17.03.2020

Einladung zur Summer School »Daten zum Sprechen bringen – Strategien der Auswertung im Bereich qualitativer Religionsforschung« für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Praktischen Theologie und Religionspädagogik am 30./31. Juli 2020, Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Zielsetzung und Angebot
Wer ein qualitativ-empirisches Forschungsvorhaben verfolgt, steht immer wieder aufs Neue vor der Aufgabe, ein passendes Verhältnis zwischen Forschungsfrage, Datenerzeugung und Auswertungsverfahren zu suchen. Die Summer School geht diese Herausforderung vonseiten der Datenanalyse an: Im Fokus steht die Frage der Auswertung.
Angeleitet durch erfahrene und in Methodenfragen der qualitativen Religionsforschung eingearbeitete Wissenschaftler reflektieren die Workshopteilnehmenden auf praktische Fragen der Auswertung und erproben anhand von konkretem Material unterschiedliche Möglichkeiten, ihre Daten ›zum Sprechen‹ zu bringen.
Die Summer School bietet dazu zwei parallel ablaufende Workshops an, die in jeweils unterschiedliche Strategien der Datenanalyse einführen. Interessierte sind eingeladen, an einem der Workshops entweder in ›aktiver‹ Form teilzunehmen; in diesem Fall bringen sie Material aus der eigenen Forschung ein. Oder sie beteiligen sich als ›passive‹ Teilnehmende an den Workshops, um sich am Beispiel der Bearbeitung von Materialien anderer Orientierung über verschiedene Strategien der Auswertung zu verschaffen und sich für die eigene analytische Arbeit inspirieren zu lassen.
Zur Teilnahme an der Summer School ist es nicht erforderlich, in der eigenen Forschung schon vorangeschritten zu sein. Es besteht dezidiert die Möglichkeit, Forschungsprojekte in ganz unterschiedlichen Stadien zu bedenken und zu diskutieren.


Workshops:

Workshop 1: Grounded Theory

Leitung: Dr. Torsten Cress (Mainz)
Die Grounded Theory ist eines der am weitesten verbreiteten Analyseverfahren der qualitativen Forschung. Über eine Reihe von Verfahren insbesondere des Kodierens, mit denen ein jeweiliges Datenmaterial systematisch aufgebrochen, zergliedert und so für einen abstrahierenden Zugriff verfügbar gemacht wird, sollen neue Themen und verdeckte Ordnungen im Material entdeckt und herausgearbeitet werden. Ziel der Arbeit mit der Grounded Theory ist somit die empiriebasierte Generierung neuer Theorien sowie die Modifikation und Irritation hergebrachter Theorien und Wissensbestände. Nicht zuletzt für die Religionsforschung lässt sich die Grounded Theory nutzbar machen, zielt sie doch auf die Analyse und Rekonstruktion konkreter Alltags- und Handlungspraxis ab, deren innere Zusammenhänge und Logiken mit einem kritisch-distanzierten Blick neu verständlich werden. Dabei erlaubt die Methodologie eine Integration und Triangulation verschiedener Datensorten wie Beobachtungsprotokollen aus der direkten und teilnehmenden Beobachtung, Interviewtranskripten oder audio-visuellen Aufzeichnungen. Der Workshop führt in die Methodologie der Grounded Theory ein, erörtert Verfahren des Kodierens, des Verfassens analytischer Notizen, Strategien des Vergleichs und der Generierung von Memos und schlägt auf diese Weise die Brücke von den ersten Analyseschritten hin zur Verfassung von Forschungstexten. Praktische Übungen stehen dabei im Mittelpunkt des Workshops.

Workshop 2: Ethnografische Sequenzanalyse
Leitung: Magnus Frank (Dortmund)
Als Charakteristika des ethnografischen Arbeitens gelten insbesondere ein offenes und exploratives Vorgehen, bei dem in einem zirkulär angelegten Forschungsprozess permanent neue Fokussierungen, Fragestellungen und methodische Zuspitzungen vorgenommen werden können, sowie die große Bedeutung, die der Reflexion der Subjektivität der Forschungsperson zugemessen wird. Der Workshop zur Ethnografischen Sequenzanalyse geht der Frage nach, wie sich beides, Reflexivität und methodische Variabilität, im Zusammenhang der Auswertungspraxis konkret geltend machen lässt. In der gemeinsamen Analyse mit den Teilnehmenden des Workshops wird versucht, kleinschrittig den Eigensinn des Datenmaterials herauszuarbeiten. Vor dem Hintergrund der umrissenen Spezifik ethnografischen Forschens liegt der Schwerpunkt dabei auf drei Aspekten: Erstens wird dem Verhältnis zwischen der beobachteten Praxis und ihrer Versprachlichung in den Protokollen nachgegangen, das in vielen Fällen Aufschluss über die impliziten Wissensbestände, stillschweigenden Routinen und nichtdiskursiven Elemente des Feldes gibt. Ein besonderer Stellenwert wird zweitens der Genese der Daten zukommen, wobei insbesondere das Wissen der Ethnografierenden über das ›Feld‹ und ihre Rolle darin in die Analyse miteinzubeziehen sind. Auf diese Weise können die Teilnehmenden des Workshops an der Analyse von Datenmaterial erlernen, wie dem für qualitative Forschungen insgesamt zentralen Gütekriterium der Reflexivität im Vollzug der Auswertung praktisch Rechnung getragen wird. Ein dritter Schwerpunkt liegt schließlich darin, für die jeweiligen Forschungsprojekte produktive thematische und methodische Neuorientierungen für den weiteren Forschungsprozess anzuregen. Der Workshop soll damit insgesamt konkrete Hilfestellungen für die jeweiligen Forschungsprojekte bieten, indem das Datenmaterial im Analyseprozess vergegenwärtigt, verdichtet bzw. entdeckt und (neu) fokussiert wird.


Teilnahme und Anmeldung:
Die Summer School eröffnet zwei Möglichkeiten der Teilnahme:
– ›Aktiv‹ Teilnehmende erstellen ein ca. 1-seitiges Exposé ihres Forschungsvorhabens mit Angabe der Forschungsfrage und der Art des Zugangs und bringen Auszüge aus ihrem Datenmaterial ein, die im Workshop reflektiert und diskutiert werden.
– ›Passiv‹ Teilnehmende verschaffen sich Orientierung über einen Forschungsstil, indem sie am Beispiel des Materials anderer analytische Gehversuche unternehmen und Impulse für die eigene Forschungspraxis gewinnen. Das im Workshop besprochene Material geht ihnen vorab zur Vorbereitung zu.

Für eine ›aktive‹ Teilnahme stehen 6 Plätze zur Verfügung. Übersteigt die Zahl der Anmeldungen für eine ›aktive‹ Teilnahme die 6 Plätze, treffen die Workshopleiter nach Maßgabe der Lernziele ihrer jeweiligen Arbeitsgruppe eine Auswahl. Diejenigen, die aufgrund dieser Beschränkung nicht berücksichtigt werden können, sind gleichwohl eingeladen, an der Summer School in ›passiver‹ Form teilzunehmen. Bewerberinnen und Bewerber für eine ›aktive‹ Teilnahme werden bis Ende Juni 2020 informiert, ob ihr Projekt in einer der Arbeitsgruppen diskutiert werden kann.


Anmeldung:
Bis 14. Juni 2020 unter katharina.krause@uni-tuebingen.de
Im Falle einer intendierten ›aktiven‹ Teilnahme mit Exposé (ca. 1 Seite) und aufbereitetem Datenmaterial (Umfang abhängig vom Material; max. 20 Seiten)


Teilnahmegebühr:
30 Euro für ›aktiv‹ Teilnehmende
15 Euro für ›passiv‹ Teilnehmende

Eine Aufforderung zur Überweisung der Teilnahmegebühr ergeht gesondert. Der Betrag ist dann bis spätestens zum 14. Juli 2020 zu überweisen. Im Falle einer Absage nach dem 14. Juli 2020 kann die Teilnahmegebühr nicht mehr zurückerstattet werden.
Hinweis: Mitglieder des Arbeitskreises Empirische Religionsforschung e. V. haben die Möglichkeit, einen formlosen Antrag auf Bezuschussung ihrer Teilnahme an die Schatzmeisterin des Vereins, Prof. Dr. Kristin Merle (kristin.merle@uni-hamburg.de), zu richten. Über die Anträge entscheidet der Vorstand.


Ablauf:

Donnerstag, 30. Juli 2020

13.30–13.45 Uhr: Anmeldung und Kaffee

13.45–14.00 Uhr: Begrüßung

14.00–14.45 Uhr: Round Table: Die Praxis der Auswertung und die Frage der Normativität

15.00–15.30 Uhr: Vorstellung in den Arbeitsgruppen und Einführung in den modus operandi

15.30–18.45 Uhr: Sitzung 1 der beiden Arbeitsgruppen

Ab 19.00 Uhr: Gemeinsames Abendessen


Freitag, 31. Juli 2020
09.00–12.15 Uhr: Sitzung 2 der beiden Arbeitsgruppen

12.15–13.30 Uhr: Mittagspause

13.30–16.30 Uhr: Sitzung 3 der beiden Arbeitsgruppen

16.30–17.00 Uhr: Abschlussplenum


Veranstaltungsort:
Goethe-Universität Frankfurt
Campus Westend
I.G.-Farben-Haus
Norbert-Wollheim-Platz 1
60323 Frankfurt a.M.
Raum 311


Die Summer School wird organisiert von:
Dipl.-Theol. Anne Gilly
Wissenschaftliche Angestellte am Fachgebiet Praktische Theologie, Goethe-Universität Frankfurt am Main
gilly@em.uni-frankfurt.de

Dr. Katharina Krause
Wissenschaftliche Angestellte am Lehrstuhl für Praktische Theologie III, Eberhard Karls Universität Tübingen
katharina.krause@uni-tuebingen.de

Dr. Manuel Stetter
Landeskirchlicher Assistent am Lehrstuhl für Praktische Theologie III, Eberhard Karls Universität Tübingen
manuel.stetter@uni-tuebingen.de