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Ausgabe: | Juni/2015 |
Spalte: | 733 |
Kategorie: | Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Udo Rüterswörden, Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn |
Titel/Untertitel: | Horst Seebass zum Gedenken |
Es waren zehn Jahre, von 1989 bis 1999, die Professor Dr. Horst Seebass, verstorben am 12.4.2015 im Alter von 80 Jahren, an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität als Professor für Altes Testament wirkte. Damit schloss er seine wissenschaftliche Laufbahn an dem Ort ab, an dem er sie als Zwanzigjähriger begonnen hatte: in Bonn. Zumindest gilt das für die Theologie; wie manch anderer Alttestamentler hatte er sich zunächst für die Naturwissenschaften interessiert und sich für Mathematik, Physik und Chemie in Tübingen und Göttingen immatrikuliert. Nach dem ersten Examen in der hannoverschen Landeskirche im Juni 1959 bekam er eine Stelle als Hilfsassistent bei Martin Noth, und schon 1962 war die Dissertation in Bonn abgeschlossen, 1964 erfolgte die Habilitation, eine bemerkenswerte Leistung, da er mittlerweile sein Amt als Hebräischlehrer an der Kirchlichen Hochschule Bethel versah. Von 1966–1981 wirkte er an der Universität Münster, zunächst im Rahmen einer Diätendozentur, dann als Professor.
Zu seinem Dienst an der Fakultät gehörte die Übernahme des Dekanats und an der Universität die des Prorektorats für studentische Angelegenheiten vom Wintersemester 1978/79 bis Wintersemester 1981/82. Im Wintersemester 1981/82 wurde er Professor in Mainz. Von dort wechselte er dann 1989 nach Bonn. An unserer Fakultät versah er 1994–1996 das Dekansamt.
Horst Seebass war ein Alttestamentler, der sein Fach in einer ungewöhnlichen Breite und Tiefe vertrat. Akkadisch hatte er in Wien bei Wolfram von Soden gelernt, Ägyptisch bei Emma Brunner-Traut. Er verfasste Monographien zur Biblischen Hermeneutik, zu den Herrscherverheißungen im Alten Testament, zur Josephsgeschichte und zur Thronfolgegeschichte. Ein Anliegen, das ihm auch persönlich wichtig war, kommt in seinem Buch »Der Gott der ganzen Bibel« zum Ausdruck, in dem er den Bezug der beiden Testamente reflektiert. In seiner Bonner Zeit erschienen die beiden Kommentare, die sich noch für lange Zeit mit seinem Namen verbinden werden, zur Genesis und zum Buch Numeri. Es sind Groß-Kommentare und großartige Kommentare. Der erste erschien in vier, der zweite in drei Teilbänden. Trotz des großen Umfangs ist der Stil knapp und zupackend. Wer das erste und letzte Buch des Tetrateuchs kommentiert, kommt nicht ohne eine Theorie zum Entstehen des Gesamtwerks aus, und hier diente Martin Noth als Vorbild. Nach Horst Seebass handelt es sich bei E und J »nur um Hypothesen zur Erschließung von hauptsächlich erzählender Pentateuchliteratur«. Er war allerdings nur dann geneigt, von den Hypothesen abzuweichen, wenn andere Erklärungen die Vielfalt der Einzelphänomene besser erklären konnten. Mit vielen Exegeten, die andere Modelle entwickelten, befand er sich gleichwohl in lebhaftem Austausch.
Zu seinem 65. Geburtstag ehrten ihn Schüler, Kollegen und Freunde mit der Festschrift »Recht und Ethos im Alten Testament«. Damit trafen sie eines seiner Herzensanliegen, die These, dass dem alttestamentlichen Recht die Idee einer Strafe fremd ist.
Prof. Dr. Horst Seebass hat sich als Forscher, akademischer Lehrer und Kollege hohes Ansehen, Freundschaft und Respekt erworben. Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn gedenkt seiner in großer Ehrerbietung und Dankbarkeit.