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Ausgabe:

1995

Spalte:

157-159

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hennings, Ralph

Titel/Untertitel:

Der Briefwechsel zwischen Augustinus und Hieronymus und ihr Streit um den Kanon des Alten Testaments und die Auslegung von Gal. 2, 11-14 1995

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 2

I5S

wegen angeblicher Großzügigkeit. Toleranz. Kon/.ilianz oder
dergleichen - Prudentius ist genauso wenig .tolerant' wie St.
Ambrosius. St. Augustin. St. Gregor oder sonst einer der Vater"
(148). Solche Deutung der Quellen schadet der Kirche: Feinde
des Christentums können sich auf G. berufen, der die (leider
mitunter vorhandene) Intoleranz in der Alten Kirche lobt als
notwendige Holge eines ..allgemeinen Prinzips". Zutreffende
Beobachtungen über das altkirchliche Verbot der Bekränzung
(158f.) und der Instrumentalmusik (159-162) beurteilt G. in seiner
Sicht konsequent: „Auch solche Maßnahmen der frühen
Kirche, die uns heute hart erscheinen, wie eben die Abweisung
der Instrumentalmusik, müssen im Lichte ihrer Methode gesehen
werden" (164). Die Freude über die vielen altkirchlichen
Zitate wird durch merkwürdige Deutungen getrübt. Band I wurde
vom katholischen Institut für Missionswissenschaften mitgetragen
. Band II nicht mehr.

Rostock Gert Haendler

Hennings, Ralph: Der Briefwechsel zwischen Augustinus
und Hieronymus und ihr Streit um den Kanon des Alten
Testaments und die Auslegung von Gal 2,11-14. Leiden-
New York-Köln: Brill 1994. XI. 396 S. gr.8» = Supplements
to Vigiliae C'hristianae. 21. Lw. hfl. 175.-. ISBN 90-04-
09840-2.

Die Heidelberger Diss. theol. (1992) stellt zu dem schon viel
erörterten Briefwechsel fest, daß „sich manche Briete gekreuzt
haben und andere erst sehr spät ihren Adressaten erreichten"
(17). 18 Briefe aus den Jahren 395-420 werden detailliert vorgestellt
und eingeordnet (29-62). Kapitel III „Die Überlieferungsgeschichte
des Briefwechsels" erinnert an den antiken
Brauch. Bricfsammlungen einem weiteren Publikum zugänglich
zu machen (Cicero, Plinius). Die hier erörterten Briefe sind
zweifach überliefert: „Sowohl Augustinus als auch Hieronymus
hat den um 405 abgeschlossenen ersten Teil des Briefwechsels
in einer eigenen Ausgabe veröffentlicht" (94). Spätere Briefe
wurden erst im Mittelalter zusammengestellt. Die Überlieferung
Augustins ist vollständiger. Hieronymus griff „im Gegensalz
zu Augustinus redaktionell in den Bestand der Briefe ein"...
Die Existenz von zwei Sammlungen „zeigt, welche Bedeutung
der Briefwechsel hatte" (105). Kapitel IV „Der Argumentati-
onsgang" beginnt mit IV A: „die Auseinandersetzung um den
Kanon des Alten Testaments". Augustin bat Hieronymus, sich
bei der lateinischen Übersetzung an den griechischen Septua-
ginta-Text zu halten. „Die Autorität der Septuaginta liegt für
Augustinus in ihrer Entstehung begründet. Die im Aristeasbnef
geschilderte und von Philo und Fpiphanius von Salamis ins
Wunderbar-prophetische überhöhte Einheitlichkeit der Übersetzung
macht Augustinus glauben, hier habe man für den Text
des Alten Testaments festen Boden unter den Füßen" (122).
Hieronymus dagegen belehrte Augustin über die Probleme der
Septuaginta-Übersetzung: „Nur die Ursprachen bieten ein verläßliches
Fundament für die Übersetzung der kanonischen
Schriften" (117). Er hat von den Juden gelernt, die für die Überlieferung
des Alten Testaments die besten Zeugen sind (120).
IV B „Die Auseinandersetzung um Gal 2.11-14" beginnt mit
Augustins Sicht: Petrus hat sich in Antiochien falsch verhalten
und wurde mit Recht von Paulus zurechtgewiesen (121). Für
Hieronymus dagegen war es ein Scheingefecht, „das beide
Apostel um des Heiles der ihnen jeweils anvertrauten Gruppe
willen ausgeführt haben" (126). Beide Problemkreise werden in
den folgenden Kapiteln näher dargelegt.

Kapitel V „Die Kontroverse um den Kanon des Alten Testaments
" zwischen Augustin und Hieronymus wird „weitgehend
von traditionsgeschichtlichen Faktoren bestimmt" (131). Justin

und Irenäus beriefen sich auf die Septuaginta (148f.), Clemens
von Alexandrien zitierte „Schriften aus dem Bestand der Hebräischen
Bibel und der Septuaginta" (152). Origenes erhob
„den Kanon der hebräischen Bibel zur Richtschnur, ohne allerdings
die Zusätze der Septuaginta eindeutig auszugrenzen"
(157). Die hebräische Bibel gewann bei ihm „im Laufe der Zeit
immer größere Bedeutung" (158). Origenes stellte die Verbindung
her zwischen den 22 Büchern der hebräischen Bibel und
den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets (159). Athanasius
nannte die hebräische Bibel „kanonisch", die Zusätze der
Septuaginta aber „hetera biblia" (165). Epiphanius von Salamis
verwies „auf den hebräischen Text als Maßstab" (176). Für alle
griechischen Kanonlisten war „die hebräische Bibel Maßstab
für das christliche Alte Testament" (180). Die lateinische Kanontradition
nennt nur selten die hebräische Bibel, maßgebliche
Autorität war die Septuaginta. Das gilt für Hilarius (185), noch
mehr für Ambrosius (186-88). Der aus lateinischer Tradition
kommende Hieronymus veränderte im Osten „seine Haltung in
dieser Frage immer mehr zu Gunsten des hebräischen Textes"
(189). „Daß Hieronymus in einer so wichtigen Frage des christlichen
Glaubens und Lebens auf jüdische Traditionen und Gelehrsamkeit
zurückgreift und diese auch noch zur einzigen
Kontrollinstanz macht, ist eines der herausragendsten Zeugnisse
für die Möglichkeiten der Kooperation von Juden und Christen
in der Spätantike" (199). Für Augustin jedoch waren Juden
„in Fragen des Kanons und der Bibelauslegung keine Gesprächspartner
" (209). Der biblische Text ist der Gemeinde bekannt,
die nicht durch neue Übersetzungen verwirrt werden soll. Erst
Hieronymus brachte den hebräischen Urtext in den Blick Augustins
. „Augustinus erkennt zwar die wissenschaftliche Leistung
des Hieronymus und den Nutzen seiner Übersetzung an. Dennoch
will er die anerkannte Septuaginta nicht aus dem gewohnten
kirchlichen Gebrauch verdrängen lassen" (215). Das Kapitel
endet mit dem Satz: „Während Hieronymus sich vorrangig um
einen historisch und philologisch zuverlässigen Text des Alten
Testaments bemüht, ist Augustinus daran interessiert, die kirchliche
Praxis zu stabilisieren und gegen Abweichungen zu schützen
" (217).

Auch der Streit um die Auslegung von Gal 2.11-14 (Kap. VI)
ist von Traditionen abhängig. Entscheidend war Origenes: Er
stellte „das Verhalten der beiden Apostel in Antiochien als verabredetes
Scheingefecht dar" (222). Porphyrius hatte den Streit
zwischen Petrus und Paulus als ein Zeichen der „Zerrissenheit
und Unglaubwürdigkeit der christlichen Lehre" gedeutet (226).
Dagegen entstand die Theorie vom Scheingefecht der Apostel,
die Johannes Chrysostomus näher ausführte (230-234). Die lateinische
Tradition beginnt mit Tertullian, der den Streit herunterspielte
. Cyprian lobte Petrus, weil er sich als der Erstapostel
demütig von Paulus belehren ließ (241). Alle lateinischen Ausleger
sagen, „daß Petrus in Antiochia falsch gehandelt hat und
zurecht deswegen von Paulus getadelt worden ist" (249).
Hieronymus verfaßte 386 in Bethlehem einen Kommentar zum
Galaterbrief, der die östliche Auslegung übernahm. Demnach
konnten bei der Ablehnung des Zeremonialgesetz.es Ausnahmen
gemacht werden, womit „die Autorität der Heiligen Schrift selbst
ins Wanken gerät. Diese Punkte hat Augustinus erkannt und setzt
dort mit seiner Kritik an" (256). Augustinus lobt wohl die Demut
des Petrus, aber in der Sache hatte Paulus Recht. Die Bibel
berichtet auch unerfreuliche Episoden, aber gerade darin sagt sie
doch die Wahrheit: ein Beispiel dafür ist die Nachricht von der
Verleugnung des Petrus (260). Offenbar haben Augustins Argumente
Hieronymus beeindruckt. In einer 415 verfaßten Arbeit
gegen die Pelagianer verweist Hieronymus auf „Petrus als Beispiel
für die Unmöglichkeit eines vollkommenen, fehlerfreien
Lebens und nähert sich damit der lateinischen Tradition" (264).

Das letzte Kapitel VII behandelt „Die Kontroverse um das
Zeremonialgesetz", also den Hintergrund von Gal 2,11-14.