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Ausgabe:

Dezember/2014

Spalte:

1531–1533

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Hahn, Judith, Schüller, Thomas, u. Christian Wode

Titel/Untertitel:

Kirchenrecht in den Medien.

Verlag:

Konstanz u. a.: UVK Verlagsgesellschaft 2013. 216 S. m. 30 Abb. Kart. EUR 29,00. ISBN 978-3-86764-448-8.

Rezensent:

Klaus Lüdicke

Man kann sich kaum noch der Zeit erinnern, wo der Katholik die relevanten Informationen über seine Kirche von der Kanzel erwartete oder von den kirchlichen »Blättchen«, die oft von Ordensgemeinschaften herausgegeben wurden. Die sogenannte Kirchenpresse hat sich modernisiert und behauptet, vor allem in Form der diözesanen Kirchenzeitungen, ihren Platz – unterstützt von einzelnen Versuchen, auch andere als die Printmedien zu nutzen (z. B. das Domradio Köln). Wesentlich wichtiger sind für die Information sowohl der Kirchenmitglieder als auch der gesamten Öffentlichkeit die »profanen« Medien, allen voran die öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme. Mit Recht haben die Forscher des Projektes, das dem hier zu präsentierenden Buch zugrunde liegt, den Fokus ihrer Untersuchung auf die Haupt-Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gerichtet und sich auf »Tagesschau« und »Tagesthemen« (der ARD) sowie »heute« und »heute-journal« (des ZDF) beschränkt.
Nach einem kurzen Statement über die Bedeutung von Recht für die Kirche und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit nennen die Autorinnen und Autoren zuerst zwei medienrelevante Vorgänge, die die vorliegende Untersuchung motiviert haben mögen: die »Causa Williamson« und den »Fall Zapp«. Im ersten ging es um die Aufhebung der Exkommunikation des Lefebvre-Bischofs Williamson, der den Holocaust leugnet, im zweiten um den »Körperschaftsaustritt« des Freiburger emeritierten Kirchenrechtlers Hartmut Zapp, der die deutsche Interpretation der innerkirchlichen Wirkungen des Kirchenaustritts in Frage stellen wollte.
Die Studie, die methodisch-interdisziplinär im Feld der Sozialforschung angesiedelt ist, will die Ausgangsthese verifizieren oder falsifizieren, »dass Kirchenrecht in den Berichten über die Kirche regelmäßig seinen Platz hat« – eine These, »die auf der Annahme beruht, dass die Berichterstattung über eine rechtlich organisierte In­stitution wie die Kirche nicht ohne Berücksichtigung ihrer Rechtsgestalt auskommt« (20). Insofern betreten die Autoren Neuland, jedenfalls aus der Perspektive der Kirchenrechtswissenschaft.
Der Leser wird nun in den Untersuchungsplan eingeführt: Die Beschränkung auf die öffentlich-rechtlichen Haupt-Nachrichtensendungen wird ebenso begründet wie die auf das Bezugsjahr 2010, die Wahl der Methode wird erläutert und der Untersuchungsablauf skizziert, bevor »Forschungsfragen« formuliert werden, zu denen jeweils »Hypothesen«, also erwartbare Antworten entworfen werden. So lautet Forschungsfrage 1: »Wie häufig und in welchem Umfang kommen allgemeine Berichte über die Kirchen, Religion und Glaube sowie die Weltreligionen in den täglichen Hauptnachrichtensendungen von ARD und ZDF vor?« Und die zugehörigen Hypothesen lauten: »Beiträge, die die Kirchen, Religion und Glauben sowie die Weltreligionen betreffen, sind häufig/regelmäßig in den täglichen Fernsehnachrichten zu sehen. Und: Wenn derartige Berichte vorkommen, sind es kurze informierende Beiträge.«
Diese Frage und Hypothesen gehören zum ersten Untersuchungsabschnitt, in dem es noch nicht speziell um kirchenrecht-liche Beiträge ging. Der nun geschilderte Arbeitsplan sieht zwei Abschnitte vor, dessen erster sich mit Religion und Kirche befasst, der zweite hingegen mit dem Kirchenrecht in den Medien. Strukturell gleich sind die Verfahren: Es wird das gesamte, über die Mediatheken zugängliche Material gespeichert, dann wird eine Erfassungsmethode konzipiert (Codierung), getestet und verbessert, die erwarten lässt, dass die Daten zu den einzelnen Sendungen unabhängig von der erfassenden Person gleichartig dokumentiert werden. Das codierte Material wird dann auf die Forschungsfragen hin ausgewertet. Dieser gesamte Prozess wird eingehend dokumentiert, die statistischen Befunde werden in Tabellen und Diagrammen veranschaulicht, die Darstellung referiert auch konkrete Zitate aus verschiedenen Sendungen, so dass der Arbeitsbericht lesbar bleibt.
Die Forschungsfragen des zweiten, kirchenrechtlich spezialisierten Abschnitts betreffen Häufigkeit und Umfang der Berichte über kirchenrechtliche Themen, Gleichmäßigkeit der Verteilung über die untersuchten Sendungen, Form und Kontext der Berichte, Gewichtung innerhalb der Sendungen, Art und Weise der Darstellung und die dem Kirchenrecht zugewiesene Funktion. Schließlich wird noch geprüft, welche Rolle Fachleute in den Berichten spielen. Auf sie wird mit Zahlen und in Prosa geantwortet.
Auf diesen Ergebnisbericht folgt ein Abschnitt, in dem die mediale Behandlung relevanter Themen des Jahres 2010 in Fließtext dargestellt wird. Es geht dabei um die Missbrauchsfälle, die Fragen nach der Vertuschung und nach dem Verhältnis der Kirche zum weltlichen Strafrecht aufwarfen; es geht um die Causa Mixa, in der das kirchliche Ämterrecht eine Rolle in der Berichterstattung gespielt hat. Das kirchliche Arbeitsrecht, näherhin die Loyalitätsforderungen und die Kündigungspraxis, werden anhand zweier U rteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte the-matisiert. Breiten Raum nimmt auch das Thema »Gemeinsames Abendmahl, das der Vatikan verbietet« ein, also die Berichterstattung über den Zweiten Ökumenischen Kirchentag in München.
Das Fazit des Buches – die Feststellung eines offenen Unverständnisses für eine kirchliche Rechtsordnung, das weit über eine bloße Fremdheitserfahrung mit diesem unbekannten Recht hinausgeht – weckt Neugier auf die Fortsetzung des Forschungsprojekts in die neuere Zeit hinein.
Der Band ist zunächst für Sozial- und Kommunikationswissenschaftler von Interesse. Dass er in der Kooperation kirchenrechtlicher Lehrstühle – Bochum und Münster – entstanden ist, zeigt, dass sich die Kirchenrechtswissenschaft bewusst ist, nicht nur in einer Innenperspektive arbeiten zu können, sondern auch die Wirkung nach außen reflektieren zu müssen, wenn das Recht in der Kirche wirklich als solches erfahren werden soll.