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Ausgabe:

1995

Spalte:

1143-1144

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Gemeinsam auf eigenen Wegen 1995

Rezensent:

Kiesel, Klaus-Peter

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1143

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

1 144

Ngeiyamu, Joel, u. Johannes Triebel [Hrsg.]: Gemeinsam auf
eigenen Wegen. Evangelisch-Lutherische Kirche in Tanza-
nia nach hundert Jahren. Ein Handbuch. Erlangen: Verlag der
Ev.-Luth. Mission 1994. 357 S. m. 3 Ktn 80 = Erlanger
Taschenbücher, 99. Kart. DM 35,-. ISBN 3-87214-199-6.

Vor etwa 100 Jahren begannen einige lutherisch orientierte Missionsgesellschaften
Mitarbeiter in das damalige Deutsch-Ostafri-
ka zu senden. Heute lebt ein Viertel aller Lutheraner Afrikas in
schnellwachsenden, bischöflich verfaßten Kirchen im ostafrikanischen
Staat Tanzania. 1968, fünf Jahre nach dem Zusammenschluß
von sieben lutherischen Kirchen zur Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Tanzania (ELCT), wurde von Ernst Jaeschke im
Verlag der Ev. -Luth. Mission das erste der Handbücher über die
ELCT „Zwischen Sansibar und Serengeti" veröffentlicht. Ihm
folgte 1976 „Lutherische Kirche Tanzania", hg. von G. Meilinghoff
und Judah Kiwovele. Stammten in dem 1968 erschienenen
Werk neben dem Grußwort des damaligen tanzanianischen Erziehungsministers
S. N. Eliufoo nur drei Beiträge aus afrikanischer
Feder, so waren im 1976 erschienenen Handbuch schon die
Hälfte der Aufsätze von Einheimischen verfaßt und der damalige
Bischof der Süddiözese wirkte als Mitherausgeber.

Die Artikel im neuesten Handbuch mit dem programmatischen
Titel „Gemeinsam auf eigenen Wegen", vom nur drei
Monate nach dem Erscheinen verstorbenen ehemaligen Generalsekretär
der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tanzania
(ELCT) Joel Ngeiyamu in Zusammenarbeit mit Johannes Triebel
herausgegeben, stammen von siebzehn afrikanischen und
acht europäischen Autoren. Die Aufsätze sind unter vier großen
Leitgedanken gegliedert. Im ersten Themenkreis „Das Umfeld"
behandelt Cuthbert Omari die „Politischen Entwicklungen in
den letzten dreißig Jahren" (19-37) bis etwa 1990.

Zephania Mgeyekwa mahnt in seinem Aufsatz „Begegnungen
mit der traditionellen afrikanischen Religion" (42-50), daß
die traditionelle Ahnenverehrung in der afrikanischen Gesellschaft
nicht einfach ignoriert werden darf, „weil die Gemeinschaft
zwischen den Lebenden und Toten sehr eng ist" (50).
Leider informiert der von Elmar Krämer verfaßte, ausgezeichnete
und ausführliche geschichtliche Überblick über den „Islam
in Tanzania" (51-76) nur wenig über die Zeit nach der Unabhängigkeit
(1961). Gerne hätte man über die Hintergründe der
Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Islam und Christentum
in Tanzania mehr erfahren.

Unter dem zweiten Thema „Kirchen" finden wir eine gute
Zusammenfassung der „Geschichte lutherischer Mission und
Kirchen in Tanzania" von Naaman Laiser (79-98). Es folgt der
Beitrag von Ngeiyamu „ Die Evangelisch-Lutherische Kirche in
Tanzania heute" (99-108). Die kurzen Informationen über die
ELCT und ihre Gliedkirchen sind hilfreich, doch leider standen
den Herausgebern nur Statistiken bis 1992 zur Verfügung. Der
Handbuchbenützer wünschte sich für die nächste Ausgabe noch
detailliertere und aktuellere Informationen über die lutherischen
Kirchen in Tanzania. Einen Blick in die Zukunft wirft Owden-
burg Mdegella mit seinem Aufsatz „Neue Herausforderungen -
Visionen für das Jahr 2000" (118-127). Kurz stellen sich auch
die anglikanische und die katholische Kirche sowie die Brüder-
Unität und der Christenrat Tanzanias in eigenen Beiträgen vor.

Der dritte große Abschnitt behandelt die „Aufgaben der Kirche
": Christliche Erziehungsarbeit (Isaac Landei), theologische
Ausbildung (Friedrich Martiny), Mission (Isaac E. Makanta)
und die Öffentlichkeitsarbeit (Martha Kimaro). Ein Teil der diakonischen
Verantwortung der Norddiözese soll von den Schwestern
des 1979 gegründeten Diakonissen-Mutterhauses in Mo-
shi getragen werden. Darüber berichtet eine der beiden Gründerinnen
der „Ushirika wa Neema" Schwester Dietlinde Hofmann
(215-223). Als Stimme aus der Gemeinde schildert die Frauenleiterin
Ester Swai das Leben der Frauen in ihrer Gemeinde.

Im vierten Themenkreis geht es um die „Herausforderungen
und Antworten der Kirche". Drei renommierte Kirchenführer.
Bischof Erasto N. Kweka von der Norddiözese („Selbständigkeit
und gegenseitige Abhängigkeit", 231-242), Gabriel Kimi-
rei, stellvertretender Bischof der Diözese in der Arusharegion,
(„Partnerschaft - quo vadis?, 243-250) und Zephania Mgeyekwa
, Bischof der Süddiözese („Gastarbeiter. Missionare und
ökumenische Mitarbeitende", 251-257), verhandeln die aktuelle
und schwierige Frage nach den Beziehungen zwischen den „alten
, reichen, stagnierenden" und „jungen, armen, aber schnell
wachsenden" Kirchen. Oft verbirgt sich sogar hinter dem Begriff
Partnerschaft, schon von der ungleichen Situation der beiden
Partner her gesehen, eher Patenschaft und Paternalismus.
Freilich, so meint Kweka, sollte „jede Kirchengemeinschaft
erkennen, daß sie sowohl arm als auch reich ist" (235).

In seinem Aufsatz über „Das Bischofsamt in der ELCT" bedauert
Leonidas Kalugila, daß sich noch nicht alle Diözesen für
die apostolische Sukzession als Struktur des Bischofsamtes entschieden
haben und daher auch noch nicht das Amt eines Erzbi-
schofs der ELCT eingeführt werden konnte. Zwei Artikel behandeln
die charismatischen Bewegungen in den lutherischen Kirchen
Tanzanias: „Zeichen und Wunder" (272-282) von Reinhard
Veller und „Die ELCT begegnet der charismatischen Bewegung.
Eine kritische Stimme" (289-306), von Naaman Laiser.

Von Johannes Triebel stammt der Aufsatz „Polygamie als
Taufhindernis". Nach einem historischen Rückblick auf die
Auseinandersetzungen über die pastorale Frage, ob Männer, die
in Polygamie leben, getauft werden dürfen, dem Hören auf afrikanische
Stimmen und der Feststellung, daß die Bibel sowohl
die Monogamie als die Polygamie als Eheform kennt, kommt
der Vf. zu der theologischen Beurteilung, daß die Polygamie
kein Taufhindermis mehr sein kann und darf, weil sie kein
Glaubenshindernis ist (323). Die letzten beiden Beiträge stammen
von Elinaza E. Sondoro „Die Herausforderung der Großstadt
" (324-336) und Christoph Benn „Die Herausforderung
AIDS" (337-342). Das Handbuch schließt mit einer Stellungnahme
der ELCT „Ökumenisches Teilen von Lebensgrundlagen
" (343-349), Literaturhinweisen und einem Verzeichnis der
drei Mitarbeiterinnen und 22 Mitarbeitern.

Wer sich gründlich und authentisch über die Evangelisch-
Lutherische Kirche in Tanzania informieren will, wird dankbar
zu diesem Handbuch greifen.

Moshi Klaus-Pctcr Kiesel

Von Personen

Laudatio Klaus Peter Hertzsch zu seiner
Emeritierung am 13.11.1995 in Jena (Ausschnitt)

Mit dem Jahr 1969 begann nach bewegten Jahren als Studentenpfarrer
in Jena (1959-1966) und als Leiter der Geschäftsstelle
der Evangelischen Studentengemeinden der DDR in Berlin
(1966 -1969) die Tätigkeit als Hochschullehrer an der „Sektion
Theologie" der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sein Lehrstuhl
für Praktische Theologie war der gleiche, den bis dahin
sein Vater Erich innegehabt hatte. Die Antrittsvorlesung im
Frühjahrssemester stand unter dem Thema: „Praktische Theologie
als Erzählkunst". Sie war somit ein früher Beitrag zur Entwicklung
der „Narrativen Theologie", die sich Anfang der 70er
Jahre herausbildete.

Die folgenden 26 Jahre bis zur Emeritierung waren durch
drei Arbeitsfelder gekennzeichnet.

1) Die innerfachliche Arbeit innerhalb der Theologie: Hier
lagen die Schwerpunkte bei Homiletik, Liturgik und Gemeinde-