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Ausgabe:

1995

Spalte:

147-150

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Horn, Friedrich Wilhelm

Titel/Untertitel:

Das Angeld des Geistes 1995

Rezensent:

Vollenweider, Samuel

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 2

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nicht interpretiere, sondern sich atl. Wendungen, Bilder und
Vorstellungen zur Ausformulierung seiner eigenen theologischen
Botschaft bediene (so in ihrer Aufsatzsammlung: The
Book of Revelation. Justice and Judgment, 1985, 102.135f.; sogar
Kraft gesteht zu, Johannes verwende das AT „zur Illustration
für sein eigenes Verständnis" (ThR 38, 1973. 90)). Gerade
auf diese Weise kann es auch - durch Kombination mehrerer
Stellen und Einfluß von Paralleltexten - zu Textformulierungen
(eben den vorliegenden „Anspielungen") kommen, die für F.
aus der Anwendung bestimmter Auslegungsregeln resultieren
sollen (wie "inference from analoby", "deduction from another
passage" [285]). Ungeachtet dieser Bedenken gegen die von F.
vorgenommene Wertung des Befundes ist sein im einzelnen
viele aufschlußreiche und weiterführende Beobachtungen (auch
zur Apk-Auslegung insgesamt) enthaltendes Buch (mit umfangreichem
Register) ein wichtiger Beitrag zur Erhellung der atl.
Hintergründe der Apk und besonders natürlich zur Aufnahme
von Jesajatexten durch Johannes.

Münster Jens-W. Taeger

Horn, Friedrich-Wilhelm Das Angeld des Geistes. Studien zur
paulinischen Pneumatologie. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1992. 478 S. gr.8° = Forschungen zur Religion und
Literatur des Alten und Neuen Testaments, 154. Lw. DM
158,-. ISBN 3-525-53835-9.

F.-W. Horn, dem wir bereits ein hilfreiches Buch über Lukas
und die Reichtumsfrage verdanken, bezieht sich in seiner Göttinger
Habilitationsschrift auf das vor gut 100 Jahren erschienene
Erstlingswerk von H. Gunkel, Die Wirkungen des heiligen
Geistes nach der populären Anschauung der apostolischen Zeit
und der Lehre des Apostels Paulus (11888) zurück. Gegenüber
der bekannten These Gunkels von den ekstatischen Geisterfahrungen
des jungen Christentums, die der theologischen Denkarbeit
etwa des Paulus vorauslaufen, schlägt der Vf. vor, von der
„Inlerdependenz von Wahrnehmung und Interpretation in der
Erfahrung" auszugehen (14). Die Berücksichtigung des Einflusses
der damaligen Kulturanthropologie und Völkerkunde auf
Gunkel gibt den Anlaß zu einer grundsätzlichen Problematisie-
rung seines Erfahrungsbegriffs (zusätzlich müßte hier wohl
auch die Fortwirkung romantischen Gedankenguts auf Religionswissenschaft
und Exegese einbezogen werden). Mit seiner
Zurückhaltung gegenüber dem Primat der Geisterfahrung
nimmt der Vf. auch Stellung gegen den Hauptstrom der neueren
Forschung. Die urchristliche Pneumatologie soll in stärkerem
Maß als bisher historisch erfaßt werden; „ein dogmatischer,
psychologischer oder phänomenologischer Zugang ist damit a
limine abgewiesen" (23).

Der erste Teil des Buches besteht in einer Entfaltung der
Voraussetzungen pauUnischer Pneumatologie (25-115). Das
leitende Interesse, welches die gesamte Untersuchung steuert,
besteht darin, diejenigen zwei Vorstellungslinien, welche die
Exegese des 19. und beginnenden 20. Jh.s in Bann gehalten
haben, in ein angemessenes Verhältnis zu setzen: das Verständnis
des Geistes einerseits als Funktion und Kraft (so die atl.-
jüdische Tradition), andrerseits als Substanz (so das hellenistisch
-jüdische Verständnis) (49-60; 428-431). Die Anregung
hierzu verdankt H. seinem mittlerweile verstorbenen Lehrer G.
Strecker. Mit guten Gründen problematisiert der Vf. die Fixierung
auf eine Linie zuungunsten der anderen - sowohl bei Paulus
wie bereits im zeitgenössischen Judentum - ; letzteres leitet
zu einer wertvollen Analyse der zeilgeschichtlichen Voraussetzungen
der paulinischen Pneumatologie über (25-48). „Die
Gegenüberstellung von Funktion und Substanz des Geistes ist
... religionsgeschichtlich nicht notwendig eine Alternative" (54)

- eine Erkenntnis, der man nur nachhakig beipflichten kann. In
theologischer Hinsicht führt dies dann zur Wahrnehmung der
„Spannung, daß der Geist einmal im Glaubenden wohnt, ande-
rerweits ihm gegenübertritt, zugleich Gott gegenübertritt und
doch als Geist Gottes bestimmt wird" (60). Man sieht, H.s
zutreffende historische Beobachtungen erschweren die Interpretationsaufgabe
durchaus spürbar. Freilich beläßt es der Vf. bei
der Konstatierung des systematischen Problems. In einem weiteren
Abschnitt werden die vorpaulinischen Geistvorstellungen
analysiert: Formeln, Motive, Traditionen; die Frage des Zeitpunkts
der Geistbegabung, das Verhältnis von Geist und Christus
, u.a. Pointiert stellt der Vf. heraus, daß sich die gängige
These von der Priorität der Geisterfahrungen gegenüber den gedanklichen
Ausformungen nirgends erweisen lasse (113f)- Man
sollte also nicht vom .Urknall' der Pfingsterfahrung ausgehen;
„historisch ist ein wechselvoller Interpretationsprozeß von
Glaube und Erfahrung wahrscheinlich".

Mit dem zweiten großen Part, dem Hauptteil des Buches, entfaltet
der Vf. ein weiteres zentrales Interesse seiner Arbeit: „Das
Werden der paulinischen Pneumatologie" (116-383). Die bekannte
Göttinger Evolutionshypothese wird nun also zum
Schlüssel für das Verständnis der paulinischen Pneumatologie:
die Unterscheidung einer frühpaulinischen, mittleren und
schließlich späten Phase in der theologischen Entwicklung des
Apostels. So kommt zunächst der IThess als Ausdruck der
„frühpaulinischen Verkündigung" ausgiebig zu Wort (118-160).
Die Entwicklungshypothese führt zur Eliminierung zahlreicher
herkömmlicher Anschauungen: Pauli Reden vom Geist in IThess
(l,5f; 4,8; 5,19.23) zeige, daß das Pneuma hier weder zum Christusgeschehen
(i.S. der Identität von Kyrios und Pneuma oder
einer Eingliederung in seinen pneumatischen Leib), noch zu den
Sakramenten, noch zur endzeitlichen Existenz in einem inneren
Zusammenhang stehe! „Die frühpl Theologie bis zum 1. Thess
kennt ausschließlich einen theologischen Geistbegriff" (341).
Was man einst für ein herausragendes Moment des „hellenistischen
Christentums vor Paulus" hielt, verliert nun die Patina der
grundlegenden Anfänge. Der pneumatische Enthusiasmus, und
damit auch die Korrelation von Pneuma und Christus, wird zu
einem spezifisch korinthischen Phänomen (157-160; 332; 340ff).

Der Sache nach angemessenen Raum bekommt denn nun die
„Auseinandersetzung mit dem pneumatischen Enthusiasmus in
Korinth" (160-301). Hier erst entstehen supersakramentale Anschauungen
, hier erst wird das Pneuma zum Geist des Erhöhten,
wie es natürlich besonders in Glossolalie u.a. zutage tritt.
Durchaus in Einklang mit dem Konsens der Forschung wird die
paulinische Tendenz demgegenüber in der Verleiblichung und
ethischen Ausrichtung des Geisteswirkens identifiziert (262ff;
301). Mit 2Kor, Gal und Phil kommt der Vf. anschließend auf
die Auseinandersetzung des Apostels mit der judenchristlichen
Gegenmission zu sprechen (302-383). In diesem Abschnitt bleiben
die Konturen sehr viel blasser als in den beiden vorangegangenen
Teilen. U.a. wird herausgehoben, daß Paulus in keiner
Weise das Gesetz als Lebensordnung durch den Geist ersetze
(3730.

Der dritte Hauptteil stellt schließlich den „Ertrag" der paulinischen
Pneumatologie heraus (384-431). der in der Konzeption
des „Angeldes des Geistes" zu fassen ist. Offenbar erscheint
für den Vf. v.a. hier im Rom die reife Ernte des fortgesetzten
paulinischen Denkens - was man früher in den ersten Frühlingstagen
des Christentums zu finden wähnte, erweist sich nun
als späte Herbstfrucht der Theologie des Apostels, der die Auseinandersetzungen
mit Enthusiasten und Nomisten hinter sich
gebracht hat: das Ineinander von endzeitlicher Ausrichtung und
sakramentaler Basis (3991'f); das Verständnis des Geistes als
Hypostase und doch ganz von Gott dependenter, mit Christus
verbundener Größe (405): seine spezifische Funktion des Aufhelfens
in Schwachheit (41211); die Fürbitte bei Gott (4180)