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Ausgabe:

1995

Spalte:

141-143

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Augenstein, Jörg

Titel/Untertitel:

Das Liebesgebot im Johannesevangelium und in den Johannesbriefen 1995

Rezensent:

Wengst, Klaus

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141

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 2

142

von Ad. Neubauer und S. R. Driver über "The Fifty-Third-
Chapter of lsaiah According to the Jewish Interpreters" zu legen
, das in einem Nachdruck von 1969 vorliegt und die einschlägigen
Texte im hebräischen, aramäischen, jiddischen, griechischen
, arabischen, spanischen, französischen oder lateinischen
Original und in englischer Übersetzung darbietet. Allerdings
sind es eben nur die Texte zu Jes 53, und so bringt V.s
Präsentation weiterer Texte zu den übrigen Gottesknechtslie-
dem zusammen mit deren Kommentierung eine hochwillkommene
Ergänzung für jeden, der sich mit den Gottesknechtsliedern
und ihrer Auslegungsgeschichte befaßt.

Marburg Rainer Kessler

Blei-Strijbos, C. B.: Ellen Flessman-van Leer met de Schrift tussen Kerk
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Neues Testament

Augenstein, Jörg: Das Liebesgebot im Johannesevangelium
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1993. 206 S. gr.8° = Beiträge zur Wissenschaft vom
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17-012687-3.

Die bei H. Thyen geschriebene Dissertation stellt sich die Aufgabe
, die Besonderheit des joh Liebesgebotes, nämlich einander
bzw. den Bruder zu lieben, zu erklären. Nach einem knapp referierenden
Überblick über die Forschungsgeschichte werden in
Kap. 2 die einschlägigen Stellen des Evangeliums besprochen,
nämlich Jo 13; 14; 15,1-16,3 und 17. Die Ergebnisse finden sich
auf S. 92f prägnant zusammengefaßt. Das Liebesgebot mahne
die Jünger, deren Gemeinschaft durch Verleugnung und Verrat
von innen und durch Haß von außen gefährdet sei, zur Einheit.
Es handle sich bei ihm nicht um den Ausdruck einer Binnenethik
, da die Liebe nicht als Liebe des Eigenen verstanden und
gegenüber dem gerade damit begründeten Haß der Haßverzicht
gefordert werde. Die von den Jüngern erwartete Liebe habe
ihren Grund und ihr Modell in der Liebe Jesu zu ihnen. „Das
Liebesgebot ist Teil einer geschlossenen theologischen Konzeption
von Liebe, die sich stark an die alttestamentlichen Aussagen
von der erwählenden Liebe Gottes und von der Liebe zu
Gott im Sinne des deuteronomistischen Grundbekenntnisses (Dt
6.4f) anlehnt" (93).

Kap. 3 bespricht Stellen der Briefe (Uo 2,7-11; 3,11-18; 4,7-
5,5; 2Jo 4-6), wobei das Hauptgewicht natürlich auf dem ersten

liegt. Dessen drei Durchgänge durch das Thema werden von A.
so zueinander in Relation gesetzt: „Während in I Jo 2 unter Berufung
auf das alte Gebot das Hassen dem Lieben gegenübergestellt
wird, in der Bemühung, für das erste eine Erklärung zu finden
, entwickelt I Jo 3 Maßnahmen gegen den Bruderhaß, der in
der Gemeinde ein konkretes Problem darstellt und in der Verbindung
mit der Abspaltung von Gemeindegliedern steht... In Uo 4
...faßt der Autor förmlich alle seine Gedanken noch einmal zusammen
und stellt einen Zusammenhang von Bruderliebe und
Liebe Gottes, die sich in der Sendung des Sohnes zeigt, her. Jede
dieser drei behandelten Passagen des Uo kombiniert das Liebesgebot
mit einer anderen Heilszusage..." (146). Aufschlußreich ist
der davorstehende Exkurs über „Das Verhältnis von Alt und Neu
im Corpus Johanneum" (142-145), der die unterschiedlichen Bezeichnungen
des einen Liebesgebotes als neu, alt und neu sowie
alt nicht durch eine zeitliche Entwicklung zwischen den Schriften
erklärt, sondern „von ihrer Funktion innerhalb der einzelnen
Schriften her" erschließt (144). Das Ergebnis: .„Neu' drückt den
Bezug zur Heilszeit aus, ,alt' wird benutzt, um die Kontinuität
von Gottes Ratschluß zu wahren... Das ineinander von Alt und
Neu zeigt den bleibenden Willen Gottes in der messianischen
Zeit, wie er in der Tora niedergelegt ist" (145).

Kap. 4 widmet sich dem Verhältnis von Evangelium und
Briefen. Hier wird erstens hinsichtlich des Liebesgebotes eine
inhaltliche Übereinstimmung betont, zweitens die „antignosti-
sche" Interpretation von 1 Jo 4,2 abgewiesen und drittens für das
ganze Corpus Johanneum derselbe geschichtliche Hintergrund
wahrscheinlich zu machen versucht, nämlich die Apostasie
jüdischer Gemeindeglieder, die das Bekenntnis zur Messianität
Jesu aufgeben und zur Synagoge zurückkehren und die Bedrohungssituation
für die Gemeinde verschärfen, insofern sie ihre
Kenntnisse in Denunziationen bei der römischen Behörde umsetzen
können.

Kap. 5 versucht eine traditionsgeschichtliche Einordnung des
johanneischen Liebesgebotes. Besprochen werden Lev 19,17f.
34, Qumran, Test XII, NT und Gnosis - mit dem Ergebnis:
„Das Corpus Johanneum greift... auf den ursprünglichen Kontext
von Lev 19,18b zurück und interpretiert das Liebesgebot
entsprechend Lev 19,17 als Verzicht auf Haß gegen den Bruder
" (181).

Eine knappe Zusammenfassung (182-185) schließt die Arbeit
ab, die insgesamt solide und gediegen ist, wenn auch keineswegs
durchgehend von gleicher Dichte. Neben eindringenden
Exegesen finden sich Passagen, die lediglich paraphrasierenden
Charakter haben. Meine Anfragen und meine Kritik konzentriere
ich auf drei Punkte:

1. Die besprochenen Texte bilden m.E. keine hinreichende
Basis für die These einer einheitlichen Situation von Evangelium
und Briefen. Die Ausführung, Uo4,2f sei „eine Explikation
des einfachen Bekenntnisses von I Joh 22,22f, daß Jesus der
Christus ist" (153), ist mir nach wie vor schleierhaft. Wenn, wie
A. in Aufnahme von Minear meint, die Wendung ev oapxi
eA.r|A.DÖÖTa „die messianische Präsenz Jesu bei seiner Gemeinde
" bezeichnen soll (152), hätte der Vf. alles getan, um das
möglichst undeutlich zu machen. Die kurz skizzierte Kombination
schließlich aus meiner Situierung des Johannesevangeliums
, aus W. Stegemanns Vermutung, der Synagogenausschluß
beziehe sich auf die Gottesfürchtige, und aus E. Stegemanns
Interpretation des großen Briefes von der Schlußmahnung in
5,21 her, die die Entscheidungssituation des Martyriums vor
dem römischen Statthalter vor Augen habe (154-158), kann
allenfalls eine interessante Möglichkeit aufzeigen, die einmal
gründlich nachgeprüft werden müßte.

2. Gerade angesichts dessen, daß A. das Corpus Johanneum
in jüdischen Kontext stellt und den engen Bezug zum AT betont
, ist es schade, daß die rabbinische Tradition so gut wie
nicht vorkommt. Nirgends ist erkennbar, daß in dieser Hinsicht