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Ausgabe:

Dezember/2007

Spalte:

1386 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Werbick, Jürgen

Titel/Untertitel:

Gott verbindlich. Eine theologische Gotteslehre.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 2007. 670 S. gr.8°. Geb. EUR 45,00. ISBN 978-3-451-29379-5.

Rezensent:

Horst Georg Pöhlmann

Es geht nach W. in dieser systematisch-theologischen Gotteslehre darum, »wie der biblisch-christliche Gottesglaube zu einer verbindlichen Sprache findet und wie von dieser Sprache verantwortlich Gebrauch zu machen ist ...«. »Verbindliches Sprechen von Gott kann nicht im Ungefähren und Unbestimmten bleiben und muss sich doch immer wieder neu darüber Rechenschaft geben, wie unendlich weit es hinter dem zurückbleibt, was es hervorgerufen hat – hinter Dem, Der es dazu ruft, sich nach Seiner Zukunft auszustrecken.« »Die systematisch-theologische Gotteslehre lehrt Disziplin, damit die semantische Anreicherung des Sprechens von Gott nicht von der Vereinnahmung durch unbemerkt prägende Selbstverständlichkeiten wie von der Ausschließungsmacht der Definitionen dominiert wird und die Orte zudeckt, an denen das biblische Gotteszeugnis hervorgerufen wurde. Sie will Demut lehren vor den Erfahrungen anderer Menschen in anderen kulturellen und historischen Räumen, damit man nicht zu schnell weiß, was diese Erfahrungen bedeuten.«
W. entwirft eine anspruchsvolle Metatheorie, die sich mit allen gegenwärtigen Problemen der Gotteslehre auseinandersetzt. Entscheidend scheint die Erkenntnis, die sich gegen jede Scholastik stellt, »Gott« ist »mehr als notwendig« und er entzieht sich jedem »Nutzenkalkül« und der Frage, »ob es dem Menschen etwas bringt, an Gott zu glauben«, oder ob er auch ohne ihn gut zurechtkommt. Gott ist »nutzlos« und ein »namenloses Geheimnis«, Gründe verstellen den Grund, er ist »Geschenk« und ihm angemessen ist »die Sprache der Überraschung«. Soweit so gut. Doch macht es sich W. dadurch nicht zu einfach? Die Theologie – zumal die Fundamentaltheologie – hat die Aufgabe, Argumente für Gott und seine Existenz zu bringen, eben aufzuweisen, dass es dem Menschen etwas bringt, an Gott zu glauben. Zumal im Wissenschaftszeitalter von heute, wo nicht bloße Behauptungen, sondern nur Argumente zählen. Es ist nicht nutzlos, an Gott zu glauben, sondern von ho­hem Nutzen für mein Leben. W. hätte den Atheismus ernster nehmen sollen.
Gewiss: »Die Theologie ist gleichsam eine reflektierte Beispielsammlung, die exemplarisch erkennen lässt, wie sich der biblisch-christliche Glaube ... auf die Herausforderungen der jeweiligen Gegenwart einlässt ...«. W. löst diesen Anspruch nicht immer ein, wie etwa in den komplizierten Reflexionen über die Namen Gottes, die Gotteserkenntnis, den Monotheismus, die Theodizeefrage, Gottes guten Willen und die Trinität. Der Nimbus des Schwerverständlichen liegt über diesem Buch, das doch so viele neue Anstöße und Anregungen einzubringen vermag. Der Ausblick am Schluss ist klarer und belohnt den gestressten Leser nach über 600 Seiten mühevoller Lektüre:
»Was mich einnimmt, ist nicht das Es, jedenfalls nicht nur Es. Wenn es nur Es wäre, wäre ich ihm gleichgültig ... Es würde einfach über mich hinweggehen, durch mich hindurchgehen und mich zum Es machen.« »Im Es ist Du, sodass Es nicht mehr das Letzte und Äußerste sein kann. Du hat Es zu sich zurückgeholt, in sich hereingeholt.« »Wo Es mich einzunehmen und ins bloße Es hineinzuziehen scheint, da hat Er? – Sie? – mich dazu hervorgerufen, die Augen aufzuschlagen, um zu sehen, wozu wir berufen sind und woran wir mitwirken dürfen. Das unendliche All des Seienden, in dem ich – von ›außen‹ gesehen – weniger bin als ein Staubkorn, hat eine ›Innenseite‹: Er? – Sie? – hat mich hervorgerufen, damit ich Sein bin, Ihr angehöre und aus diesem Geschenk lebe.« »Dieses Geschenk leben: Wegkommen können von sich selbst, nicht mehr ›alles‹ von mir her und auf mich hin sehen müssen, weil Er mich Seines Wohlgefallens würdigt.« »Einfache Wahrheit des Dreieinen: Gott lebt, weil er als Liebe lebt.« »Christlicher Glaube ist Liebes-Konversion: In der Liebe ist Gott zu finden, nirgends sonst. In ihr ist der ›Hauch der Ewigkeit‹, des Aufatmens, da ich nicht mehr bei mir selber bleiben muss; das Aufatmen, mit dem ich mich hineingeben darf in das göttlich-ewige ... Wohlgefallen. Ihm durfte ich immer schon liebenswert sein. Sein Wohlgefallen macht mich liebenswürdig ... Der ›Hauch der Ewigkeit‹ von weit her ... beatmet die Sehnsucht der Liebe, ihre Um­armungen, ihren Einsatz. Er bewegt sie, wohin sie sich auch bewegt. Es ist nur ein Hauch, mitunter kaum wahrnehmbar nach den Stürmen und Erdbeben und in ihnen (1Kön 19,11–15). Aber eben doch Er selbst, der uns mit sich nimmt in Sein und unser Leben hinein. Das ist die einfach-schwere Bewegung des Glaubens: sich hineintrauen in das Bewegtsein der Liebe, das von so weit herkommt und mich mitnehmen will in die Weite seines und meines Da­sein s– und jetzt auf den anderen hinführt; sich hineintrauen in das Göttliche, da Er sich uns geöffnet hat und zum Du geworden ist. Mehr nicht. Weniger nicht.«