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Ausgabe:

1995

Spalte:

122-124

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Sure 2,75 - 2

Titel/Untertitel:

212 1995

Rezensent:

Preißler, Holger

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Seite 1, Seite 2

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121

Theologische Literaturzeilung 120. Jahrgang 1995 Nr. 2

122

Themen aus islamwissenschaftlicher Sicht. Die Ausarbeitungen
bieten auf wenigen Seiten informative und ausgewogene Überblicke
über umfangreiche Gebiete. Alle Autoren legen den
Schwerpunkt auf heutige Auffassungen und gehen als Historiker
mit ihren jeweiligen Interessenschwerpunkten an ihre unterschiedlichen
Fragestellungen heran.

Nagels Darstellung von Theologie und Ideologie kann als
knappe Einführung zur gesamten Thematik gelten. Sein erster
Satz „Im Laufe seiner Geschichte sah sich der islamische Glaube
mehrfach von fremden Religionen oder Weltanschauungen radikal
in Frage gestellt" (I) ist auch für den modernen Islam kennzeichnend
. Das läßt sich in unterschiedlichem Malte auch in den
anderen Beitragen verfolgen. Nagel spannt den Rahmen vor
allem vom 19. Jh. bis zur Revolution im Iran 1979, die einen Einschnitt
in der Geschichte des modernen Islams darstellt. In den
letzten Jahren sind auf ideologischer Ebene neue Gedanken noch
stärker ausgearbeitet worden, vor allem Probleme der Menschenrechte
, ihrer Universalität und Anerkennung unter Beachtung der
islamischen Tradition, der Demokratie und des Pluralismus, die
aufgeschlossene Kreise gegen fanatische Kräfte im Islam mit ihrem
politischen und ideologischen Monopolisierungsstreben und
ihrer verengten Sicht der eigenen Religion ins Gespräch bringen.
Theologische Implikationen derartiger Diskussionen sind meist
noch nicht aufgespürt. Die bekannten Vertreter des modernen Islams
sind zudem keine Theologen, sondern traditionelle Rechtsgelehrte
oder auch Prediger. Viele sind religiöse Laien, die
manchmal nur über wenig solides Wissen über ihre eigene reiche
Tradition verfügen. Nagel hat übrigens inzwischen eine klare
Behandlung der „Geschichte der islamischen Theologie". München
1994, vorgelegt. Islamische Ethik hat in der modernen nichtislamischen
Literatur bisher nur geringe Beachtung gefunden.
Antes' Beitrag bildet hier eine begrüssenswerte Ausnahme, zumal
in ihm ein klarer Einblick in die Breite aktueller ethischer
wie politischer Diskussionen im Islam vermittelt wird. Walthers
Artikel über die Frau vertieft und erweitert teilweise Fragen, die
teilweise bereits bei Antes Erwähnung finden. Sie greift stärker
als die anderen Autoren auf historisches Material zurück,
während die Behandlung moderner Vorgänge auf den S. 118-120
relativ knapp, aber trotz der Kürze aussagekräftig bleibt. Durän
widmet sich den komplizierten Verhältnissen zwischen Muslimen
und Andersgläubigen und behandelt oft unterschätzte Dimensionen
im modernen Islam wie z.B. die islamische Mission
und Migration (136-139) und den eigenständigen Islam in den
USA (139-149). Der Islam in Westeuropa und insbesondere in
Deutschland wird leider nur nebenbei auf den S. I38f. erwähnt.

Weil dieser handliche Sammelband aus größeren Werken fundierte
Beiträge neu zusammenstellt und einem breiteren Kreis
zugänglich macht, kann er nur begrüßt und jedem ernsthaften
Interessenten am modernen Islam, vor allem auch Studierenden
und Lehrenden, sehr empfohlen werden.

Leipzig Holger Preißler

Bachmann, Christina: Religion und Sexualität. Die Sehnsucht
nach Transzendenz. Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1994.
252 S. 80. Kart. DM 39.80. ISBN 3-17-012555-9.

Das Buch stellt die interne Systematisierung von Theologie
gründlich in Frage. Vom Obertitel her könnte es in die Ethik
gehören. Der Untertitel weckt Assoziationen an fundamentaltheologische
Fragen. Die biographische Methode der Intensivinterviews
mit sieben Probanden enthält eine gewisse Nähe zur
empirischen Sozialforschung. Als Dissertation wurde die Arbeit
im Fachbereich Religionswissenschaft/Religionspädagogik der
Universität Bremen 1990 angenommen.

Der Vfn. geht es um die Beobachtung einer Entwicklung, die
die Soziologen U. Beck und E. Beck-Gernsheim inzwischen
mit dem Stichwort „Liebe als Nachreligion" gekennzeichnet haben
. „Die Suche nach Transzendenzerfahrung hat sich in der
gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation von der Religion auf
die Sexualität verlagert, als Folge eines Subjektivierungs- und
Privatisierungsprozesses" (8).

In den zentralen Kapiteln behandelt sie zunächst die neuzeitliche
Verlagerung von der institutionalisierten, doktrinal und
rituell definierten Religion der Kirchen zu einer subjektiven Religiosität
, die „mit Erfahrungen von Heilung, Ganzheit, Geborgenheit
, Lebendigkeit, Sicherheit und Gemeinschaft oder der
Sehnsucht danach in Zusammenhang gebracht" wird (74f).
Dabei verschiebt sich auch die „Erfahrung von Transzendenz als
Grenzüberschreitung" von der kognitiven Orientierung der klassischen
Philosophie zum numinosen Gefühl bzw. zur leiblichseelischen
Wahrnehmung im Sinne von M. Merleau-Ponty
(l()2ff). Daß auch die Sexualität eine neue Erschließungsaufgabe
zugwiesen bekommt, macht Bachmann an Ausführungen
von S. Freud, M. Foucault und G. Bataille u.a. deutlich (131 ff).
Religion und Sexualität können deswegen das Transzendenzbedürfnis
erfüllen, weil durch die dort vermittelten Erfahrungen
von Entgrenzung die Regression in den Primärnarzißmus ermöglicht
wird(174ff).

Das Buch ist darum wichtig, daß es den einseitig ethischen
bzw. pädagogischen Diskurs, der die theologische Öffentlichkeit
bei diesem Thema weitgehend beherrscht, radikal transzen-
diert. Sexualität wird hier als ein Elementarphänomen behandelt
und in der entsprechenden theoretischen Weite traktiert.
Das führt zu Fragestellungen, die in mancher Hinsicht neuartig
sind, etwa wenn es im Anschluß an L. Irigaray um die „Spiegelung
männlichen und weiblichen Lusterlebens in der Gottessymbolik
" geht (I90ff)- Die Profilierung jener neuen Religiosität
, die „als vorwiegend selbsterfahrungsbezogen, naturverbunden
, körperbezogen, meditativ und von einem traditionellen
Religionssystem als weitgehend unabhängig charakterisiert"
wird (227), sollte Kirche und Theologie nachdenklich stimmen.

Die entscheidende methodische Schwierigkeit des Buches
liegt im Verhältnis zwischen theoretischen und empirischen
Aussagen. Das Problem betrifft nicht die mangelnde Repräsentanz
der Probanden. Es geht vielmehr um die Frage, welchen
Wert man im Kontext von Sexualität und Religion bewußtseinskontrollierten
Selbstaussagen zumessen kann. Vor einem
platten Positivismus hütet sich die Vfn. Aber es ist deutlich, daß
die Befragten als aufmerksame Zeitgenossen immer auch jene
Einsichten formulieren, die eine populär wissenschaftlich gefütterte
Öffentlichkeit zum Thema bereitstellt. Und auf der anderen
Seite wächst erkennbar die Tendenz, die erfragten Antworten
teils als Bestätigung, teils als Widerlegung theoretischer
Einsichten zu überinterpretieren (z.B. 183f, 205ff).

Gerade weil das Buch Uberlieferte Problemkonstellationen
hinter sich läßt, verdient es in Dogmatik und Ethik, Seelsorge
und Unterricht große Beachtung.

Friedland Manfred Josuttis

Der Koran. Arabisch-Deutsch. Übersetzung und wissenschaftlicher
Kommentar von A. T. Khoury. 2: Sure 2,75-2,212.
Gütersloh: Mohn 1991. 384 S. gr.8«. geb. DM 250,-.

Ein Jahr nach dem ersten Band (vgl. die Bespr. in ThLZ 117,
1992, 172f.) dieses groß angelegten und bisher im deutschsprachigen
Raum einmaligen Unternehmens ist der zweite Band
erschienen, der die Verse 75 bis 212 der umfangreichsten
Koransure 2 (Die Kuh) behandelt. Der Rest dieser Sure (Verse
213-286) wird dann erst im dritten Band behandelt. Diese Ein-