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Ausgabe:

1995

Spalte:

126-128

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mirbach, Wolfram

Titel/Untertitel:

Universelles Leben: Originalität und Christlichkeit einer Neureligion 1995

Rezensent:

Obst, Helmut

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Theoloyische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 2

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aus der guten Kenntnis seiner Sprache und der Überlieferung
Tonbandaufnahmen machen zu lassen. Das Ergebnis dieser
intensiv genutzten Zeit ist das vorliegende Buch.

In einer ausführlichen Einleitung (XXII-XXXVIII) schildert
M. die Entstehung des Buches und die Bedeutung für die Man-
däistik. die u.a. in der Entdeckung verschiedener in einzelnen
Familien bzw. Stammen bewahrten Unterdialekte des iranischen
Mandaischen besteht. Man rechnet heute mit ca. 3().(KK)
Mandäern in Huzistän, von denen etwa nur noch KKX) ihre alte
Umgangssprache (lesän ger ketäbf). die sich vom klassischen
Buchmandäisch (lesän ketäbf) sehr unterscheidet, mehr oder
weniger beherrschen. Die lOOseitige „grammatische Skizze"
gibt mehr als nur eine Skizze: eine Beschreibung der Phonolo-
gie, Morphologie und Syntax der Sprache, die mit der in der
NmChr zu vergleichen ist, was aber in dieser Zeitschrift nicht
weiter erfolgen kann. „Das Neumandäische erscheint als ein in
semitisches Gewand gekleidetes iranisches Idiom..." (I(X)). Nur
ein Kenner wie M. war zu dieser (bes. in der Phonetik) nicht
einfachen Erfassung in der Lage. Die wiedergegebenen Texte
sind in einer vereinfachten phonetischen Umschrift, die M.
bereits in der NmChr verwendet hat, wiedergegeben, denen die
möglichst wörtliche Übersetzung gegenüber steht. Die Zitate
aus der klassischen („heiligen") Literatur sind jeweils fettgedruckt
und, wenn möglich, mit den Stellenangaben versehen.
Ein ausführliches Glossar beschließt den Band (361-444), dem
auch zwei Karten zu den Wohnsitzen der iranischen Mandäer
beigegeben sind.

Die in 1 I Kapitel unterteilten Texte (105-359) sind nach den
Satzpassagen durchnumeriert (insgesamt 2281), wodurch eine
Zitierung erleichtert wird. Sie sind auch für den nicht in erster
Linie an den sprachwissenschaftlichen Bestand interessierten
Benutzer von erheblicher Bedeutung, da sie einen bemerkenswerten
Einblick in die Gedankenwelt und noch erhaltene Tradition
der heutigen (iranischen) Mandäer eröffnen. Die Unterschiede
zu den irakischen Gemeinden werden dem Kenner
deutlich, denn er weiß, daß bei diesen die mandäische Umgangssprache
schon vor dem 2. Weltkrieg im Schwinden war
und heute erloschen ist (vom Erzähler S. 320/21 bestätigt), was
auch auf die Kenntnis der Tradition (bes. bei den Laien) seine
Rückwirkung hat. Es sind viele autobiographische Berichte, die
den Leser beeindrucken: der Werdegang eines Mandäers in
Iran, seine Familie, sein Beruf (Silberschmied), sein Militärdienst
(er brachte es zum Offizier), die Reise nach Berlin in eine
europäische Großstadt, vor allem die Erlebnisse im iranisch-irakischen
Krieg (1980-88), die uns einen Eindruck vom Leiden
der Zivilbevölkerung vermittelt, was meine Generation aus der
Zeit des 2. Weltkrieges (Bombenangriffe) noch sehr in Erinnerung
hat. Die mand. Gemeinden sind damals aus ihren alten
Wohnsitzen Hüzistäns nach Norden geflohen; Khorramsahr (bei
den Mandäern bis heute immer noch mit arab. Mahämar wiedergegeben
) wurde total zerstört, ebenso Bisyetfn, Howeiza, auch
Ahwäz wurde schwer geschädigt (179-201).

»Der Krieg gehört bei uns Mandäern ZU den großen Sünden. Es ist
geschrieben: Jeder, der Krieg führt, ist kein guier Mensch, kein anständiger
Mensch'• (I88f.: 990). „Der Mensch, ein guter Mensch führt keinen Krieg,
^er Krieg (ist für) Menschen, die - Gott verhüte es (märe lämar) - auf dem
Weg der Güte nicht gehen wollen, sie wollen sich selbst /.eigen, das Gut der
Renschen enteignen, mit den Menschen gewalttätig reden, die Menschen
erpressen. Dies gehört in der mandaischen Religion (sersan mandiyän) zu
den üblen Dingen... Unsere Religion (sersan) will diese Dinge nicht und läßt
n'eht 7u. (daß) jemand sie begeht..." (200: 1083-85).

Noch während des Krieges wurde eine mandäische Schule
errichtet (208ff.), die dem Verfall der Sprache und Tradition
entgegensteuern soll (sie besteht noch heute in Ahwäz). Auch
"ber die ältere leidvolle Geschichte der Mandäer in Sustar wird
^richtet (290-299, leider ohne Zeitangaben).

Von besonderem Wert für den Religionshistoriker sind die
Kapitel, die eine Art „Weltgeschichte" von der Schöpfung über

Johannes den Täufer bis heute wiedergeben (218-245), da sie
die Kenntnis der klassischen Überlieferung aus Ginzä, Johannesbuch
und Harän Gawaitä widerspiegeln und das heutige
Verständnis vermitteln (z.B. Adam erhält den Ginzä als Gotteswort
; er lebte mit den Uthras zusammen: der Täufer Johannes
kam als Engel in diese Welt, hatte eine Familie und las aus dem
Ginzä vor; die Mandäer stammen aus Palästina und flohen nach
seinem Tode nachHarrän und Mesopotamien). Einen besonderen
Stellenwert kommt dem Kap. 8 zu, da es einen Kommentar
zu ausgewählten Abschnitten aus dem Johannesbuch bringt
(246-279), den es in dieser Form m.W. bisher nicht gab, d.h.
eine heutige Auslegung der klassischen Literatur. Es handeil
sich um Abschnitte aus dem Kap. über Süm bar Nu bzw. Süm-
Kustä (Kap. 14-16 nach Lidzbarski), aus den Reden des Johannes
(Jahja-Juhanä: Kap. 21 Lidzb.) und einem Stück aus den
„Ermahnungen" (Kap. 50 Lidzb.). Der Schwerpunkt liegt auf
dem ethisch-moralischem Inhalt der Texte, der beeindruckend
ist. Der Abschnitt eignet sich vorzüglich für eine Einführung in
das Mandäische, da er die klassische Sprache in heutiger Aussprache
mit der jeweils anschließenden neumandäischen „Paraphrase
" vorführt (zu S. 82,4 Lidzb. gibt es eine neue Lesung:
zabia st. zubia „Ehegemahl", „Verheirateter"). In ähnlicher
Weise ist das Kap. über „Riten und religiöse Bräuche" (300-
319) beachtenswert, da es nicht nur die wichtigsten Zeremonien
, wie die morgendliche Reinigung (resäma), die Tagesgebete
(rahmf, bütän), Taufe (masbetta; sobä), Hochzeit (qobbin) und
Totenmesse (masextä) beschreibt, sondern auch Gebete und
Formeln aus den Liturgien zitiert. Im gleichen Kap. sind auch
einige kurze Angaben zur mandaischen Sprache und Literatur
(318-325) aufgenommen. Amüsant sind die Legenden von
Adam Abü'l-Farag in Kap. 9 (280-291), die bereits Lady Drewer
kannte (The Mandaeans of Iraq and Iran, 292ff.) und die M.
1953 in Teheran am ausführlichsten aufgenommen und in seiner
NmChr veröffentlicht hat (106ff.), ferner die vom mand.
Lastträger Ferengl (Kap. 10: 324-329) und natürlich die beliebten
Schwänke des unverwüstlichen Mulla Nasreddln im Kap. 11
(330-359).

Es ist zu hoffen, daß durch das im übrigen vorzüglich ausgestattete
und durch den Druck geführte Buch der Wunsch von M.
in Erfüllung geht, das Interesse an den mandäischen Studien zu
wecken und zu verbreitern.

Marburg Kurt Rudolph

Mirbach, Wolfram: Universelles Leben: Originalität und
Christlichkeit einer Neureligion. Erlangen: Ev.-Luth. Mission
1994. VIII, 328 S. 8° = Erlanger Monographien aus
"Mission und Ökumene, 19. Kart. DM 45,-. ISBN 3-87214-
319-0.

Das „Universelle Leben" (UL), früher „Heimholungswerk Jesu
Christi", gehört zur Zeit zu den dynamischsten und rasch wachsenden
kirchenkritischen religiösen Sondergruppen deutschen
Ursprungs. Die vorliegende Arbeit, eine Erlanger Dissertation,
stellt sich zum Ziel, „Glaubenslehre, Pädagogik und Medizin"
dieser „neureligiösen Gemeinschaft" darzustellen und mit „verwandten
Denk- und Glaubensrichtungen" zu vergleichen.

Die Darstellung (Teil I) setzt mit der „Glaubenslehre" des
UL ein und stellt die Gotteslehre, die Anthropologie, Christolo-
gie, die heilsgeschichtliche Rolle der Prophetin Gabriele Wit-
tek, den „inneren Weg", Reinkarnation und Karma, Grundzüge
der Lebensweise und Grundlinien der Ethik vor. Dabei orientiert
sich der Vf. durchweg an ganz wenigen Quellen, vielfach
nur an einer, z.B. beruhen die Ausführungen über Jesus, 1.1.4..
auf einer einzigen Veröffentlichung. Auch in formaler Hinsicht
sind Mängel unverkennbar. Direkte und indirekte Zitate werden