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Ausgabe:

Dezember/2007

Spalte:

1358–1360

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Heussler, Carla

Titel/Untertitel:

De Cruce Christi. Kreuzauffindung und Kreuz­erhöhung: Funktionswandel und Historisierung in nachtridentinischer Zeit.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2006. 512 S. m. Abb. u. Tab. gr.8° = Ikon – Bild und Theo­logie. Kart. EUR 64,00. ISBN 978-3-506-71373-5.

Rezensent:

Gerlinde Strohmaier-Wiederanders

Kreuzverehrung und Kreuzikonographie sind Themen, die immer wieder Untersuchungen herausfordern. Das ist nicht verwunderlich, denn das Kreuz Christi ist der zentrale Inhalt, die Grundvoraussetzung und das Wesensmerkmal der christlichen Verkündigung. Dementsprechend gibt es auch eine Ikonographie des Kreuzes und dem Kreuz verwandter Themen wie Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung und Untersuchungen dazu. Doch war dabei selten die nachtridentinische Zeit im Blickfeld. Umso erfreulicher ist es, dass sich eine kunsthistorische Dissertation jetzt diesem Thema gewidmet hat. Behandelt wurden vor allem zyklische Darstellungen zum Thema »Kreuzauffindung« und »Kreuzerhöhung« zwischen 1465 und 1763, also einer großen Zeitspanne vom Spätmittelalter über die Reformationszeit bis zur nachtridentinischen Zeit, die noch bis in die Epoche der Aufklärung ausgedehnt wird.
Doch bevor die Bilder im Einzelnen vorgestellt und analysiert werden, befassen sich zwei große Kapitel mit der Geschichte der Kreuzverehrung, ihrer historischen Überlieferung und den Kreuzauffindungslegenden. Das beginnt mit Konstantins Sieg an der Milvischen Brücke 312, der Reise der Kaiserinmutter Helena in das heilige Land, geht über die frühmittelalterliche Kreuzverehrung und die Geschichte der Kreuzzüge zur Ablasspraxis und Wallfahrtsfrömmigkeit bis zur Reformation und deren Theologia crucis, um dann auf die tridentinische und nachtridentinische Kreuzverehrung und die Exercitia spiritualia des Ignatius von Loyola einzugehen, ein sehr großer geschichtlicher Bogenschlag also. Ein großes Kapitel ist dann noch der hagiographischen und legendarischen Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung gewidmet einschließlich der reformatorischen Kritik daran.
Der umfangreichste Textteil widmet sich der Ikonographie der Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung seit etwa 1500, wobei italienische und süddeutsche Beispiele den größten Raum einnehmen. Der Anhang bietet einen gut gearbeiteten Katalog der zyklischen Beispiele und eine tabellarische Übersicht der Quellen. Alles in allem eine eindrucksvolle Arbeit mit vielen Detailinformationen.
Dass man trotzdem bei der Lektüre nicht ganz froh wird, liegt an einer unbefriedigenden Verarbeitung der historischen Zusam­menhänge, was sehr häufig zu Tage tritt. Das beginnt bei dem Faktum des Kreuzzeichens (21 f.). Die Vfn. bezieht das ausschließlich auf die Politik Konstantins und überlegt, wie weit es mit dem Symbol des hebräischen Tau zusammenhängen könnte. Dass der Ausgangspunkt für das Kreuzzeichen die Kreuzigung Jesu und die Bedeutung des Kreuzestodes für den Glauben der Christen sein könnte, scheint sie nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen (vgl. 22). Mit dieser Ignoranz belastet sie aber ihre weiteren Ausführungen, vor allem die theologiegeschichtlichen. In Nicäa z. B. ging es nicht in erster Linie um die göttliche Natur Christi, sondern um sein Verhältnis zu Gottvater (wesenseins oder wesensähnlich). Welches Gewicht bei der Verehrung der Kreuzreliquie die schon im 3. und 4 .Jh. entwickelte Volksfrömmigkeit (bzw. Gemeindefrömmigkeit) hatte, kommt ebenfalls nicht so recht in den Blick, müsste aber bedacht werden, um den »Erfolg« des Kreuzauffindungsberichtes durch Helena zu verstehen. Darum sieht die Vfn. die Geschichte der Kreuzverehrung ausschließlich unter dem Aspekt der Herrschaftssymbolik (31), wobei auch der entsprechende TRE-Artikel von Ulrich Köpf (vgl. Anm. 75) missverstanden wird.
Vielleicht liegt diese unbefriedigende Darstellung auch an der – freilich unumgänglichen – Kürze, weshalb eventuell auf die Ge­schichte der Kreuzverehrung in der Alten Kirche hätte verzichtet werden können. Wie weit und auf welche Weise die Kreuzverehrung Einfluss auf die Kreuzzugsbewegung hatte, ist eine sehr umfassende Frage, die hier gleichfalls zu verkürzt behandelt wird. Sehr problematisch ist aber, dass die Vfn. die Epoche der Kreuzzüge, die nach gängiger Einteilung 1291 mit dem Fall Akkons endet (vgl. F. Winkelmann, Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, I, 10), bis zum 16. Jh. ausdehnt und den Kampf gegen die türkische Expansion auch als Kreuzzüge bezeichnet. Versteht sie jede militärische Auseinandersetzung mit einem muslimischen Heer als Kreuzzug?
Ein Kapitel ist der reformatorischen Kritik gewidmet, was insofern berechtigt ist, als die tridentinische und nachtridentinische Kreuzverehrung eine Reaktion darauf darstellt. Aber auch hier zeigt die Vfn. Verständnisschwierigkeiten. Das gilt z. B. für die Sa­kramentenlehre (45) und vor allem für die Theologia crucis. Luther propagierte nicht »Nachfolge im Leiden« (das begegnet uns eher bei den Mystikern), sondern »Nachfolge auch im Leiden«. Entscheidend an der Theologia crucis ist das Gnadenhandeln Gottes. Die Vermischung von Kreuzverehrung, Ablasskritik und Bilderstreit (52–56) zeigt ebenfalls, dass es der Vfn. offenbar schwerfällt, theologische Fragen zu gewichten. Das setzt sich bei der tridentinischen Theologie fort, wobei sie auch kirchengeschichtliche Darstellungen missversteht, z. B. auf S. 61 Ernst Koch in »Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen« II/8, 104.
Die Reihe der Monenda zur Kirchengeschichte ließe sich fortsetzen. Nur noch eins: S. 137 vermutet die Vfn., dass in dem norddeutschen und östlichen Teil des Reiches Bilder zur »Kreuzauffindung« dem reformatorischen Bildersturm zum Opfer gefallen seien. Da wäre mehr Präzision hilfreich: Wo in Norddeutschland sind Bilderstürme belegt?
Die Beispiele zum Kreuzesthema werden zuerst aus den Reichsstädten Nürnberg und Augsburg vorgestellt, deren Ikonographie höchst interessant ist, wie z. B. beim »Kaiserfenster« in St. Lorenz. Aber gut wäre es gewesen, wenn zur Beziehung zwischen Kreuzzyklen und den Habsburgern mehr Belege vorgestellt worden wären. Gut ist die Xantener Tafel analysiert (187) ebenso wie die Nassauer Tafel (191). Am umfangreichsten sind Verbreitung und ikonographische Entwicklung in Italien. Die Beschreibung und Analyse, auch im Zusammenhang der jeweils regionalen Gegebenheiten, ist durchaus gut gelungen, auch hinsichtlich der Staurotheken. Hier erweist sich die Vfn. als ausgesprochen kompetent und vermittelt dem Leser wichtige Detailinformationen, auch wenn alle frömmigkeitsgeschichtlichen Aspekte der Kreuzverehrung nicht erfasst werden (vgl. 215). Ähnliches lässt sich von den liturgischen Ent­wick­lungen und der Bedeutung der Eschatologie sagen (227 f.). Da­gegen erscheinen die Gründe für eine Neudatierung der Fresken von Circignani in der Helena-Kapelle von Santa Croce Gerusalemme (Rom) überzeugend.
Interessant ist ein zu beobachtender Wandel der Ikonographie, für den die Vfn. – sicher zu Recht – den Einfluss des Humanismus ausmacht. Allerdings sollte dabei die katholische Reform in Italien genauer erfasst werden und ebenso die Anliegen der Confraternita der SS Crocifisco-Bruderschaft (241).
Bruderschaften als Ausdruck eines Semireligiosentums sind wesentlicher Bestandteil der katholischen Laienfrömmigkeit seit dem Mittelalter. Auch für das Kreuzfindungsthema in Süddeutschland kommen bestimmte religiöse Bewegungen in Frage, die aber nur gestreift werden. Warum z. B. sehr viele Bild-Beispiele dazu in Augsburg vorkommen, wird nicht reflektiert (339). Auch die nachtridentinische Frömmigkeit hätte ausführlicher behandelt werden müssen, um dem ikonographischen Wandel des Kreuzthemas gerecht zu werden (341). Dass Beispiele im 18. Jh. vorkommen, ist interessant, da unter dem Einfluss der Aufklärung gerade kirchenleitende Entscheidungsträger alte Frömmigkeitstraditionen zurückzudrängen suchten. Allerdings hielt das Kirchenvolk weitgehend trotzdem an den alten Themen fest (gegen 345).
So bleibt, obwohl die Arbeit viele bemerkenswerte Informationen bietet, noch viel zu tun am Thema der nachtridentinischen Kreuzverehrung und der Ikonographie der dazu gehörenden Bilder.