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Ausgabe:

1995

Spalte:

151-153

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lausten, Martin Schwarz

Titel/Untertitel:

Kirke og synagoge 1995

Rezensent:

Lenhammar, Harry

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 2

152

- Einfügung zahlreicher Perikopen in das „Erzählgerüst" des
alten PB auszeichnet: „Sie hat deutlich stärker die innergemeindliche
Situation vor Augen" (168). Ihre Trägergruppe
wähnt der Vf. indes ebenfalls in Kreisen des hellenistischen
Judenchristentums.

Im letzten Kapitel wendet M. sich dem Thema „Die Passion
Jesu und die Passion der Gemeinde nach Markus" (175-225) zu.
Hier äußert er sich auch zur „Eigenart der markinischen Redaktion
". Danach hat Markus die erweiterte PG durch zahlreiche
„Einzelinformationen" angereichert, um auf diese Weise „seine
Erzählung theologisch schärfer profilieren zu können", während
Johannes - ein „ziemlich radikaler Redaktor" - die gleiche
Vorlage „frei, eigenständig und schöpferisch verwandte" (184).
Außerdem ist die markinische Redaktion der erweiterten PG
nach M. davon bestimmt, den Lesern „in der Passion Jesu ihre
ureigene Situation" (211) - nämlich die Verfolgung durch die
führenden Autoritäten des damaligen Judentums - vor Augen
zu führen.

Das sind fraglos richtige Einsichten, die zahlreichen anderen
entsprechen; z.B. der, daß das Mk- und das JoEv - wenn auch
zeitlich auseinander - in dem gleichen geographischen Gebiet
(dem „nördlichen Galiläa oder Syrien") entstanden sein dürften.
Wenn M. sich dann jedoch zu der These versteigt, daß Judas
von der Tempelpolizei bzw. den Hohenpriestern - „dingfest"
gemacht - „erpreßt" worden sei, um sie nach Mk 14,43 parr zu
Jesus zu führen (146), so sind demgegenüber ebenso Zweifel
angezeigt wie etwa gegenüber der Behauptung, daß Jesus
bereits „vor dem Beginn des Festes mehrere Tage am Kreuz
gehangen" habe (154), weil der Vf. es offenbar für undenkbar
hält, daß Jesus an einem raschen Aussetzen der Herztätigkeit
gestorben sein kann.

Damit ergibt sich als Gesamteindruck: M. hat eine unbestreitbar
anregende Untersuchung vorgelegt, die - nicht nur zu Einzelurteilen
seiner Rekonstruktion des Werdegangs der Passionsgeschichte
, sondern auch zu weiterführenden Erkenntnissen -
gleichermaßen Zustimmung wie Widerspruch provoziert.

Leipzig Werner Vogler

Kirchengeschichte: Allgemeines

Schwarz Lausten. Martin: Kirke og Synagoge. Holdninger i
den danske kirke til j0dedom ogjöder i middelalderen, refor-
mationstiden og den lutherske ortodoksi. Kopenhagen: Aka-
demisk Forlag 1992. 536 S. 8« = Kirkehistoriske Studier
HU. ISBN 87-500-2995-9.

In diesem Buch wird innerhalb der drei angegebenen Perioden
das Verhalten zu Judentum und Juden in Dänemark und speziell
in der dänischen Kirche untersucht und registriert. Die drei Teile
bilden selbständige Einheiten, da die Beziehungen zwischen
Christentum und Judentum in jeder Epoche sehr verschieden
waren. Erst in der letzten kennt man in Dänemark Juden. Der
Vf. berücksichtigt aber in jedem Kapitel seiner Untersuchung
auch die internationalen Verhältnisse. Natürlich ist das dringend
notwendig gerade im Blick auf das Mittelalter. Zu dieser
Zeit war ja Dänemark ein Teil der europäischen Kulturgemeinschaft
. Anders liegt der Tatbestand zur Reformationszeit. Der
Bericht über Martin Luther und die Juden ist zu lang - beinahe
30 Seiten.

Die Quellen und das Material sind nach den drei Perioden
geordnet und ganz verschiedenen Inhalts: Heiligenvitae und das
Werk „Hexaemeron" von Erzbischof Anders Suneson, private
Gebetbücher. Sammlungen von Predigtmaterial und eine dänische
Übersetzung von Pfefferkorns Libellus bilden den Grund
für die Untersuchung zum Mittelalter. Dazu kommt eine sehr
interessante Quelle - die Bildkunst.

Für die Reformationszeit benutzt der Vf. vor allem Postillen
und Bibelauslegungen von den dänischen Reformatoren, Bischöfen
oder Pastoren: Hans Tausen, Peder Palladius. Peder
Poulsen und Nils Hemmingsen. Zum Teil sind diese Arbeiten in
dänisch geschrieben. Dazu kommen Übersetzungen von Luther
und anderen Autoren. Für den letzten Hauptabschnitt, der Zeit
der Orthodoxie, wird das große Lehrbuch zur lutherischen Dog-
matik für die dänische Kirche, Jesper Brochmands Universae
Theologiae Systema, zugrunde gelegt. In diesem Abschnitt verwendet
der Vf. auch viele kleine Schriften, die sich agitatorisch
gegen die staatliche Toleranzpolitik richten. Im 17. Jh. gab es
auch volkstümliche Schriften über Judentum und Juden.

Was sagen nun diese Quellen über Judentum und Juden in
Dänemark? In einer Heiligenvita über den dänischen König
Knud, der ermordet wurde, wird er mit Jesus verglichen. Wie
die Juden den Heiland behandelten, haben die Dänen den König
behandelt. Die Juden werden in diesem Text als Beispiel angeführt
. Diese Argumentation kehrt in verschiedenen Formen
durch die Jahrhunderte wieder. Ein wichtiges Thema bei Anders
Sunes0n ist, daß das Judentum seine Gültigkeit verloren
hat, als Jesus gekommen ist. Er ist der im Alten Testament versprochene
Messias. Die Gottesanbetung im Alten Testament
war richtig, wenn sie nur im wahren Glauben ausgeübt wurde.
Anders Sunes0n unterläßt die heftige antijüdische Agitation, die
man bei anderen Autoren finden kann. Im Predigtmaterial heißt
es, daß die Juden schuld am Tod Jesu seien und Gottes Strafe
über sie gerecht ist. Die Hoffnung, daß sich die Juden einst
bekehren werden, sieht man aber auch. Die Juden werden auch
den Christen als warnendes Beispiel vor Augen geführt. In der
mittelalterlichen dänischen Bildkunst sieht man das bekannte
Ecclesia-Synagoge Motiv. Die Zeit der Synagoge ist vorbei. Sie
wird als eine blinde Frau gestaltet. Nun ist die Zeit der Kirche.

Die Haltung zum Judentum und zu den Juden, die man bei
den führenden Theologen der Reformationszeit antrifft, unterscheidet
sich prinzipiell nicht von derjenigen im Mittelalter.
Doch wird das Verständnis von Jesus als dem Messias, der
durch seinen Kreuzestod den Menschen Versöhnung brachte,
stärker betont: Das Judentum sei als Weg zur Erlösung von Gott
verworfen, weil die Juden Jesus als Messias abgelehnt hätten.
Die Christen hätten die Prophetien übernommen, und deshalb
müsse man das Alte Testament noch immer benutzen. In diesem
Zusammenhang begriff man die Nützlichkeit der hebräischen
Sprache und man kann in diesem Buch verfolgen, wie der
Unterricht in Kopenhagen getrieben wurde.

Einen neuen Aspekt bringt die Reformationszeit. In den
Augen der reformatorischen Theologen lagen die römisch-katholischen
Christen auf einer Linie mit den Juden, da man beiden
vorwarf, sie hielten an der Erlösung auf der Grundlage der
Gesetzeserfüllung fest. Das trug zu einer verstärkten Polemik
gegen die Juden bei. Bei allen Theologen aber wurde die Verwerfung
der Juden nicht absolut verstanden. Gott werde einst
eine Schar aus Christen und bekehrten Juden um sich sammeln.

Die Periode der lutherischen Orthodoxie bzw. des Konlessio-
nalismus zeigt, wie das Judentum und die Juden näher rücken.
Welche Juden kommen nach Dänemark und erhalten eine Niederlassungserlaubnis
? Die ständig tolerantere Judenpolitik der
Regierung führte zu Protesten von Seiten der Bischöfe. Die
Verhältnisse der Juden wurden hier mit denen der Calvinisten
und Katholiken in Zusammenhang gebracht. In diesem Abschnitt
stellt das vorliegende Buch auch ein Stück der dänischen
Toleranzgeschichte dar.

In seinem großen Lehrbuch zur lutherischen Dogmatik betont
Jesper Brochmand die Notwendigkeit der Hebräischkenntnisse
der Theologen. Er sucht Jesu Messianität vom Alten Testament