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Ausgabe:

Dezember/2007

Spalte:

1319–1321

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Ulrichs, Karl Friedrich

Titel/Untertitel:

Christusglaube. Studien zum Syntagma πίστις Χριστοῦ und zum paulinischen Verständnis von Glaube und Rechtfertigung.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2007. XI, 311 S. gr.8° = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 227. Kart. EUR 64,00. ISBN 978-3-16-149216-7.

Rezensent:

Roland Bergmeier

Diese Arbeit wurde, wie U. im Vorwort erzählt, nach einer langen Vorgeschichte schließlich doch noch »neben den Anforderungen des Pfarramts« fertiggestellt, so dass die »Promotion durch den Fachbereich 1 der Universität Siegen im Wintersemester 2005/06« erfolgen konnte. Ihr Anliegen ist es, »die nun über hundert Jahre geführte Diskussion« (68) um das philologisch und theologisch um­strittene »Problem des paulinischen Syntagmas πίστις Χριστοῦ (Röm 3,22.26; Gal 2,16.21 [sc. 20]; 3,22; Phil 3,9; 1 Thess 1,3)« (V) 1. »aus der Dichotomie von genitivus subiectivus und obiectivus« herauszuführen, 2. den etwas verborgenen Beleg 1Thess 1,3 in die Debatte einzubeziehen, 3. den von Paulus in theologischer Arbeit errungenen Glaubensbegriff »an Hand von πίστις Χριστοῦ als der Schnittstelle von Soteriologie und Christologie« nachzuzeichnen und 4. die paulinische »Integration verschiedener soteriologischer Modelle« durch das Syntagma πίστις Χριστοῦ auszuweisen (VI). »Nach der in Kapitel 1 vorgelegten systematisierenden Übersicht über Problemstellung und Forschung werden in den nächsten drei Kapiteln die Belege eingehend untersucht. … Nach Detailfragen, die den Spezifika des betreffenden Textes gelten, schließt jedes Kapitel, indem der Ertrag für die πίστις-Χριστοῦ-Frage zusam­mengefasst wird« (69 f.) Hier ist sogleich eine der vielen Inkonsistenzen des Buchs zu notieren: Die ›drei Kapitel‹ sind die exegetischen Kapitel 2–5 (71–247), also vier, den »Ertrag für die πίστις-Χριστοῦ-Debatte« formuliert U. nicht am Ende jedes Kapitels, sondern nach der jeweils getrennten Untersuchung der einzelnen Belegstellen, also zu 1Thess 1,3 (92 f.); Gal 2,16a.c (131 f.).20 (139 f.); 3,22 (148); Röm 3,22 (192–194).26 (221); Phil 3,9 (245–247). Zusam­mengehörendes (Gal 2,15–21; Röm 3,21–26) wird so leider auseinandergerissen. Nach dem 6. Kapitel »Theologische Auswertung und Perspektiven: πίστις Χριστοῦ und partizipatorische Soteriologie« folgt ein »Summary«, sinnvoll zumal, da sich U. insbesondere mit dem weitgehenden Konsens »über den genitivus subiectivus« auseinandersetzt, der »in der angelsächsischen Forschung« bestehe (3) bzw., wie U. auch schreibt, in der nordamerikanischen (34). Literaturverzeichnis, Bibelstellenregister (dem aber auch Philo, Josephus, Plutarch und Thukydides subsumiert sind), Autoren- und Sachregister (Konvolut aus selektivem griechischen Wort- und eigentlichem Sachregister) beschließen das Buch.
Was bezeichnen nun die Formulierungen πίστις Χριστοῦ (Gal 2,16; Phil 3,9), πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ (Röm 3,22) bzw. πίστις Χρισ­τοῦ (Röm 3,26), πίστις ἡ τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ (Gal 2,20): Glaube, den Jesus selbst in seinem Leiden und Sterben unter Beweis gestellt hat (genitivus subiectivus), oder Glaube der Glaubenden, der sich auf Christi Tod und Auferstehung bezieht (51.54.93.96.98.101115.157. 242–244), so dass Χριστοῦ als »genitivus obiectivus zur Bezeichnung des Inhalts« aufzufassen ist (25)? U. resümiert: »Mag eine Interpretation als bloßer genitivus obiectivus bisweilen kurz greifen, so kommt jedenfalls dem Verständnis als subjektiver Genitiv im Sinne eines von Jesus selbst praktizierten ›Glaubens‹ im Horizont pauli­nischer Christologie und Soteriologie kaum Wahrscheinlichkeit zu. Philologisch wie theologisch ist der Beweis dafür schwerlich zu erbringen« (251 f.). Insofern ist es durchaus erfreulich, dass U. die Absicht, die πίστις-Χριστοῦ-Debatte aus der Dichotomie von genitivus subiectivus und obiectivus zu befreien, weil diese Dichotomie philologisch allzu simpel sei (VI), nicht verwirklicht hat. Umstritten wie das Verständnis des Syntagmas πίστις Χριστοῦ ist in der heutigen Forschung die Deutung seines Antonyms ἔργα νόμου. Wie hat nun U., eingespannt zwischen dem akademischen Dank an O. Hofius, der die Arbeit für die vorliegende Veröffentlichung empfohlen hat (VI), und dem Doktorvater M. Bachmann, den Streit um das Verständnis des Syntagmas ἔργα νόμου gelöst oder entschieden? In der Forschung würden im Wesentlichen fünf Interpreta­tionen vorgetragen (125–127), wobei er die von O. Hofius und auch J. Eckstein nicht eigens als sechste anführt, sondern nachträglich einmischt, ohne sich den Unterschied zwischen »Vorschriften« (51) und Tun der Tora (129), zwischen »nicht als Gesetzeserfüllung zu verstehen« (51) und »Gesetzesgehorsam« (98) klarzumachen. Zutreffend beobachtet U., dass sich das paulinische Syntagma πίστις Χριστοῦ dadurch auszeichnet, dass es fast durchweg in Aussagen zur Rechtfertigung steht und generell »das artikellose nomen regens einer Präposition folgt« (6 f.). Fügt man noch hinzu, dass dieses Syntagma nie mit einem Personalpronomen verbunden ist, wird vollends unverständlich, wie U. die ganz anders geartete Stelle 1Thess 1,3 in die Untersuchung mit einbeziehen konnte. Der Frage, ob und wie die thematische, terminologische und syntaktische Gleichförmigkeit der Belege Röm 3,22.28; Gal 2,16; Phil 3,9 auf vorpaulinischen, speziell antiochenischen Ursprung zurückzuführen ist, hat sich U. nur ganz unsystematisch genähert und dabei eine Reihe von Antworten notiert, die inhaltlich nicht zusammenpassen:
Aus (wohl/freilich/sicher) antiochenischem Sprachgebrauch über­nimmt Paulus, dass das δικαιοῦσθαι des Menschen διὰ πίσ­τεως geschieht; er reformuliert διὰ πίστεως Χριστοῦ (31 f.118.154), während die »Formulierung mit ἐκ in Gal 2,16c sich ganz dem Antonym έξ ἔργων νόμου schuldet« (31). Der Konsens zwischen Paulus und seinen Kontrahenten liege, so S. 124, offensichtlich nur in der positiven Bestimmung des δικαιοῦσθαι ἐκ πίστεως Χρισ­τοῦ, »während der Schluss auf die negative Bewertung der ἔργων νόμου (im Zusammenhang mit der Rechtfertigung) strittig ist«. Nach S. 132 war aber in der von Paulus aufgenommenen Tradition die πιίστις schon den ἔργα νόμου gegenübergestellt.
In der Literaturverarbeitung und in vielerlei philologischen Analysen und Einzelbeobachtungen leistet das Buch wertvolle Dienste. Gründlicheres Korrekturlesen hätte ihm aber gutgetan (zwei Beispiele für viele: ἀσέβεια statt εὐσέβεια, 41, »für griechischen πιστ-«, 50). Das Verstehen wird dem Leser nicht immer leicht gemacht, sei es durch Verschachtelung oder durch Präpositionalstil, sei es durch hängende Fragesätze, die eher irritieren als zum Nachdenken führen. Manchmal scheint U. allerdings einfach witzig sein zu wollen: »Ein interessanter Genitiv, ist es nicht?« (247, Anm. 125). Den Abschnitt »4.2.5 Sühne, Rechtfertigung, Glaube« (190–192) beschließt U. mit Fragen ohne Antwort und lässt dann unter »4.2.6 Ertrag für die πίστις-Χριστοῦ-Debatte« (192–194) gleichfalls förmlich viele Fragen offen, denn Röm 3,21–26 sei vor allem ein Lehrstück für theologische – Fragen« (192).