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Ausgabe: | April/2016 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Ethik |
Autor/Hrsg.: | Ruben Zimmermann |
Titel/Untertitel: |
Metaphorische Ethik
Ein Beitrag zur Wiederentdeckung der Bibel für den Ethik-Diskurs
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I »Etho-Poietik«: Ein Neuansatz zum Begründungsproblem in der Ethik
Die Bibel hat als Maßstab für die gegenwärtige Ethik ausgedient. So zumindest muss man die traurige Bilanz ziehen, wenn man Publikationen aus dem aktuellen Ethik-Diskurs überblickt. Dabei mag man gar nicht (mehr) den Anspruch haben, dass in Publikationen zu brennenden aktuellen Fragen der angewandten Ethik (z. B. NIPT in der Pränataldiagnostik) mit der Bibel argumentiert wird oder in philosophisch ausgerichteten Werken wie z. B. im »Handbuch Ethik«1 auch nur ein Lemma etwa zur Goldenen Regel oder zum Liebesgebot verzeichnet würde. Selbst in Quellenbänden zur Ethik sucht man biblische Texte oft vergeblich.2 Bedenklicher ist hingegen, dass auch die systematisch-theologische Ethik der Bibel keine Bedeutung mehr beizumessen scheint.3 Dies ist zwar auch bei aktuellen Anwendungsfeldern wie der Bio- oder Wirtschaftsethik fragwürdig,4 es wirft aber bei fundamentalethischen Abhandlungen ganz grundsätzliche Fragen der Begründung und Bezugsfelder christlicher Ethik auf. Neuere Monographien zur Ethik und selbst Materialien für den schulischen Unterricht5 widmen der biblischen Ethik – wenn überhaupt – nur wenige Seiten. Dabei wird der materiale Bestand auf einige wenige Texte wie Dekalog, Goldene Regel und das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter reduziert.6 Die Gründe für diese Ignoranz sind vielfältig und umfassen grundlegend hermeneutische wie auch historische und dogmatische Aspekte. Zum Teil haben aber auch Bibelwissenschaftler selbst einen nicht unwesentlichen Beitrag für diese Distanzierung geleistet. Zum einen hat sich die biblische Ethik bis in neueste Publikationen der Anschlussfähigkeit für den allgemeinen Diskurs verweigert, indem simplifizierende Modelle wie die »Indikativ-Imperativ-Zuordnung« fortgeschrieben wurden, die kein kompatibles Theorie- und Begriffsniveau erreichen. 7 Zum anderen hat eine streng historisch ausgerichtete Exegese die biblische Ethik als zeitbedingt und damit auch zeitverhaftet relativiert. Die umfassenden religionsgeschichtlichen Arbeiten haben im Tenor doch immer wieder zu dem Ergebnis geführt, dass z. B. die neutestamentliche Ethik lediglich als mehr oder weniger gelungenes Derivat der zeitgenössischen Ethik zu betrachten ist. Der Eigenwert frühchristlicher Handlungsbegründung oder gar das hermeneutische Potential für die gegenwärtige Ethik-Debatte blieben dabei aber meist auf der Strecke. Einige Neutestamentler haben sogar explizit gefordert, dass z. B. im Bereich der Sexualethik die neutestamentlichen Texte keine Relevanz mehr beanspruchen dürfen. 8 Andere haben schon konzeptionell den bescheidenen Anspruch, nur historisches »Baumaterial«9 bereitzustellen, und reichen damit die Relevanzfrage an Systematische oder Praktische Theologie weiter. Hat die Bibel als ›norma normans‹, als Maßstab und Orientierung des Handelns also, 500 Jahre nach der Reformation ausgedient?
Der vorliegende Beitrag möchte hier explizit einen Kontrapunkt setzen. Ohne die historische Verankerung der Texte leugnen zu wollen, bin ich doch der Meinung, dass sie auch hinsichtlich ihrer ethischen Substruktur wahrgenommen werden können. Selbst Gelegenheitsschriften wie die Paulusbriefe beinhalten eine ›implizite Ethik‹, die mit einem differenzierten methodischen Inventar ans Licht gefördert werden kann und gerade so ein Gesprächsangebot für die gegenwärtige systematische oder philosophische Ethik darstellt. 10 Hierbei zeigt sich, dass die biblischen Texte nicht nur interessante materialethische Aspekte einbringen können, sondern insbesondere auch hinsichtlich ihrer Form und Darstellungsweise inspirierend sind. Denn was macht eigentlich den »Barmherzigen Samariter« zu einem ethischen Text, dessen Wirkungsgeschichte im ethischen Diskurs beispiellos genannt werden kann? Ist es die Logik und Stringenz der Handlungsbegründung? Wohl kaum, denn man erfährt nur die spontane Motivation des Samariters für sein Eingreifen (Lk 10,33: ἐσπλαγχνίσθη – er wurde innerlich bewegt), aber reflektierte Gründe für sein Handeln oder gar für das Nicht-Handeln von Priester und Levit bleiben in der Schwebe. Die knappe Geschichte entbehrt auch der Nachhaltigkeit und strukturellen Weitsicht. Weder wird die ausreichende Pflege durch ein solides Kosten-Nutzen-Kalkül sichergestellt11 noch wird das Problem der Räuber durch den Vorschlag eines Rechts- oder Gerechtigkeitssystems gelöst.
Wer also den Text nach den Maßstäben aktuell dominanter Ethik-Systeme bewertet, kann wenig damit anfangen. Und dennoch hat gerade dieser Text Handeln so nachhaltig begründet und beeinflusst, dass man ihm einen ethischen Gehalt nicht wird absprechen können. Es zeigt sich vielmehr, dass offenbar biblische Ethik nach anderen Maßstäben und mit anderen sprachlich-reflexiven Plausibilisierungsverfahren entfaltet wird. Auf diese Spu-rensuche möchte ich mich im Folgenden begeben. Dies erfordert zunächst einige grundlegende Bemerkungen zum Begründungsproblem in der Ethik (I). Als Beispiel einer etho-poietischen Handlungsreflexion möchte ich dann Grunddimensionen einer »metaphorischen Ethik« verbunden mit neutestamentlichen Beispielen skizzieren (II).
Die »Ethik« sucht nach evaluierenden Begründungsstrukturen für das Handeln. Sobald über das richtige oder bessere Handeln nachgedacht und kommuniziert wird, treten wir in einen ethischen Diskurs, der sich sprachlich artikuliert. Ganz gleich, ob die Ethik sich als deskriptive Ethik auf bereits vollzogene Handlungen bezieht, in aktuellen Entscheidungssituationen herausgefordert wird oder im Sinne einer präskriptiven Ethik auf künftige Handlungen ausgerichtet ist, es geht immer um eine Meta-Reflexion mit dem Ziel der Bewertung. Wie sich jedoch dieses Nachdenken und Sprechen über Gründe und Motive des Handelns vollzieht und darstellt, bedarf näherer Untersuchung. 12 Seit Charlie D. Broad13 wird bis in die Gegenwart hinein zwischen einer »deontologischen« und »teleologischen« Reflexionsform unterschieden.14 Deontologisch heißt die ethische Argumentation, wenn aus einer vorgegebenen Norm (griech. τὸ δέον – das Erforderliche, die Pflicht) die sittlich richtige Handlung deduziert wird (Imperativ: Tue die vorgegebene Pflicht um ihrer selbst willen). Teleologisch oder konsequentialistisch verläuft die Begründung, wenn sich der Wert einer Handlung an den Handlungszielen (griech. τὸ τέλος) bemisst (Imperativ: Handle so, dass ein gesetztes Ziel erreicht wird). Allerdings ist die Argumentationsrichtung nur ein Aspekt im Begründungsvorgang. Kuhlmann unterscheidet weiterhin zwischen linearen, kohärentischen und reflexiven Begründungstypen,15 Pieper differenziert sogar sieben Grundformen ethischer Argumentation.16
Handlungsbegründung wird hier bei den meisten Spielarten im engeren Sinne des Wortes als rationale Argumentation aufgefasst, wie am einfachsten bei der »linearen Begründung« gezeigt werden kann. Bei einer linearen Begründung wird aus einer schon vorhandenen normativen Prämisse17 ein Schluss für eine aktuelle ethische Frage abgeleitet. X wird also im Rekurs auf Y begründet, wobei Y bereits als ethisch begründet gilt. Dieser Begründungstyp ist jedoch prinzipiell anfällig für einen unendlichen Regress. Man kann bei Ableitungen immer wieder nach den Gründen für die Gründe fragen, so dass eine nicht abreißende Begründungskette die ganze Begründung fraglich erscheinen lässt. Um dieser Endlosschleife zu entkommen, hatte sich die moralphilosophische Diskussion lange mit dem »Postulat einer zureichenden Begründung höchster Prinzipien«18 bzw. »reflexiven Letztbegründung«19 befasst, die mit dem »Anspruch auf absolute Sicherheit«20 der Begründung letzter Standards mittels rationaler Argumentation dient.
Inzwischen wurde dieses Postulat in Frage gestellt. Nach Ott steht jeder Versuch, Moralprinzipien mit Voraussetzungen zureichend zu begründen, unter dem Problem des »Münchhausen-Trilemmas«: Entweder man unterliegt 1. einem »Zirkelschluss (petitio principii)«, man gelangt 2. zu einem »unendlichen Regress (regressus ad infinitum)« oder man akzeptiert 3. einen »dogmatischen Abbruch« (›Setzungen‹ von Axiomen).21 Diesen Problemen reflexiver Letztbegründung kann man auch kaum entgehen, wenn die Argumentationsrichtung wie beim »Induktivismus«22 umgekehrt wird. Der Induktivismus geht von der einzelnen Handlung oder Situation als elementarer ethischer Größe aus, von der aus allgemeine Aussagen abgeleitet werden können. »Allgemeine Prinzipien sind dann zu verstehen als durch ethische Erfahrung gewonnene Verallgemeinerungen.«23 Aufgrund der genannten Probleme einer fundamentalen Letztbegründung haben Teile der Moralphilosophie ihren Anspruch inzwischen auf schwache Begründungen mit begrenzter Reichweite reduziert.24 Für Ott kann es demnach »in der Ethik gute Begründungen geben, die nicht zureichend sind.«25
Radikaler verläuft die Kritik, wenn die rationale Begründbarkeit von Ethik insgesamt in Zweifel gezogen wird. Exemplarisch möchte ich hier auf die Arbeiten von Fischer26 verweisen, für den eine abstrakt rationale Begründung von Ethik, wie sie in einem auf Objektivität zielenden neuzeitlichen Denken vorherrschend sei, am eigentlichen Gegenstand vorbeigehe. Stattdessen wählt er die Narration27 zum Fundament sittlicher Erkenntnis und beschreibt ethische Reflexion als einen hermeneutischen Prozess, der »Verstehen«, nicht »Begründen« zum Ziel hat.28 Bei einem rein rationalistischen Ansatz werde die Moralreflexion einem »der Moral selbst fremden Zweck unterworfen, d. h. einem Zweck, der sich nicht aus dieser selbst ergibt«29. Fischer plädiert deshalb für einen erfahrungsbezogenen ganzheitlichen Ansatz, wie er ihn im Modell von »thick moral concepts«30 findet, der nur durch ein »in spezifischer Weise engagierte(s) Denken« zugänglich sei. Aufgabe des Ethikers sei es, moralische Phänomene »in ihrer moralischen Signifikanz vor Augen zu stellen« bzw. in ihrer narrativen Erschlossenheit zu vergegenwärtigen. Es sei gerade die Erzählung, die eine Lebenssituation vor Augen führt. »Das geschieht dadurch, dass sie geschildert wird, und insofern macht es Sinn von einer narrativen Begründung zu sprechen.«31 Die narrative Begründung sei aber vor allem durch eine »narrative Tiefenstruktur der Lebenswirklichkeit«32 plausibel, die z. B. für das christliche Leben und Handeln maßgeblich »in den Erzählungen der biblischen und christlichen Überlieferung«33 geprägt werde. Fischer spricht hinsichtlich der Partizipation an diesen Sinnstrukturen weiterhin von der »narrativen Orientierung der Lebensführung« und einer »narrativen Symbolisierung als des Deutungshorizonts menschlicher Erfahrung«34, was vereinfacht bedeutet, dass ein Einzelner sein Leben im Licht solcher übergeordneter Deutungshorizonte wahrnimmt und in einer spezifischen Weise deuten lernt.
Fischer steht mit diesem Zugang keineswegs allein innerhalb der neueren Ethik-Diskussion. Eine Reihe von Ansätzen haben die Engführungen der neuzeitlichen Ethik, insbesondere die Vorrangstellung von Rationalismus- und Universalismus-Prinzip kritisiert und auf je eigene Weise für eine Lebenskunst- oder Tugendethik plädiert, die sich nicht selten von antiken Ethik-Konzepten inspirieren lässt.35 Es geht dabei vorrangig um die Einübung und Suche nach dem glücklichen Leben in seinen konkreten Zusammenhängen. Simplizifierend gesprochen soll das gute Leben zugleich auch das schöne Leben sein, so dass Ethik und Ästhetik wieder zusammenrücken. Entsprechend werden nun Komposita wie »Ästhet(h)ik« bzw. »Ethico-Ästhetik«36 gebildet, um diese Ethisierung der Ästhetik bzw. Ästhetisierung der Ethik zu beschreiben. Wesentlicher Impulsgeber war hier Foucault, der in »L’usage des plaisirs«37 aus dem antiken Konzept der Selbstsorge (ἐπιμέλεια ἑαυτοῦ/cura sui) das Programm einer »Ästhetik der Existenz« (»esthéthiques de l’existence«38) entwickelte. Interessanterweise zählte Foucault unter die Übungen, die die Lebenskunst erlernen lassen, explizit auch das Schreiben, das – mit Epiktet – als eine »auf sich selbst gerichtete Übung des Denkens«39 verstanden wird, und zugleich »auf die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit vorbereitet.«40 Diese »praktischen Texte« waren nach Foucault als »Operatoren gedacht, die es den Individuen erlauben sollten, sich über ihr eigenes Verhalten zu befragen, darüber zu wachen, es zu formen und sich selber als ethisches Subjekt zu gestalten.«41 Foucault sprach hier auch explizit von der »ethopoietischen Funktion«42 von Texten und hat damit einen antiken Begriff in die Debatte eingeführt, der hier und da in Aufsatz- und Buchtiteln auftaucht,43 jedoch noch einer genaueren Begriffsexplikation bedarf.
Die Sprachform eines ethischen Textes ist nicht nur Trägermaterial seiner Botschaft, sondern konstitutives und damit unverzichtbares Element der Ethik selbst. Die Sprachform ist das Medium der Ethik, mittels Sprache vollzieht sich die Handlungsreflexion. Die Verwendung eines Imperativs oder die Benennung von geprägten Normen allein macht aber noch keine Ethik. Es ist vielmehr die Frage, wie diese Normen in Anspruch genommen, wie ihre Geltung im Text behauptet bzw. vom Rezipienten erkannt wird. So geht die Frage nach der Reflexionsform über die Deskription der Sprachform hinaus. Es ist das spezifische Zusammenspiel unterschiedlicher Elemente (wie Stilform, Gattung und Pragmatik), das die ethische Qualität eines Textes ausmacht. Mittels dieser Textstrategien wird ein ethischer Geltungsanspruch bzw. moralische Signifikanz erzeugt. Mit dem Begriff der »moralischen Signifikanz«44 wird dabei eine Einsicht der Sprach- bzw. Zeichentheorie auf die Ethik übertragen. F. de Saussure hatte zwischen dem bedeutungstragenden Zeichen (Signifikant) und der Bedeutung des Zeichens (Signifikat) unterschieden. Seit Ch. Peirce wird ferner das Bedeutung zuschreibende Subjekt als dritte Stelle im semiotischen Dreieck eigens benannt. Im Begriff der »Erzeugung moralischer Signifikanz« wird zum Ausdruck gebracht, dass zwischen einem Text (Signifikant) und seinem moralischen Geltungsanspruch (Signifikat) unterschieden werden kann, wobei die Redeweise der »Erzeugung von Signifikanz« zusätzlich dem reflexiven und kommunikativen Vorgang Rechnung tragen will, den die Ethik als Handlungsbegründung und -bewertung immer schon einschließt.
Die bekannteste Textstrategie mit eigener ethischer Qualität stellt die »narrative Ethik« dar, wobei schon ein kurzer Blick in die Forschungslandschaft zeigt, dass unter diesem Label auch durchaus divergierende Konzepte aus philosophischer, literaturwissenschaftlicher und theologischer Perspektive subsumiert wurden.45 Der Etho-Poietik im hier verstandenen Sinn geht es nicht nur um die Benennung der fundamental-philosophischen Einsichten, dass der Mensch »in Geschichten verstrickt« (Schapp46) ist oder im Lesevorgang »narrative Identität« (Ricœur47) entwickeln kann. Die Etho-Poietik versucht, die sprachlichen Bildungsmechanismen en détail zu analysieren, die damit vollzogene Plausibilisierungsstrategie zu durchdringen, um letztlich ihre Wirkung im ethischen Kommunikationsvorgang präziser beschreiben zu können. So kann z. B. mit dem narratologischen Inventar der Figurenanalyse gezeigt werden, wie bei den textlich inszenierten Erzählfiguren mittels direkter und indirekter Charakterisierung eine ethische Plausibilierung erzeugt wird.48 Charakter und Eigenschaften zeigen die »ethische Identität«, das Verhältnis zu anderen Figuren mündet in eine »Beziehungsethik« oder Symbol und Funktion einer Figur werden als »Rollenethik« reflektiert. Aufgabe einer solchen etho-poietischen Reflexion kann freilich nicht die Bestimmung eines ethischen Schlusses oder einer Handlungsanweisung sein. Vielmehr wird nach Wagener »ein ethisches Feld aufgespannt, auf dem Positionen bezogen, Richtungen angegeben und Horizonte aufgezeigt werden. Die hier gewählte Feld-Metaphorik weist bereits darauf hin, dass es nicht das Ziel ist, die Ethik oder den ethischen Gehalt einer Figur skaliert messbar oder abgeschlossen festzulegen.«49 Stattdessen wird der Leser/die Leserin im rezeptionsästhetischen Akt des Lesens »im Prozess des ethischen Denkens angeleitet, als ethisches Subjekt geformt und so zu einem ethisch verantwortungsvollen Handeln aus dem Glauben heraus befähigt.«50
Die Etho-Poietik lässt sich allerdings nicht auf die Narratio beschränken. Auch mittels anderer Textformen können jeweils spezifische Formen der ethischen Plausibilierung vollzogen werden.51 Vereinfacht gesprochen kann man annehmen, dass ähnlich wie die Erzählung eine »narrative Ethik« impliziert, z. B. ein Hymnus eine »doxologische Ethik«, ein Bekenntnistext eine »konfessorische Ethik« zur Darstellung bringt und dass es sich hierbei jeweils um ethische Reflexionsformen sui generis handelt, die nicht durch andere ersetzt werden können.
Wenn es sich auch bei der »metaphorischen Ethik« um einen eigenen Modus der Ethikreflexion handelt, dann ist zu zeigen, inwiefern spezifische Elemente der Metapher moralische Signifikanz erzeugen. Wie wird durch Metaphern das Feld der ethischen Auseinandersetzung markiert und ein Prozess ethischer Reflexion in Gang gesetzt? In heuristischer Absicht sollen im Folgenden einzelne Aspekte der Metapher differenziert und hinsichtlich ihres Beitrags für eine Handlungsreflexion ausgewertet werden.52
Inmitten einer Vielfalt von Untersuchungen zur Metapher aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven,53 lassen sich doch bestimmte Grundannahmen benennen, die gewissermaßen als Substrat der Deskription des Metaphernphänomens gelten können. Der griechische Wurzelbegriff μετα-φέρειν (meta-pherein) heißt »übertragen«. Entsprechend kann man auch die Metapher als eine Übertragung von Bedeutung verstehen, und zwar von einem semantischen Feld auf ein anderes. Weinrich (und mit ihm viele andere) hat ferner gezeigt, dass zwischen den beteiligten semantischen Bereichen eine Spannung besteht. Er spricht deshalb von der »Konterdetermination« oder widersprüchlichen Prädikation: »Die kühne Metapher ist […] eine Prädikation, deren Widersprüchlichkeit nicht unbemerkt bleiben kann.« 54 Auf dem Boden wohlgeordneter Syntax entsteht damit eine »kalkulierte Absurdität«55.
Ethisch relevant wird nun dieses konstitutive Element der Metapher, indem nicht nur semantische Felder in sachfremde Zusammenhänge übertragen, sondern ganze Handlungsmuster von einem Bereich in einen anderen transferiert werden. Ein klassischer Fall eines metaphorischen Textes ist die Parabel, bei der realistische Handlungen in andere Handlungsfelder (bei biblischen Parabeln in den Bereich von Religion) übertragen werden.56 Die Aussaat von Samen (Mt 13,24–30) hat zunächst nichts mit dem »Reich Gottes« zu tun, aber das Verhaltensproblem angesichts eines verunkrauteten Feldes (Mt 13,26–28) kann im Übertragungsvorgang die Wertedebatte über das Verhalten der christlichen Gemeinde in der Welt anregen.
2. Handlungsorientierung im Rückgriff und Vorgriff
Metaphern zeichnen sich durch eine eigenartige Spannung zwischen Tradition und Innovation aus. Sie »erinnern, um Neues zu sagen und sie erneuern, um Altes zu bewahren.«57 Sie setzen Sprachnormen und Bildfeldtraditionen58 voraus, aber durchbrechen diese bewusst, um kühne Formulierungen zu wagen und »lebendige« Sprechakte zu kreieren.59 Auch die metaphorische Ethik basiert auf bekannten Werturteilen, auf traditionellen Normen und Handlungsmustern, aber sie werden dazu benutzt, um neue, unbekannte Herausforderungen bzw. ethische Probleme zu lösen. Wenn ein Verhalten nicht nur bekannt und eingeübt ist, sondern auch als richtig und normativ akzeptiert wird, dann kann die Übertragung dieses Handlungsmusters in einen sachfremden Kontext auch dort zur Handlungsorientierung führen. Ein markantes Beispiel ist etwa die etho-poietische Handlungsreflexion angesichts des Inzest-Falls in der korinthischen Gemeinde. 60 Paulus überträgt den bekannten und normativen Vorgang der Teigentfernung beim Mazzot-Fest auf den unklaren Umgang mit den betreffenden Gemeindegliedern. Die Briefadressaten können somit nachvollziehen, warum Paulus bezüglich der liminalen Existenz der Gemeinde eine rigide Haltung empfiehlt.
Doch nicht nur der Rückgriff auf bekannte Handlungsmuster, auch der Vorgriff auf bislang ungeahnte Handlungsmöglichkeiten ist durch metaphorische Ethik aussagbar. Weil die Metapher ein »kontrafaktisches Statement«61 ist, vermag es die metaphorische Ethik, auch zu kontrafaktischen Handlungsbewertungen und innovativen Wertsetzungen zu gelangen. War z. B. die Aussöhnung mit einer ehebrecherischen Frau nach der jüdischen Sexualmoral unmöglich (Dtn 24), so kann die religiöse Ehe-Metapher, bei der Gott sich mit der untreuen Frau Jerusalem/Zion versöhnt (z. B. Hos 2; Ez 16), Rückwirkungen auf die Eheethik haben.62 Die metaphorische Ethik ist eine visionäre Ethik, die nicht nur auf bisher ungekannte Konfliktsituationen zu reagieren vermag, sondern die in ihrem innovativen Potential auch der Wirklichkeit vorauseilt und somit zum inspirierenden Modell einer neuen Handlungsweise werden kann.
3. Metaphorische »Logik« und Sinnlichkeit
Metaphern unterscheiden sich von argumentativ-logischen Schlüssen. Aber sie sind nicht grundsätzlich irrational oder widersinnig. Pielenz hat in Verknüpfung von Toulmins Argumentationstheorie und der kognitivistischen Metapherntheorie von Lakoff/Johnson hierbei von einer »stille[n] Argumentationsmatrix« gesprochen, die Geltungsansprüche aus der metaphorisch konzeptualisierten Alltagserfahrung ableitet.63 Die Metapher basiere auf vernunftgeleiteten Prinzipien und »Inferenzen«. Damit werden Schlussfolgerungen bezeichnet, die ein Rezipient nicht allein mit Hilfe von Textinformationen, sondern durch Einbeziehung von allgemeinen Wissensbeständen leistet.64 Debatin beschreibt in Anknüpfung an Aristoteles die »Rationalität metaphorischer Argumente«65 als rhetorisches Beweisverfahren im Stile des »Enthymems«, d. h. das von Aristoteles in Analogie zur Dialektik gebildete ›topische‹ Schlussverfahren, das auf einer Regel und der stillschweigenden Voraussetzung einer Prämisse beruht. »Im unmittelbaren Einleuchten der gelungenen Metapher erweist sich die Evidenz der Prämisse und die Schlagkraft des rhetorischen Arguments. Die Metapher kann deshalb als Enthymem in nuce betrachtet werden.«66 So ruft z. B. Paulus im Kontext der Leib-Gemeinde-Metapher in 1Kor 1267 Verhaltensmuster hinsichtlich des Umgangs mit dem eigenen Körper ab, die dann für die Gemeinschaft modellhaft werden können. Das Umkleiden der schamhaften Körperteile wird als ein alltägliches Verhalten auf das erwartete Verhalten in der Gemeinde übertragen (1Kor 12,22–23). Damit wird ein kognitiver Prozess in Gang gebracht, der die Selbstverständlichkeit des Sorgens um bestimmte Körperteile als Alltagswissen aktiviert, um daraus ethische Plausibilität für eine erwartete Handlung in der Gemeinde zu erzeugen. Auch die humoristische Passage der sprechenden Körperteile (1Kor 12,15 f.21) setzt das stillschweigende Einvernehmen der Rezipienten voraus, das dann in den rhetorischen Fragen noch einmal pointiert abgerufen wird: Der Fuß stellt fest, dass er keine Hand ist. Wie trivial! Doch die anschließende Frage »Sollte er deshalb nicht Glied des Leibes sein?« lässt bereits die Übertragungsebene durchscheinen. Nicht der Fuß stellt seine Zugehörigkeit zum Leib in Frage, sondern offenbar stellen Gemeindeglieder die gleichwertige Zugehörigkeit von anderen wegen hinsichtlich unterschiedlicher Herkunft oder Gaben in Frage. Auch hier wird ein ›topischer Schluss‹ nahegelegt: Die Zugehörigkeit aufgrund der Unterschiedlichkeit in Frage zu stellen, ist Unsinn. Jeder soll dazu gehören, wie auch jedes Körperglied ganz selbstverständlich zum Körper gehört.
Metaphern mobilisieren aber auch emotionale Sinnpotentiale. Sie besitzen affektive Wirkkraft, und man kann berechtigt fragen, ob dieser emotionale Anteil im Wirkungsprozess der Metapher vielfach nicht sogar in den Vordergrund tritt. Koevesces spricht deshalb folgerichtig von »Emotion Concepts«68. Dies soll noch einmal am Beispiel des ›Barmherzigen Samariters‹ (Lk 10,30–35) erläutert werden: Auch diese metaphorische Erzählung greift auf allgemeine Wissensbestände zurück, wie etwa ein allgemein-menschliches »Hilfsethos«, oder auf die kulturelle Norm, dass Kultpersonal keinen Kontakt mit (Halb-)Totem haben darf oder dass Samariter und Juden keinen Umgang pflegen.69 Auf der Basis solcher bekannter Handlungsnormen kann die Erzählung über einen hilflosen, entkleideten Überfallenen dann eine Wertediskussion einleiten und neue Handlungsperspektiven aufzeigen. Die Wahl von vertrauten Handlungsfeldern setzt auf allgemeine Anerkennung. Sie rechnet mit einem nach Regeln allgemeiner Vernunft einsetzenden Schluss. Sie kalkuliert in ihrer sachfremden Übertragung mit kognitiven Schlüssen. Das gewählte Beispiel aber zeigt auch, dass die metaphorische Ethik jenseits rationaler Überlegungen mit Emotionen agiert. Es ist das Angerührtwerden (Lk 10,33: σπλαγχνίζομαι), das den Handlungsimpuls auf der Ebene der erzählten Welt liefert, wie umgekehrt auch die mangelnde Empathie von Priester und Levit beim Leser eine Normenreflexion (z. B. der Berechtigung der benannten Berührungsregel) auslöst. Entsprechend soll der Leser selbst emotional berührt werden, soll aus der Scham der eigenen Hilfsunfähigkeit und dem Antlitz des bedürftigen Menschen selbst zur Handlungsbeurteilung befähigt werden.70 Die seit Beginn des 20. Jh.s geläufige Unterscheidung in der Ethik-Theorie zwischen den sogenannten Kognitivisten und Non-Kognitivisten71 kommt hier ans Ende. Kognitive und affektive Elemente wirken bei der Handlungsbegründung im ethischen Diskurs vielfach zusammen. Die metaphorische Ethik gewährt diesem Zusammenspiel konzeptionell Raum.
Die Metapher ist keine univoke Sprache. Die durch eine Metapher ausgelösten Verstehensprozesse sind nicht exakt vorherbestimmbar. Dies lässt sich etwa an der Metaphorizität von Parabeln zeigen, die bereits in ihrer frühesten Rezeptionsgeschichte in den synoptischen Evangelien eine beträchtliche Breite an Interpretationsmöglichkeiten zeigen. Die Metapher verweigert gerade eine Festlegung auf einen Wortsinn und kann stattdessen als Einladung zur Deutung und Sinnfindung begriffen werden. Sie ist in ihrer Deutungsoffenheit zugleich deutungsaktiv. Diese Polyvalenz der Metapher darf gleichwohl nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden. Die Textgebundenheit, ›Rationalität‹ und auch die Verankerung in der Bildfeldtradition schränken die Sinnmöglichkeiten ein. Um dieses Ineinander von Offenheit und Begrenzung zum Ausdruck zu bringen, eignet sich die Spielfeldmetapher. 72 Innerhalb gegebener Grenzen darf und soll sich das Spiel frei entfalten, aber der Ball kann auch ins Aus gehen.
Der Deutungsspielraum wird bei der metaphorischen Ethik nun zum Handlungsspielraum. In der Interaktion der Metaphernteile vollzieht sich eine Reduktion von Sinnmöglichkeiten bei gleichzeitiger Bewahrung von Variabilität. Entsprechend ist die metaphorisch erzeugte Wertereflexion zwar offen, aber dennoch nicht willkürlich. Als Beispiel sei auf die Parabel vom verlorenen Schaf verwiesen (Lk 15,1–7; Mt 18,12–14).73 Der beschriebene Vorgang der Rettung eines einzelnen Schafes wird für das Verhalten im religiösen Kontext nutzbar gemacht: Das in der antiken Agrargesellschaft in sich plausible Geschehen74 setzt jedoch verschiedene Deutungsmöglichkeiten in Gang, die je nach Fokus und Kontext divergieren. Im Verhalten des Hirten wird Gottes bzw. Jesu bedingungslose Zuwendung zu den Verlorenen reflektiert, die im lukanischen Kontext durch Hinführung (Lk 15,1–2) und die weiteren Verlorenen-Gleichnisse (Lk 15,8–32) auf die Annahme der Außenseiter und Sünder bezogen wird. Bei der Matthäus-Fassung begegnet die Parabel im Kontext der Gemeinderede und begründet eher das Verhalten der Gemeindeglieder gegenüber missachteten »Kleinen« (Mt 18,10.14). Oder aber das Verhalten des Schafs wird im Rahmen einer »gruppendynamischen Deutung« 75 selbst ins Zentrum gerückt und evoziert bei Rezipienten den Impuls für »mehr Mut zur Abweichung« und die Hoffnung auf eine »von der Gruppe losgelöste, individuelle Freiheit«76, ohne der Aufmerksamkeit des Gruppenleiters und letztlich der Gemeinschaft dauerhaft abhanden zu kommen. Die Polyvalenz ethischer Impulse muss nicht bedauert, sondern kann vielmehr als instruktives Moment dieser parabolischen Redeweise gewürdigt werden. Die metaphorische Ethik konvergiert hierbei mit phänomenologischen Ethiken, wie sie etwa Waldenfels in »Spielraum des Verhaltens« beschrieben hat.77 Die metaphorische Ethik eignet sich vermutlich nicht für eine Rechtsethik, die in großen Prinzipien oder kleinschrittiger Kasusistik Einzelfallregeln präzise vorschreiben will. Sie bleibt bis zu einem gewissen Maße unscharf und relativ, aber gleichwohl nicht beliebig. Sie gibt vielmehr Handlungskorridore vor, die der Unschärfe des Lebens Raum lassen, ohne Grenzen zu verschweigen.
Die widersprüchliche Prädikation der Metaphern kann auch in pragmatischer Hinsicht als Störung beschrieben werden. Entsprechend beschrieb J. R. Searle die Metaphern als »Verstöße gegen die Sprechaktregeln und Verstöße gegen die Konversationsprinzipien der Verständigung.«78 Durch die Transfersignale der Metapher wird ein »perlokutionärer Sprechakt«79 vollzogen, der den Rezipienten unmittelbar einbezieht. Im Anschluss an W. Iser kann man hierbei von einer »Appellstruktur«80 der Metapher sprechen. In der Regel wird die Appellstruktur der Metaphern nur individuell aufgefasst. Doch metaphorische Texte sind – um ein Wort von Herzog aus der Parabeldiskussion zu entlehnen – auch »discussion starter«81. Sie setzen einen kollektiven Kommunikations- und Deutungsprozess in Gang, der dann mit der Zeit auch in einen kollektiven Gedächtnisprozess übergeht, der Gruppenidentität zu stiften vermag.82
Auch die metaphorische Ethik ist rezipientenorientiert. Die Übertragung von Handlungsnormen in sachfremde Kontexte erzeugt eine Spannung, die erst von einem Adressaten aufgelöst und auf einer höheren Verstehensebene gedeutet werden kann. Entsprechend mag z. B. der Verweis auf das Handlungsmuster der Pflanzenkultivierung in 1Kor 3 für die Gemeinde verwundern, denn es geht hier gewiss nicht um das Anlegen eines Gemeindegartens. Im genannten Fall wird die Übertragung von Garten- bzw. Feldarbeit auf Gemeindearbeit auf sehr direkte Weise vollzogen: 83 »Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen« (1Kor 3,6), bzw. »ihr seid Gottes Ackerfeld« (1Kor 3,9). Bekannte Vorgänge von Pflanzen und Begießen dienen Paulus hierbei als Möglichkeit, die Gleichwertigkeit der Arbeitsteilung in der Gemeindearbeit (1Kor 3,8 f.) zu begründen. Die für die Korinther ungewisse Situation, wie das Miteinander der unterschiedlichen Mitarbeiter in der Gemeinde zu bewerten ist, wird durch Rückgriff auf die Ackerbauerfahrung reflektiert. Allerdings vermeidet Paulus es, eine imperativische Schlussfolgerung zu ziehen. Die Wertung wird mit Blick auf die Feldarbeiter zwar unmissverständlich ausgedrückt (1Kor 3,8: »sind einer wie der andere«), aber es ist den Adressaten überlassen, die ethischen Schlüsse für die Gemeindearbeit zu ziehen. Die metaphorische Spannung drängt somit zum eigenen ethischen Urteil im Prozess der Rezeption. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch beim Paradigma des Barmherzigen Samariters Jesus schon auf der Ebene der erzählten Welt seinen Gesprächspartner nach der Parabel auffordert, selbst das Urteil über das ›richtige Handeln‹ auszusprechen (vgl. die Frage in Lk 10,36).
Die metaphorische Ethik fordert gerade durch die Undeutlichkeit zu einer eigenen ethischen Urteilsfindung auf. Sie ist non-direktive Ethik. Sie gibt zwar einen Interpretationsrahmen vor. Indem sie hierfür die Offenheit der Bildersprache wählt, drängt sie den Rezipienten allerdings selbst in die Rolle hinein, ein Urteil zu finden.84 Die metaphorische Ethik setzt auf die Eigenständigkeit des ethischen Subjekts und weiß, dass Handlungsfähigkeit nur aus eigener Reflexion und Entscheidung erfolgen kann.
Die metaphorische Ethik ist nicht auf den Raum der Bibel begrenzt. Ihre Mechanismen lassen sich auch in anderen Texten und Kontexten erkennen und anwenden. Es wird jedoch kaum zu bestreiten sein, dass die biblisch-religiöse Sprache in hohem Maße von Metaphern bestimmt wird, die zum Teil eine beispiellose Wirkung erzielt haben. Die Bibel eignet sich deshalb wie kaum ein anderer Text als »Laboratorium einer metaphorischen Ethik«85, in dem Grundlegendes erkennbar wird: Die metaphorische Ethik folgt eigenen Regeln. Sie nutzt die spezifischen Aspekte der Metapher, um Handlungsgründe zu reflektieren. Sie folgt dabei durchaus vernünftigen Erwägungen: Sie setzt auf wiederkehrende und in bestimmten Kontexten sogar allgemeingültige Erfahrungen. Sie nutzt konventionalisierte Handlungsmuster, um aus ihrer Vertrautheit neuen Wertungen den Boden zu bereiten. Die rhetorische Funktion der Metapher ist vom Autor aus gesehen nicht beliebig. Gleichwohl lässt sich die Metapher in ihrer Deutungsoffenheit nicht instrumentalisieren und auf eine einzige Lösung einengen. Sie verweigert sich der Form sprache und Logik analytischer Ethik. Indem Erfahrungsbereiche eingebracht werden, indem Sprachbilder vor Augen gemalt und Handlungsszenen ins Herz geschrieben werden, sind Sinne und Emotionen bei diesem ethischen Urteilsprozess mit im Spiel. Die metaphorische Ethik weicht somit auf geschickte Weise der dogmatischen Festschreibung aus. Sie lässt sich nicht in Gesetze pressen, die nur noch anzuwenden wären. Die metaphorische Ethikreflexion ermöglicht und erleichtert vielmehr die Kommunikation über Handlungsgründe. Sie schreibt nicht direkt vor, sondern lädt vielmehr ein. Sie nimmt die Adressaten ernst und fordert ihre auto-nome Entscheidungssouveränität. Sie bleibt in ihrer Sprachlichkeit und traditionellen Prägung zunächst an Kommunikationsteilnehmer gebunden, die aus einer ähnlichen Lebenswelt kommen. Ihr formales Prinzip der Übertragung von Handlungsmustern in neue Kontexte inspiriert allerdings auch zur kreativen Fortschreibung. Die metaphorische Ethik lädt deshalb ihrerseits wiederum ein, ihre bildspendenden Bereiche und Plausibilisierungsstrategien in neue, sachfremde Kontexte zu übertragen. So kann sie trotz ihrer partikularen Gebundenheit doch über den eigenen Horizont hinaus Geltung beanspruchen. Ein aktuelles Anwendungsfeld stellt z. B. der medizinethische Diskurs dar, in dem die Bedeutung und Tragfähigkeit von Metaphern jüngst entdeckt wurde.86 Dies mag Theologen ermutigen, sich mit Bezug auf ihre eigene Tradition wieder vermehrt in diese Diskurse einzubringen, sei es, um dominante Metaphern wie der Körper als Maschine (> Organe als Ersatzteile) in Frage zu stellen, sei es, um eigene Körper- und Lebensmetaphern einzubringen. Denn man gewinnt nicht selten den Eindruck, dass z. B. die Biowissenschaften sich der Funktionsweise und Herkunft ihrer eigenen bestimmenden Metaphern kaum bewusst sind und dabei vergessen könnten, wer eigentlich das »Buch des Lebens« 87 geschrieben hat.
Within the broader issue concerning the question of the role played by the bible in current ethical debate, this article argues that the form of ethical reflection found in New Testament texts could stimulate and serve as a role model. The first part of this article surveys different types of ethical reflexion and points out the limits of ethics based on rational arguments. In contrast, »thick ethical concepts« offer a holistic approach including emotions and more closely allign with real life problems in which ethics is required. Following Foucault’s concept of an »aesthetics of existence« – and in par-ticular his reflection upon the ancient idea of »etho-poietics« – ethics can be performed, studied, and even engrained within literary forms, such as narratives. In the second part of the article the idea of a »metaphoric ethics« is developed through the use of biblical examples focusing on different aspects of the concept. Since metaphors are based on a transfer of meaning, »metaphoric ethics« is a transfer of behavioral patterns to a different context. The evalu-ative process of such an ethical reflection includes emotions and normative traditions, is not constrained by one single solution, and stimulates the addressee’s own ethical decision.*
Fussnoten:
1) M. Düwell/C. Hübenthal/M. H. Werner (Hrsg.), Handbuch Ethik. 3., akt. Aufl., Stuttgart/Weimar 2011; ähnlich O. Höffe (Hrsg.), Lexikon der Ethik. 7., neubearb. u. erw. Aufl., München 2008.
2) Siehe O. Höffe (Hrsg.), Lesebuch zur Ethik. Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart, 5. Aufl., München 2002, hier C. Altes und Neues Testament auf fünf Seiten abgehandelt (39–44). Ganz ohne kanonische Texte kommt etwa M. Hossenfelder, Antike Glückslehren. Quellen in deutscher Übersetzung, Stuttgart 1996, aus.
3) Im englischsprachigen Kontext sieht die Situation etwas anders aus, vgl. z. B. Lexikonwerke wie J. B. Green (Hrsg.), Dictionary of Scripture and Ethics, Grand Rapids/MI 2011; R. L. Browley (Hrsg.), The Oxford Encyclopedia of the Bible and Ethics, New York 2014; L. Chan, Biblical Ethics in the 21st Century. Developments, Emerging Consensus, and Future Directions, Mahwah 2013; siehe dazu auch den Überblick R. Zimmermann, Englischsprachige Literatur zur neutestamentlichen Ethik, in: ThLZ 139 [2014], H. 9, 1095–1107.
4) Siehe z. B. die Themenhefte der ZEE, exemplarisch etwa F. Voigt, Vom Ethos der Ethik. Die protestantische Sozialethik und die modernen Lebenswissenschaften, ZEE 58 [2014], 203–212.
5) Siehe z. B. R. Englert u. a. (Hrsg.), Ethisches Lernen, Jahrbuch für Religionspädagogik 31 (2015), Neukirchen-Vluyn 2015, ohne einen einzigen Beitrag zur biblischen Ethik; Kursbuch Religion. Sekundarstufe II, Stuttgart/Braunschweig 2014, 214–247 (nur auf 221 ein Verweis auf Mt 7,12–17; aber 233 Bibelbezug in Projektaufgaben).
6) Siehe z. B. ohne Bibelbezug W. E. Müller, Evangelische Ethik, Darmstadt 22011; mit rudimentärem Bezug W. Lienemann, Grundinformation theologische Ethik, Göttingen 2008, 177–192; W. Härle, Ethik, Berlin/New York 2011, 158–191 (Dekalog, Goldene Regel, Liebesgebot); M. Mühling, Systematische Theologie. Ethik, Göttingen 2012, 115–135 (Dekalog und Liebesgebot); 156–158 (Reich Gottes); C. Frey, Wege zu einer evangelischen Ethik. Eine Grundlegung, Gütersloh 2014, 171–216 (Liebesgebot, Gebot Gottes).
7) Vgl. so z. B. den Versuch der Rehabilitierung des Indikativ-Imperativ-Modells bei M. Wolter, Paulus. Ein Grundriss seiner Theologie, Neukirchen-Vluyn 2011, Kapitel XII: Ethik, 310–338. Hierzu R. Zimmermann, Ethikbegründung bei Paulus. Die bleibende Attraktivität und Insuffizienz des Indikativ-Imperativ-Modells, in: J. Frey/B. Schließer (Hrsg.), Die Theologie des Paulus in der Diskussion. Reflexionen im Anschluss an Michael Wolters Grundriss, BThS 140, Neukirchen-Vluyn 2013, 237–255.
8) So z. B. L. Bormann, Sexualizing with the New Testament. Das Neue Testament kann keine Grundlage einer zeitgemäßen Sexualethik sein, in: ZNT 30, Jg. 15 [2012], 48–53.
9) So z. B. M. Konradt, Neutestamentliche Wissenschaft und theologische Ethik, in: ZEE 55 [2011], 274–286, 274.
10) Vgl. hierzu das von mir entwickelte Organon zur ethischen Analyse biblischer Texte, jetzt ausführlich beschrieben in R. Zimmermann, Die Logik der Liebe. Die implizite Ethik der Paulusbriefe am Beispiel des 1. Korintherbriefs, BThS 162, Neukirchen-Vluyn 2016.
11) Vgl. zu diesem Aspekt G. R. Hofmann, Zur sozio-ökonomischen Positionierung von Sozialstationen in kirchlicher Trägerschaft – unternehmensethische Konsequenzen aus einer Interpretation von Lukas 10,25–37, Aschaffenburg 2015.
12) Vgl. zum Folgenden ausführlicher R. Zimmermann, Pluralistische Ethikbegründung und Normenanalyse im Horizont einer impliziten Ethik frühchristlicher Schriften, in: F. W. Horn/U. Volp/R. Zimmermann (Hrsg. unter Mitarbeit von E. Verwold), Normen frühchristlicher Ethik. Gut – Leben – Leib – Tugend, WUNT 313, Tübingen 2013, 3–27.4–11.
13) Vgl. C. D. Broad, Five Types of Ethical Theory, ILPP [1930], 206 f.
14) So z. B. D. Birnbacher, Analytische Einführung in die Ethik, Berlin/New York 22007 als klassifikatorisch für Kapitel 4 (Deontologische Ethik, 113–172) und Kapitel 5 (Konsequentialistische Ethik, 173–240); ebenso die Basisunterscheidung der normativen Ethiken bei Düwell/Hübenthal/Werner, Handbuch Ethik, 61–190.
15) Vgl. W. Kuhlmann, Art. Begründung, in: Handbuch Ethik (s. Anm. 1), 319–325, 321 f.
16) Vgl. A. Pieper, Einführung in die Ethik. Tübingen/Basel 62007, 189–237.
17) Vgl. J. Hardy/C. Schamberger, Logik der Philosophie. Einführung in die Logik und Argumentationstheorie, Göttingen 2012, 50: »Um dem Seins-Sollen-Fehlschluss zu entgehen, benötigt ein Argument zugunsten einer Forderung (eines Sollens) mindestens eine normative Prämisse, also eine Prämisse mit einem normativen Gehalt.«
18) Vgl. zu dieser Diskussion K. Ott, Moralbegründungen. Zur Einführung, Hamburg 2001, 63–76.
19) Kuhlmann, Begründung (s. Anm. 15), 322, wie auch ausführlich W. Kuhlmann, Reflexive Letztbegründung. Eine Theorie theoretischer und praktischer Rationalität, Frankfurt a. M. 1992.
20) Kuhlmann, Begründung (s. Anm. 15), 322.
21) Ott, Moralbegründungen (s. Anm. 18), 64 f.
22) Siehe M. Quante, Einführung in die allgemeine Ethik, 4., durchges. Aufl., Darmstadt 2011, 155–158.
23) Ebd. Beispiele hierfür sind A. Gerwith, Reason and Morality, Chicago/London 1978; oder K. Steigleder, Die Begründung des moralischen Sollens. Studien zur Möglichkeit einer normativen Ethik, Tübingen 1992; vgl. auch F. von Kutschera, Drei Versuche einer rationalen Begründung der Ethik: Singer, Hare, Gerwith, in: C. Fehige/G. Meggle (Hrsg.), Zum moralischen Denken, StW 1122, Frankfurt a. M. 1995, 54–76.
24) Vgl. Kuhlmann, Begründung (s. Anm. 15), 321.
25) Ott, Moralbegründungen (s. Anm. 18), 67.
26) Vgl. J. Fischer, Grundlagen der Moral aus ethischer Perspektive und aus der Perspektive der empirischen Moralforschung, in: Ders./S. Gruden (Hrsg.), Die Struktur der moralischen Orientierung, Berlin 2010, 19–48; ders., Rationalität oder sittliche Vernunft? Über Argumente und andere Gründe, in: Ders., Sittlichkeit und Rationalität. Zur Kritik der desengagierten Vernunft, Forum Systematik 38, Stuttgart 2010, 52–60; ders., Ethik als rationale Begründung der Moral?, in: ZEE 55 [2011], 192–204.
27) J. Fischer, Zum narrativen Fundament der sittlichen Erkenntnis. Metaethische Überlegungen zur Eigenart theologischer Ethik, in: Ders., Sittlichkeit (s. Anm. 26), 146–170.
28) Vgl. J. Fischer, Verstehen statt Begründen. Warum es in der Ethik um mehr als nur um Handlungen geht, Stuttgart 2012.
29) Fischer, Verstehen (s. Anm. 28), 33.
30) Siehe auch die folgenden Zitate aus J. Fischer, Ethik als rationale Begründung (s. Anm. 26), 198–201. Die Übertragung des soziologischen Begriffs des »thick concepts« von C. Geertz in die Ethik findet sich vor allem im englischsprachigen Kontext, siehe z. B. A. W. Moore, Maxims and Thick Ethical Concepts, in: Ratio 19 [2006], 129–147.
31) Fischer, Fundament (s. Anm. 27), 151.
32) A. a. O., 156.
33) A. a. O., 157.
34) A. a. O., 161–167.
35) Vgl. etwa C. Horn, Antike Lebenskunst. Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern, München 1998; W. Schmidt, Philosophie der Lebenskunst. Eine Grundlegung, Frankfurt a. M. 1998; vgl. auch A. MacIntyre, After Virtue. A Study in Moral Theory, Notre Dame 21984; M. C. Nussbaum, The Fragility of Goodness. Luck and Ethics in Greek Tragedy and Philosophy, Cambridge 212007.
36) Vgl. z. B. G. Gamm/G. Kimmerle (Hrsg.), Ethik und Ästhetik. Nachmetaphysische Perspektiven, Tübinger Beiträge zu Philosophie und Gesellschaftskritik 2, Tübingen 1990; C. Wulf/D. Kamper/H. U. Gumbrecht (Hrsg.), Ethik der Ästhetik, Acta humaniora, Berlin 1994; W. Welsch, Ästhet/hik – Ethische Implikationen und Konsequenzen der Ästhetik, in: Ders., Grenzgänge der Ästhetik, Stuttgart 1996, 106–134.
37) Vgl. M. Foucault, Histoire de la sexualité II: L’usage des plaisirs, Paris 1984, 18 f. (dt. Der Gebrauch der Lüste. Sexualität und Wahrheit 2, stw 717, Frankfurt a. M. 51997); sowie die posthum zusammengestellte Aufsatzsammlung M. Foucault, Ästhetik der Existenz. Schriften zur Lebenskunst, hrsg. v. D. Defert u. F. Ewald, stw 1814, Frankfurt a. M. 2007.
38) Foucault, L’usage (s. Anm. 37), 16 f. (dt. Gebrauch, 20).
39) Vgl. M. Foucault, Über sich selbst schreiben, in: Ders., Ästhetik (s. Anm. 37), 137–154, 139 (ursprünglich M. Foucault, L’écriture de soi, in: Ders., Dits et écrits 1954–1988, Bd. VI, hrsg. v. D. Defert u. F. Ewald, Paris 1994, 415–430).
40) Ebd.
41) Foucault, Gebrauch, 20 f. (s. Anm. 37).
42) Siehe Foucault, L’usage (s. Anm. 37), 19 (dt. Gebrauch, 21: »ihnen kommt eine ›etho-poetische‹ Funktion zu«); sowie Foucault, L’écriture (s. Anm. 39), 418: »écriture fonction éthopoiétique« (kursiv im Original).
43) B. Greiner/M. Moog-Grünewald (Hrsg.), Etho-Poietik. Ethik und Ästhetik im Dialog: Erwartungen, Forderungen, Abgrenzungen, ZAAK Beiheft 7, Bonn 1998; K. Hahn, Ethopoetik des Elementaren: zum Schreiben als Lebensform in der Lyrik von René Char, Paul Celan und Octavio Paz, Zur Genealogie des Schreibens 10, Paderborn 2008; vgl. auch meine Übernahme des Begriffs in R. Zimmermann, Die Etho-Poietik des Samaritergleichnisses (Lk 10,25–37). Eine Ethik des Schauens in einer Kultur des Wegschauens, in: WuD 31 [2007], 51–69.
44) Der Begriff wird meines Wissens erstmals von J. Fischer in die Debatte eingebracht, der ihn im Zusammenhang mit der narrativen Vergegenwärtigung von Situationen verwendet; vgl. Fischer, Begründung (s. Anm. 26), 193.
45) Vgl. hier den Überblick bei R. Zimmermann, Narratio als Begründungsform der Ethik. ›Narrative Ethik‹ in Philosophie, Literaturwissenschaft und Theologie, in: U. Volp/F. W. Horn/R. Zimmermann (Hrsg.), Metapher – Narratio – Mimesis – Doxologie. Begründungsformen frühchristlicher und antiker Ethik, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Tübingen 2016, 91–104; ferner K. Joisten, Möglichkeiten und Grenzen einer narrativen Ethik. Grundlagen, Grundpositionen, Anwendungen, in: Dies. (Hrsg.), Narrative Ethik. Das Gute und das Böse erzählen, DZPh Sonderband 17, Berlin 2007, 9–21; M. Hofheinz, Narrative Ethik als »Typfrage«. Entwicklungen und Probleme eines konturierungsbedürftigen Programmbegriffs, in: Ders. u. a. (Hrsg.), Ethik und Erzählung. Theologische und philosophische Beiträge zur narrativen Ethik, Zürich 2009, 3–58.
46) W. Schapp, In Geschichten verstrickt. Zum Sein von Mensch und Ding, Frankfurt a. M. 42004.
47) P. Ricœur, Narrative Identität, in: Ders., Vom Text zur Person. Hermeneutische Aufsätze (1970–1999), übers. u. hrsg. v. P. Welsen, Hamburg 2005, 209–225.
48) Vgl. hierzu jetzt umfassend F. Wagener, Figuren als Handlungsmodelle: Simon Petrus, die samaritanische Frau, Judas und Thomas als Zugänge zu einer narrativen Ethik des Johannesevangeliums, Kontexte und Normen neutestamentlicher Ethik Bd. 6, WUNT II/408, Tübingen 2015, insbesondere die differenzierte Methodologie einer »narratologisch-ethischen Analyse«, 80–217.
49) Wagener, Figuren (s. Anm. 48), 216.
50) Wagener, Figuren (s. Anm. 48), 567.
51) Unter dieser Fragestellung standen auch die vier Symposien »Mainz Moral Meetings Nr. 5–8«, die jetzt im Sammelband dokumentiert werden, vgl. Volp/Horn/Zimmermann, Begründungsformen (s. Anm. 45).
52) Vgl. zum Folgenden ausführlicher R. Zimmermann, Moralische Signifikanz durch Sprachbilder. Ein Beitrag zur »metaphorischen Ethik« der Paulusbriefe, in: Volp/Horn/Zimmermann, Begründungsformen (s. Anm. 45), 9–37.
53) Vgl. zum Überblick A. Haverkamp, Metapher: Die Ästhetik in der Rhetorik. Bilanz eines exemplarischen Begriffs. München 2007; sowie R. Zimmermann, Metapherntheorie und biblische Bildersprache. Ein methodologischer Versuch, ThZ 56 [2000], 108–133.
54) H. Weinrich, Sprache in Texten, Stuttgart 1976, 309.
55) C. Strub, Kalkulierte Absurditäten. Versuch einer historisch reflektierten sprachanalytischen Metaphorologie, Freiburg i. Br./München 1991.
56) Vgl. zur Metaphorizität der Parabel R. Zimmermann, Puzzling the Para-bles of Jesus. Methods and Interpretation, Minneapolis 2015, 145–147.
57) M. Buntfuß, Tradition und Innovation. Die Funktion der Metapher in der theologischen Theoriesprache, ThBT 84, Berlin/New York 1997, 227.
58) Vgl. dazu H. Weinrich, Münze und Wort. Untersuchungen an einem Bildfeld, in: Ders., Sprache (s. Anm. 54), 276–290.
59) Vgl. P. Ricœur, La metaphore vive, Paris 1975 (dt. Die lebendige Metapher, Übergänge 12, München 32004).
60) Vgl. dazu ausführlich Zimmermann, Signifikanz (s. Anm. 52), 26–30.
61) Mit Debatin kann man die Metapher als »ein kontrafaktisches Statement (bezeichnen), das im Modus der ›als ob‹-Prädikation dazu einlädt, einen Gegenstand in einem neuen Implikationszusammenhang zu sehen […].«, B. Debatin, Die Rationalität metaphorischer Argumente, in: M. Junge (Hrsg.), Metaphern und Gesellschaft, Wiesbaden 2011, 185–203, 189.
62) Vgl. zu diesem Komplex R. Zimmermann, Geschlechtermetaphorik und Gottesverhältnis. Traditionsgeschichte und Theologie eines Bildfelds in Urchristentum und antiker Umwelt, WUNT II/122, Tübingen 2001, 690–710 (bes. »Gottesliebe regelt Leidenschaften!«, 702–706).
63) Vgl. M. Pielenz, Argumentation und Metapher, Tübingen 1993. Bei der gelingenden Kommunikation mit Metaphern werde ein »Fundus an Geltungsansprüchen als akzeptiert präsupponiert.« (A. a. O., 157)
64) Vgl. dazu M. Schreier, Art. Textwirkungen, in: T. Anz (Hrsg.), Handbuch Literaturwissenschaft Bd. 1: Gegenstände und Grundbegriffe, Stuttgart 2013, 193–202, 197.
65) Vgl. Debatin, Rationalität (s. Anm. 61). Die Metapher sei »an die Prämissen der topischen Logik gebunden, also der Logik der Gemeinplätze, des Wahrscheinlichen (sic!) und der heuristischen Aspekte« (188).
66) Debatin, Rationalität (s. Anm. 61), 188.
67) Eine ausführliche metaphorisch-ethische Analyse von 1Kor 12 in Zimmermann, Signifikanz (s. Anm. 52), 30–36.
68) Z. Koevesces, Emotion Concepts, New York 1990; ders., Emotion concepts: from anger to quilt. A cognitive semantic Perspective, in: Cognitive Psychopathology 2 [2005], 13–32.
69) Vgl. zur Begründung im Einzelnen R. Zimmermann, Berührende Liebe (Der Barmherzige Samariter), Lk 10,30–35, in: Ders. u. a. (Hrsg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 22015, 538–555.
70) Vgl. die ethische Auslegung der Parabel in Zimmermann, Etho-Poietik (s. Anm. 43), 51–69.
71) Man denke hier z. B. an R. M. Hare, der ethische Sätze auf ihre rationale Stimmigkeit prüfte, während z. B. C. L. Stevenson die Fundierung der Ethik in Emotionen vertrat. Vgl. dazu den Überblick bei M. Quante, Einführung in die Allgemeine Ethik, Darmstadt 42011, 40–53.
72) So zuerst in R. Zimmermann, Bildersprache verstehen oder Die offene Sinndynamik der Sprachbilder, Einführung, in: Ders. (Hrsg.), Bildersprache verstehen. Zur Hermeneutik der Metapher und anderer bildlicher Sprachformen. Mit einem Geleitwort von H. G. Gadamer, Übergänge 38, München 2000, 13–54, 26; sowie ders., Im Spielraum des Verstehens. Chancen einer integrativen Gleichnishermeneutik, in: Ders. (Hrsg.), Hermeneutik der Gleichnisse Jesu. Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte, WUNT 231, Tübingen 22011, 3–24; sowie ders., Polyvalent Interpretation, in: Ders., Parables (s. Anm. 56), 163–178.
73) Vgl. dazu jetzt R. Zimmermann, The Lost Sheep (Q 15,1–7) and the Para-bles in Q, in: Zimmermann, Parables (s. Anm. 56), 211–236.
74) Vgl. z. B. J. S. Kloppenborg/C. Callon, The Parable of the Shepherd and the Transformation of Pastoral Discourse, in: Early Christianity 1 [2010], 218–260.
75) A. Oveja, Neunundneunzig sind nicht genug! (Vom Verlorenen Schaf) Q 15,4–5a.7, in: Zimmermann, Kompendium (s. Anm. 69), 205–219, 211–212.
76) Ebd.
77) B. Waldenfels, Im Spielraum des Verhaltens, Frankfurt a. M. 1980, 265: »Menschliche Praxis verfolgt ihre Ziele innerhalb eines Spielraums realer Möglichkeiten, den sie sowohl vorfindet wie umgestaltet.«
78) Siehe J. R. Searle, Metapher, in: Ders., Ausdruck und Bedeutung. Untersuchungen zur Sprechakttheorie, Frankfurt a. M. 1982, 98–138, 126 f.
79) So etwa L. Röska-Hardy, Metapher, Bedeutung und Verstehen, in: L. Danneberg/A. Graeser/K. Petrus (Hrsg.), Metapher und Innovation. Die Rolle der Metapher im Wandel von Sprache und Wissenschaft, Bern/Stuttgart/Wien 1995, 138–150, 146.
80) Vgl. W. Iser, Die Appellstruktur der Texte, in: R. Warning (Hrsg.), Rezeptionsästhetik. Theorie und Praxis, München 1975, 325–342.
81) Vgl. R. W. Herzog II, Subversive Speech. Jesus as Pedagogue of the Op-ressed, Louisville 1994, 261.
82) Vgl. am Beispiel der Parabeln R. Zimmermann, Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung. Die Historizität der Jesusparabeln im Horizont der Gedächtnisforschung, in: Ders., Hermeneutik (s. Anm. 72), 87–121.
83) Vgl. zu 1Kor 3 C. G. Müller, Gottes Pflanzung, Gottes Bau, Gottes Tempel. Die metaphorische Dimension paulinischer Gemeindetheologie in 1Kor 3,5–17, Fuldaer Studien 5, Frankfurt am Main 1995, der von einer »paränetischen Valenz« (77 f.) spricht, aber die Details der Funktionsweise dieser »metaphorischen Ethik« kaum analysiert.
84) In dieser Weise können auch Autonomie orientierte Ansätze und Etho-Poietik zusammengebracht werden, vgl. dazu S. Goertz, Begründen und Erzählen, in: C. Frevel (Hrsg.), Mehr als Zehn Worte? Zur Bedeutung des Alten Testaments in ethischen Fragen, QD 273, Freiburg i. Br. 2015, 393–414.
85) Ricœur sprach bekanntlich von der Literatur als »Laboratorium des moralischen Urteils«; vgl. P. Ricœur, Das Selbst als ein Anderer, München 1996 (orig. Soi-même comme un autre, Paris 1990), 173.
86) Vgl. S. Sontag, Illness as Metaphor & Aids and Its Metaphors, London 2002; D. Kirklin, Truth Telling, Autonomy and the Role of Metaphor, in: J Med Ethics 33 [2007], 11–14; C. Marks, Metaphors We Heal By: Communicating Pain through Illness Narratives. in: C. Birkle/J. Heil (Hrsg.), Communicating Disease: Cultural Representations of American Medicine. Heidelberg 2013, 291–307; K. Conway, Be-yond Words: Illness and the Limits of Expression, Albuquerque 2013. Ich danke Dr. A. Wohlmann (Mainz) für diese Hinweise.
87) Vgl. P. Copland, Book of Life, in: J Med Ethics 31 [2005], 278–279, 278: »the metaphor used most often has been that of the ›book of life‹ written in the coded sequence of our DNA.« Wie bereits L. E. Kay, Who Wrote the Book of Life? A History of the Genetic Code, Stanford 2000. Die Metapher kommt natürlich aus der Bibel, so z. B. Offb 3,5; 13,8 etc.
*) Zusätzlich zu seiner Professur an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist Zimmermann Research Associate of the Faculty of Theology, University of the Free State, Bloemfontein, South Africa.