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Ausgabe:

1995

Spalte:

137-139

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Steudel, Annette

Titel/Untertitel:

Der Midrasch zur Eschatologie aus der Qumrangemeinde (4QMidrEschat a.b) 1995

Rezensent:

Bergmeier, Roland

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 2

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Denkens über Gott (Eliezer Berkovits. Emil Fackenheim. Irving Qumranforschung. Im Ergebnis führt es zur Rekonstruktion
Greenberg. Richard L. Rubenstein) bis hin zum unbeirrten Fest- einer Schrift der Qumrangemeinde aus den späteren Jahren der
halten am Überlieferten auch in neueren Beiträgen (Jacob Neus- propharisäischen Herrschaft von Alexandra Salome (76-67 v.
ner, Michael Wyschogrod): „Nichts hat sich geändert. Die Tradi- Chr.), aus sachlich inhaltlichen Gründen „ein Midrasch über die
lion geht weiter." (Neusner. 212) Endzeit", aus Gründen internationaler Kürzelverständigung
Die Entscheidung der Hgg.. nur Beiträge jüdischer Autoren in „Der Midrasch zur Eschatologie" benannt. Diese Schrift liegt in
ihren Sammelband aufzunehmen, erscheint als stringent. Denn Fragmenten zweier verschiedener Kopien aus herodianischer
Juden und Christen sind aus völlig anderen Lebens- und Todes- Zeit vor, 4QI74 die eine (früher irreführend „Florilegium"
zusammenhängen heraus mit dem .Holocaust" konfrontiert. Zwar genannt), 4Q177 (Catena A) die andere. Die materielle Rekon-
gibt es angesichts des nazistischen Völkermordes theologische struktion beider Manuskripte bildet den Schwerpunkt der anzu-
Probleme. die sich beiden Gemeinschaften in verwandter Weise zeigenden Arbeit, wobei die Rekonstruktionsmethode nach H.
stellen; doch vielfach sind bereits die Fragen durch den dort jüdi- Stegemann an 4Q174 exemplarisch dargestellt und das Gesamtheiten
, hier christlichen Kontext unverwechselbar geprägt, und ergebnis in Abbildungen in einem Anhang dargeboten wird,
mehr noch gilt dies von den Antworten. Was jüdischerseits legi- Wer über die genannten Texte zu arbeiten hat, findet nahezu
lim im Sinne der Theodizeefrage laut wird, stellt sich für die alles, worüber er informiert sein möchte: Editionen, Beschrei-
thristliche Seite weithin sehr viel eher als Frage einer Ekkle- bung der Handschriften und Forschungsstand, materielle Re-
siodizee angesichts des .Holocaust". Und so wenig die Deutung konstruktion der Schriftrollen, Übersetzung der rekonstruierten
von .Auschwitz." als Strafe für die Sünden Israels (Hartom) eine Texte sowie Erläuterungen zu Text und Übersetzung und
christliche Möglichkeit ist. so wenig jenes (christlich rezipiert, schließlich die Diskussion über mögliche (4Q178.182.183) oder
geradezu decouvrierende): .Nichts hat sich geändert...'. Ange- nicht mögliche (4Q463) Zuordnung weiterer fragmentarischer
nichts dieser Sachlage präsentiert sich die Anthologie Leserinnen Handschriften. Teil II der Arbeit untersucht und erwägt Argu-
und Lesern zunächst als ein Überblick über jüdische theologische mente für die Hypothese, daß beide Lederrollen Kopien des
Reaktionen auf ein Verbrechen, das in den Jahren 1933-45 von gleichen Werkes waren, und zwar so, daß 4Q174 von dessen
Nichtjuden, d.h. de facto von weithin kirchenzugehörigen Deut- Anfang (Kolumnen I-VI), 4Q177 aus dessen Mittelteil (VIII-
schen, an den Juden in Europa begangen wurde. Zumal da die XII) stammen. Die beiderseitige Beschränkung auf den „Davi-
verschiedenen Positionen z.T. ausgesprochen polemisch vorge- dischen Psalter", Groborientierung an der Reihenfolge im beitragen
werden, schließt das Buch die mit der Auswahl unver- sehen Psalter und Beschränkung von Pescherformeln auf die
weidlich gegebene Gefahr ein, daß christliche Leser zu Zuschau- Psalmtexte, die je gleiche Differenzierung der Zitationsformeln
em bei innerjüdischem Ringen und Streiten über Geschehnisse für Psalmen bzw. Prophetentexte sowie gemeinsame Grundfor-
und ihre Deutung werden, bei denen Christen auf vielfache Wei- men des Zitierens und Interpretierens sprechen in der Tat für
se zerstörerisch beteiligt waren. Um so größeres Gewicht kommt die genannte Hypothese. Die orthographischen Differenzen
den Beiträgen zu in denen von jüdischer Seite aus die Herausfor- werden als solche der Kopien gewertet, wie sie auch in Hoda-
derungen benannt werden die mit dem .Holocaust" für Theologie jot-Parallelhandschriften zu belegen sind,
und Kirche gegeben sind Allen voran ist hier Greenberg zu nen- Im III. Te.l erschließt St. u.a. das zentrale Thema der Schrift-
nen, sodann Fackenheim und - suaviter in modo, foriiter in re - rolle, „die letzte Zeitepoche", bestimmt das Werk als „themati-
Albert Friedlander sehen Midrasch", der sich gliedert in Einführung, bestehend aus
In ihrem Beitrag zur Erstausgabe haben sich die Hgg. zu der einer Deutung des Mosesegens Dtn 33.6-25 und der Nathan-
Peststellung veranlaßt gesehen daß „die christliche Theologie... Weissagung 2Sam 7 (4Q174), und Hauptte.l. Dieser (4Q174+
sich offensichtlich vom Ereignis des Holocaust nicht angespro- 177) orientiert sich am biblischen Psalter (Ps I-41). Literaturge-
<-hen" fühle (250) im Vorwort zum Nachdruck wünschen sie schichtlich steht das Werk zwischen den paränetischen Passa-
sich für die jetzt veröffentlichte Ausgabe, „daß sie eine lebendige gen der Damaskusschrift und der späteren Pescherentwicklung,
Diskussion und (christlich-)theologische Rezeption erfährt" (8). beiden thematisch verbunden durch die Reflexion über die
°a die Edition unter der Vielzahl täglicher Neuerscheinungen Situation der Gemeinde wahrend der Endzeit. Im Zusammen-
eines der wichtigen Bücher ist läßt sich dem nur beipflichten. An hang der Datierungsfragen führt St. auch vorzüglich in die Prower
Rezeption der hier aufgeworfenen Fragen wird sich nicht bleme der Endzeitberechnungen in den Qumrantexten ein.
Zuletzt zeigen inwieweit die notorische Schwäche von Christen. Dem Lob steht nur wenig an kritischen Einwänden gegen-
d'e jüdische Seite in entscheidenden Fragen und Augenblicken über: Der Abschnitt S. I48f. erhebt den Anspruch. Begriffe und
■hrer Existenz alleinzulassen überwunden, inwieweit damit an Formulierungen zu analysieren, die sich in ihrer gemeinsamen
J'e Stelle eines schlechten, verdrängenden ein befreites Gewis- Verwendung in 4Q174 und 177 charakteristisch von anderen
sen getreten ist das alles Geschehene und die von ihm betroffe- Qumrantexten unterscheiden. Aber das Vorhaben wird nicht
nen Menschen in Gegenwart und Zukunft mitnimmt. verwirklicht Interpretat.onsbe.träge sind fast durchweg zu

spärlich gehalten, häufig werden einfach Qumranspeziahsten

Berhn Peter von der Osten-Säcken als Autoritäten aufgerufen statt Inhalte argumentativ erschlossen
. Die Übersetzung ist nicht immer zuverlässig, sicher falsch
die von III,6f. Gerade zu III, 1-13 fehlt eine Erörterung der

Steudel, Annette: Der Midrasch zur Eschatologie aus der Beziehung zu CD 3.18-4 lO^e.ne Passage die für das Textver-

QumranRemeinde (4QMidrEscha. a.b). Materielle Rekon- ständn.s. aber auch für die Erhebung der Traditionsgesch.chte

struktion Textbestand Gattung und traditionsgeschichtliche des eschatologischen Midrasch fundamental isL So konnte sich

Einordnung des durch 40174 („Florilegium") und 4Q177 be, genauerer Analyse durchaus ergeben^daß 40174 und 77

(Xatena A") repräsentierten Werkes aus den Qumranfunden. doch eher Sammlungen von EndzeiNMidraschim reprasentie-

Leidcn-New Yo^k-Köln Brill 1994. XI. 2.37 S.. 2 Taf. 2 Be- ren. die nicht in einem lueranschen Werk ihren gemeinsamen

ixcw iorK iwih, di in rwprt nf ludah 13. Ursprung haben, sondern stufenweise gewachsen sind. Dafür

|*gen gr.8<» = Studies on .he Tex.s of the Desert o» Judah. - dje ^ unterschjedliche

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• nfl 150•-• ISBN 90-04-09763-5. Schreibweise, die Beschränkung der aus 1 IQMelch bekannten

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Rudels Buch, die leicht überarbeitete FaMUng gelegentliche Abweichung de

g» >n Döttingen aus dem Jahre 1991. ,s, a»sohde A bei« au ^ « bjb,ischen Jj^

Uer Schule H. Stegemanns eine bedeutsame Bereicherung uc.