministischer Exegese folgen schließlich (132–138) vor dem Schlussakzent, dass Gott seit Abraham die Völker segnen möchte und das Ruthbuch damit »missiological significance« gewinne (138–140).
Den Band beschließen ein Autorenverzeichnis und ein recht um­fangreiches Stellenverzeichnis biblischer und einiger außerbiblischer Texte. Ein Stichwortverzeichnis wäre angesichts des thematischen Schwerpunktes ein Desiderat.
Der kleine Band ist damit, dem Ziel der Reihe »Two Horizons« entsprechend, vor allem für die Praxis lesenswert und bietet in fachwissenschaftlicher Hinsicht einen soliden Überblick.