Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2007

Spalte:

1304 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bae, Hee-Sook

Titel/Untertitel:

Vereinte Suche nach JHWH. Die Hiskianische und Josianische Reform in der Chronik.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2005. XII, 242 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 355. Lw. EUR 78,00. ISBN 3-11-018451-6.

Rezensent:

Bernd U. Schipper

Nachdem die Forschung in jüngerer Zeit eher die Frage nach dem historischen Gehalt der Berichte über die Reformen des Josia und des Hiskia diskutierte, setzt diese bei Rainer Albertz in Münster entstandene Dissertation bei der literarischen Überlieferung an. Thema ist die Darstellung der Hiskianischen und Josianischen Reform in den Chronikbüchern (2Chr 29–32; 34–35). Dabei besteht der Ansatz der Studie darin, den inneren Zusammenhang zweier oftmals von der Forschung diskutierter Thesen aufzuzeigen: das Interesse des Chronisten am Jerusalemer Kult (so z. B. W. Rudolph oder L. C. Jonker) und die gesamtisraelitische Orientierung (H. G. M. Williamson, S. Japhet u. a.).
Ausgehend von dem bibelkundlichen Befund und der Exegese der relevanten Texte untersucht der Vf. die Israelkonzeption des Chronisten, wie sie in 2Chr 30; 31,1.4 ff.; 24,4.7a; 9; 33 u. ö. zu finden ist. Ein Vergleich mit der Ahas-Erzählung in 2Chr 28 und der weiteren Darstellung der Geschichte Judas verhilft dazu, die Israel-Konzeption des Chronisten genauer zu fassen: Es geht – so die These der Arbeit – darum, das Südreich als legitimen Nachfolger der davidisch-salomonischen Monarchie darzustellen, wobei das leitende Interesse dem Kult gilt. Der Chronist deutet den Untergang des Nordreiches positiv, da so der Boden für einen einheitlichen Kult und ein gemeinsames »Israel« bereitet wird (vgl. die Bezeichnung Ahas’ in 2Chr 28,19 als »König von Israel«). Davon ausgehend erscheint die Reform Hiskias als ein erster Versuch, einen einheitlichen Kult zu installieren, an dem auch Nordisraeliten teilnehmen konnten (2Chr 30,18–20). Dem entspricht die Darstellung der Josianischen Reform, die ebenfalls ganz Israel gilt (2Chr 34,9; 35,1. 18). Dies ist zugleich der Grund für die Akzentverschiebung beim Chronisten von Josia zu Hiskia gegenüber der Geschichtsdarstellung des Deuteronomistischen Geschichtswerkes.
Die plausible These gewinnt dadurch an Bedeutung, dass sie nicht nur bisherige Erklärungsansätze (G. von Rad, H. G. M. Wil­liamson, S. Japhet) miteinander synthetisiert, sondern eine zu­nächst von Ehud Ben-Zvi entwickelte These nun auf die Gesamtkonzeption des Chronisten ausweitet: die »Suche nach JHWH« als verbindende Klammer zwischen kultischem Interesse und gesamt­israelitischer Ausrichtung. Damit verbunden ist eine Aufwertung des Standes der Leviten, die sowohl bei Hiskia (2Chr 29,5–19) als auch bei Josia (2Chr 35,3–15) zunächst ad hoc eingesetzt werden, sich jedoch dann bewähren. Die Aufwertung der Leviten bei gleichzeitiger Betonung der Tora markiert das Spezifikum der Darstellung der Reform Hiskias-Josias und die Verbindung zur davidisch-salomonischen Epoche. So erscheint letztlich die Zeit Hiskias und Josias als eine zweite Gründungszeit Israels.
Historisch speist sich diese Sicht – so der Vf. in Aufgriff einer These von R. Albertz – aus dem Gegenüber von Garizim-Tempel und dem Jerusalemer Heiligtum, wobei die Position des Chronis­ten eine »großisraelitische« war, die versuchte, die verschiedenen Gruppierungen im Sinne einer »vereinten Suche nach JHWH« zu­sammenzuführen.
Genau an diesem Punkt wäre es jedoch spannend gewesen, der Frage nach dem ›Torabezug‹ näher nachzugehen. Welche Größe verbirgt sich dahinter, wenn sich einerseits Formeln wie »nach der Vorschrift« (30,16; 35,13) oder »wie geschrieben steht« (30,5.18; 31,3) finden und andererseits auf »die Worte JHWHs« (29,15) bzw. dessen Tora (31,3) oder die »Tora Moses« (30,16) Bezug genommen wird? Lässt sich hier eine Synthese verschiedener Tora-Konzeptionen erkennen, die womöglich im Zusammenhang mit der vermittelnden Position des Chronisten steht in Bezug auf die Größe ›Israel‹? So betont der Vf. selbst, dass einerseits der Torabezug darin besteht, sich auf einzelne Torabestimmungen zu berufen, jedoch andererseits »eine Auswahl unterschiedlicher Tora-Traditionen« bzw. de­ren »Kombination« zu erkennen ist (158). Und schließlich wäre zu fragen, wie sich der Torabezug hier zu anderen Konzeptionen von Tora, respektive Torafrömmigkeit in der nachexilischen Literatur verhält, gerade wenn ›Tora‹ in jener Zeit nicht nur kanonisch-pentateuchische Stoffe bezeichnet (vgl. L. Hänsel, Studien zu »Tora« in Esra-Nehemia und Chronik. Erwägungen zur Bezugnahme auf הרות, טפשׁמ, רבד, הוצמ, קוח in Esra-Nehemia und Chronik im Horizont frühjüdischer Texte, Diss. Leipzig 1999).
Insgesamt handelt es sich um eine solide und aufschlussreiche Arbeit, die – gerade in der Fortführung der genannten These Ehud Ben-Zvis – einen wichtigen Beitrag zur nachexilischen Literatur- und Theologiegeschichte leistet.