Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2015

Spalte:

311–312

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Müller, Wolfgang W. [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Kirche und Kirchengemeinschaft. Die Katholizität der Altkatholiken

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich (Edition NZN bei TVZ) 2013. 202 S. = Schriften Ökumenisches Institut Luzern, 10. Kart. EUR 27,70. ISBN 978-3-290-20089-3.

Rezensent:

Martin Bräuer

Der Sammelband hat sich die Aufgabe gestellt, einen Beitrag zur Rezeption des am 12. Mai 2009 von der internationalen Römisch-Katholischen – Altkatholischen Dialogkommission veröffentlichten Grundlagenpapiers »Kirche und Kirchengemeinschaft« zu leis­ten. Im Herbst 2010 wurde am Ökumenischen Institut Luzern eine Studientagung zu diesem »innerkatholischen« Papier veranstaltet, auf die diese Veröffentlichung zurückgeht.
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde versucht, einen Weg zu ebnen, welcher die Basis für die »Heilung der Trennung« zwischen beiden katholischen Kirchen sein kann. Es kam zu einem bilateralen Dialog, der 1968 zu den »Zürcher Nota« führte, wo eine große Übereinstimmung im Glaubensgut und bei der Sakramentenspendung festgestellt wurde. Allerdings wurden die Kommissionsergebnisse von Rom nicht ratifiziert. 2000 kam es dann zu Kontakten zwischen dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen und der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz, in deren Folge eine Gesprächskommission eingesetzt wurde, die zum oben genannten Dialogpapier führte.
Das Sammelwerk enthält u. a. Beiträge von Urs von Arx (Erläuterung der methodischen Arbeit des Dokumentes und Ausblick auf Chancen seiner Rezeption), Harald Rein (Einführung in die pastoraltheologische Thematik), Leonhard Hell (ökumenische Perspektiven des Dokuments aus katholischer Sicht), Ernst Christoph Suttner (Bedeutung des Dokuments für die orthodoxen Kirchen), Matthias Pulte (katholisches Kirchenverständnis aus kirchenrechtlicher Sicht) und Gottfried W. Locher (Wertung des Dokuments aus der Perspektive der reformierten Theologie). Locher fragt aus reformierter Sicht, inwieweit das Ökumenemodell der katholisch-altkatholischen Dialogkommission kompatibel ist. Bei der hier erreichten Übereinstimmung im Kirchenverständnis herrsche gegenüber dem Protestantismus ein »konsensualer Dissens«. Das reformatorische Konzept der ecclesia invisibilis stehe noch immer unversöhnt neben der altkatholischen/römisch-katholischen Vorstellung der Kirche als Mysterium. Zusammenfassend stellt Locher fest:
»Fortschritte auf dem Weg zur altkatholisch-reformatorischen Kirchengemeinschaft (und mutatis mutandis zur Möglichkeit einer römisch-katholischen/reformatorischen Annäherung ecclesiologischer Positionen) bedingen deshalb die Eröffnung eines reformatorischen Zugangs zur sakramentalen Existenz der Kirche. Solange sie nicht gelingt, fehlt die Grundvoraussetzung für Annäherungen mindestens in der Amtsfrage und in der Sakramententheologie. Die ecclesiologische Integration einer sakramentalen Verfassung der geschichtlich manifesten Kirche gehört deshalb prioritär auf die Agenda weiterer ökumenischer Dialoge. Eine Bewegung hin zu einer Kirchengemeinschaft […] bedingt eine Bewegung hin zu einem von allen Traditionen getragenen Kirchenverständnis. Dieses muss vermutlich nicht in alle Aspekte der historisch manifesten Kirche ausdifferenziert werden; aber im Wesentlichen ist Konsens unverzichtbar für Kirchengemeinschaft. Substanzielle nächste Schritte auf dem Weg der Annäherung zwischen altkatholischer bzw. römisch-katholischer Kirche und Kirchen, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind, würden dann denkbar.«
In diese Richtung weist auch der Artikel von Bernd-Jochen Hilberath, der die Studie aus der Perspektive römisch-katholischer Ekklesiologie betrachtet. Er fragt, »wie realistisch ist die Hoffnung, die Verständigung unter Geschwistern könnte Modell auch für andere Verständigungsbemühungen sein«. Also für eine Kirchengemeinschaft mit Rom, welche keine Rückkehr-Ökumene impliziert! Ein Haupthindernis auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft sind noch immer die Papst-Dogmen des Ersten Vatikanischen Konzils. Die Alt-Katholiken »haben aber faktisch immer einen Primat des Papstes anerkannt, wie er der gemeinsamen Tradition des Ostens und des Westens entspricht«. Vor allem geht es darum, »ob die Herleitung des Petrusdienstes als Amt einer Person zwingend aus neutestamentlichen Vorgaben möglich ist und damit als göttlichen Rechts bezeichnet werden könnte«. Hilberath fasst schließlich zusammen: »wenn die römisch-katholische Seite die hier präsentierten ekklesiologischen Grundlagen der Communio-Ekklesiologie in Lehre und Kirchenrecht übernähme bzw. verdeutlichte und festschriebe, dann hätte dieser Bericht zu einem Ergebnis ge­führt, dem Modellcharakter zukommen könnte«.
Es bleibt zu wünschen, dass der weitere Verlauf des Dialoges zu tragbaren Ergebnissen auf dem Weg zur römisch-katholisch/altkatholischen Kirchengemeinschaft führen möge. Er würde einen neuen Impuls für die gesamte Ökumene geben.