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Ausgabe:

1995

Spalte:

134-136

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Übersetzung der Hekhalot-Literatur 1995

Rezensent:

Schreiner, Stefan

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133

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 2

134

Zum Inhalt: Auf den S. VII-XXIV beschreibt K. sein Vorhaben
und charakterisiert sowohl Vertreter der Amsterdamer Schule
allgemein als auch speziell die von ihm ausgewählten Autoren.
Die Verwandtschaft zu besonders in Amerika und Frankreich
betriebenen rhetorisch-synchronen sowie strukturalistischen
Exegesen ist zwar Anlaß der Publikation; aber K. hebt m.R. hervor
, daß die Amsterdamer Schule ihr Eigenes durch ihre biblisch
-theologische Intensität hat. Die Präsentation ist im Grunde
zweigeteilt: ein 1. Teil (3-80) enthält "Methodological Essays",
ein 2. (83-168) Textanwendungen.

Der I. Teil enthält Beiträge von J. L. Palache. M. A. Beek, K.
A. Deurloo, K. A. D. Smelik und R. Zuurmond. Ein Gewinn ist
m.E. die Ubersetzung des wenig bekannten Essays von Juda L.
Palache, The Nature of Old Testament Narrative (3-22) aus dem
Jahr 1925. Einen guten Überblick über die Schule liefert Smelik,
der vor allem auf Beek als Initiator verweist. Von Beek stammt
denn auch der wohl eindrucksvollste Methodenbeitrag, insofern
als B. einfühlsam die Ferne der üblichen literarhistorischen Studien
zur biblischen Botschaft kritisiert. Programmatischer als der
Jüd. Gelehrte Palache verweist Beek auf Belehrung durch Hag-
gada und Midrasch. Im Methodischen gewichtiger als in der
Durchführung (zu Kain und Abel) ist K. A. Deurloo, The Scope
°f a Small Literary Unit on the Old Testament, indem er (nach
rabb. Art) Wortbezüge in einer kleinen Einheit wie über sie hinaus
im Kontext aufspürt. Den Beitrag von R. Zuurmond fand ich
wenig spezifisch für die Amsterdamer Schule, wenn man davon
absieht, daß er Hermeneutik nicht im Sinne der deutschen Diskussion
verstanden wissen will, sondern allgemein als Lehre
vom Verstehen.

Die biblischen Beispiele sind m.E. im Gewicht sehr unterschiedlich
und wohl nicht so gut ausgewählt wie die methodologischen
. Unergiebig fand ich A. G. van Daalen, The Place Where
YHWH Showed Himself to Moses (Exodus 3) - eine Nacherzählung
- und M. A. Beek, Joshua the Saviour - ein Sprachspiel
muß Argumente ersetzen. Eher als Kritik bisheriger Exegesen
denn als selbständige Auslegung nützt der Essay von F. H. Breu-
kelman zu Gen 6,1-4 (daß die Nefilim die Sprößlinge der Göttersöhne
seien, sagt der Text eben nicht). Wirklich stark ist der
Essay von Beek zu David und Absalom, der freilich eine Datierung
des berühmten Zyklus ins Exil nicht begründen kann, dies
aber immerhin als Nebensache erklärt. Nutzen und Problematik
des ganzen Unternehmens zeigen sich m.E. am deutlichsten in
den beiden Essays von Deurloo, The Way of Abraham, und
Because You have Hearkened to My Voice": Genesis 22. In
beiden wechseln vorzügliche exegetische Beobachtungen (meistens
in Kritik an Westermann und Gunkel) mit apodiktischen
Behauptungen trotz einer umfangreich-strittigen Detaildiskussion
der einschlägigen Literatur. Das Vorverständnis solcher apodiktischen
Behauptungen liefern fast immer Midrasch und Hag-
gada. Wen wunderts dann, daß Deurloo S. 130 A. 50 den Sinn
eines "ecclesiastical" Verstehens des Tanach anzweifelt?

Man wird fragen dürfen, ob K.s Bemühen gerechtfertigt war.
Man kann dies bejahen, wenn man dem Buch wie vielen anderen
Publikationen die Nötigung entnimmt, biblische Texte im kleinen
und im großen Zusammenhang vorrangig synchron zu analysieren
. Man kann dies weiter bejahen, wenn man als Vertreter
Biblischer Theologie und aus Methodengründen weniger Hypo-
•hetik bei der Bildung literarischer Theorien und vor allem mehr
Bibelnähe der Exegeten in unserem Betrieb wünscht (beides
m-E. dringlich). Am wenigsten aber überzeugen mich die Arbeiten
an der Bibel, weil die Amsterdamer Schule (nicht nur in dieser
Publikation) nur einige Details aus ihr herauspickt und zur
Hauptsache erklärt. Mein Wunsch nach meditativer Bibellese
wurde geweckt, meine Liebe zum biblischen Detail aber enttauscht
.

Bonn Horst Seebass

Schäfer, Peter |Hg.]: Übersetzung der Hekhalot-Literatur.
II: §§ 81-334. In Zusammenarb. mit H.-J. Becker, K. Hermann
, C. Rohrbacher-Sticker, S. Siebers. XXXVI, 326 S.
III: §§ 335-597. In Zusammenarb. m. K. Hermann, L. Renner
, C. Rohrbacher-Sticker, S. Siebers. XLIII, 339 S. IV:
§§ 598-985. In Zusammenarb. m. H.-J. Becker, K. Hermann,
C. Rohrbacher-Sticker, S. Siebers. XLV, 208 S. Tübingen:
Mohr 1987, 1989, 1991. gr.8«. je Lw. DM 98,-.

Im Vorwort zu seiner 1981 bereits erschienenen Synopse der
Hekhalot-Literatur (vgl. Rez. in ThIZ 108, 1983,422-424) hatte
P. Schäfer nicht nur das Erscheinen einer Konkordanz sowie
einer literar- und redaktionskritischen Analyse der in der
Synopse abgedruckten Texte, sondern ebenso auch einer Übersetzung
dieser Texte angekündigt. Während die genannte Konkordanz
zur Hekhalot-Literatur in zwei Bänden 1986-1988
erschienen (vgl. Rez. in ThLZ 114, 1989, 270-271) und ein Teil
der erwähnten literarkritischen Untersuchungen zwischenzeitlich
in des Vf.s 1988 veröffentlichen Hekhalot-Studien zu finden
ist (vgl. Rez. in ThLZ 114, 1989) und der Vf. darüber hinaus
mit seinem Buch Der verborgene und der offenbare Gott.
Hauptthemen der frühen jüdischen Mystik (Tübingen 1991)
noch eine willkommene Einführung in die (Hauptthemen der)
Hekhalot-Literatur vorgelegt hat, sind von den angekündigten
vier Bänden der Übersetzung der Hekhalot-Literatur bislang
drei gedruckt zugänglich geworden. Der erste Band steht noch
aus. Um jedoch die (seit einiger Zeit nun schon) vorliegenden
Bände nicht noch länger unvorgestellt zu lassen, sollen sie hier,
dem Wunsch der Redaktion der ThLZ gemäß, das Vorliegen
des ersten und letzten Bandes nicht mehr abzuwarten, in gebotener
Kürze angezeigt werden.

Nach des Vf.s Worten - wie könnte dies auch anders sein -
stellt die Erarbeitung der Übersetzung im Gesamtkonzept
gleichsam den „letzten Arbeitsschritt in der planmäßigen Erschließung
der Hekhalot-Literatur" dar. Dabei ist die Übersetzung
, wiewohl „letzter Arbeitsschritt", dennoch im Grunde
nicht mehr als die Bereitstellung eines Hilfsmittels zum Studium
der in der Synopse abgedruckten Texte. Ihre Lektüre macht
deren Studium durchaus nicht überflüssig. Wohl aber vermag
sie dadurch, daß sie die nur allzu oft schwer- oder gar unverständlichen
Texte verstehbar zu machen versucht, und dies auch
mit Erfolg geschafft hat, den Weg hin zu ihnen zu erleichtern.
Denn daß auch diese Übersetzung, trotz der ihr zugrunde liegenden
plausiblen Richtlinien (II, XXXII-XXXVI; III, XLI-
XLIH) und aller beeindruckenden Sorgfalt, mit der sie erarbeitet
worden ist, die Synopse nicht ersetzen will und kann, versteht
sich gewiß von selbst, und dies durchaus nicht allein aus
dem schlichten Grund, daß eine Übersetzung, und sei sie auch
noch so kongenial, niemals das Original je zu ersetzen vermag.
Hinzu kommt hier jedoch noch ein weiterer, eher formaler
Grund. Denn wenn auch die Übersetzung, wie es in den Richtlinien
dazu heißt, in der Darbietung, in Stil und Sprache (Duktus)
ebenso wie in der Gliederung der Texte (Paragrapheneinteilung
) im wesentlichen derjenigen der Handschriften der Synopse
folgt, so gilt dies doch mit der Einschränkung, daß nicht alle
Texte der Synopse auch wirklich in Übersetzung geboten werden
. Vielmehr ist - wenn auch einleuchtend begründet - nur
eine Handschrift als sog. Grundtext für die Übersetzung ausgewählt
worden, und zwar hier - im Unterschied zur Synopse -
die um ca. 1300 entstandene aschkenasische Handschrift MS
Oxford 1531 (II, XXXIV). Wesentliche Varianten anderer Handschriften
, über deren Wert der Vf. jeweils genaue Rechenschaft
ablegt, abweichende Versionen und Sondergut sowie vor allem
die vorhandenen Gfm'za-Fragmente werden gleichwohl, wenn
auch von Fall zu Fall in unterschiedlichem Umfange, zusätzlich
berücksichtigt, so daß die Übersetzung in dieser Hinsicht sogar
noch über die Synopse hinausgeht.