Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1995

Spalte:

1139-1140

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Delgado, Mariano

Titel/Untertitel:

Die Metamorphosen des Messianismus in den iberischen Kulturen 1995

Rezensent:

Eckholt, Margit

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

1139

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

1 140

Herrmann. Jörg: Patient Kirche. Anmerkungen zur Krise volkskirchlicher
Strukturen (PTh 83, 1994, 468-476).

Janowski. Hans Norbert: Asyl für Sinnsucher. Kirche in der Zivilgesellschaft
(EK 28, 1995, 157-161).

Luhmann, Niklas: Funktionen und Folgen formaler Organisation. Mit
einem Epilog 1994. 4. Aufl. Berlin: Duncker & Humblot 1995. 435 S. 8° =
Schriftenreihe der Hochschule Speyer. 20. DM 78,-. ISBN 3-428-08341-5.

Meeks, Wayne A.: Urchristentum und Stadtkultur. Die soziale Welt der
paulinischen Gemeinden. Aus dem amerik. Engl, ühers. von S. Denzel u. S.
Naumann. Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1993. 454 S. 8°.
Kart. DM 148,-. ISBN 3-579-01824-8. (Orig.Ausg. bespr. von Rebell, St.
Blaise, 111, 1986, 104).

Pollack, Detlef: Theologie der Entlastung. Vergebliche Hoffnung auf
einen besseren Sozialismus (EK 28. 1995. 73-76).

Schäfer, Rolf: Beobachtungen zur Kirchlichkeit im 19. Jahrhundert (In:
Rittner, R. [Hrsg.]: Beiträge zur Oldenburgischen Kirchengeschichte.
Oldenburg: Isensee Verlag 1993. 117-124).

Uyangoda. Jayadeva: Understanding Ethnicity and Nationalism (ER 47,
1995, 190-194).

Ökumene: Missionswissenschaft

Delgado, Mariano: Die Metamorphosen des Messianismus in
den iberischen Kulturen. Eine religionsgeschichtliche Studie.
Immensee: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft 1994.
133 S. gr.8° = Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft
Schriftenreihe, 34. Kart. sFr 21,80. ISBN 3-85824-075-3.

Die als Dissertation im Fach Religionswissenschaft vom Fachbereich
Philosophie und Sozialwissenschaften II der Freien
Universität Berlin angenommene Studie von Mariano Delgado
zu den „Metamorphosen des Messianismus in den iberischen
Kulturen" setzt sich das Ziel, sich „mit den Folgen der Aneignung
biblischen ,Auserwählungsbewußtseins'" (9) in den iberischen
Kulturen kritisch zu befassen.

Unter Bezugnahme auf die Studien der Historiker Jacques
Lafaye (Mesias, cruzadas, utopias. El judeo-cristianismo en las
sociedades ibericas, Mexiko 1984) und Americo Castro (Mesia-
nismo, espiritualismo y actitud personal, in: ders., Aspectos del
vivir hispänico, Madrid 1970) entfaltet D. seine These, daß die
Gestalt des iberischen Messianismus sich aus den messiani-
schen Sehnsüchten der kastilischen Judenchristen zu Beginn
des 15. Jh.s herleite. So ist biblisches Leitmotiv und Identitätsund
Differenzkriterium der verschiedenen „Metamorphosen"
des Messianismus, denen die kurze Studie nachgeht, Dan 2,37-
45, die Prophezeiung eines fünften, eschatologischen, in Ewigkeit
bestehenden Reiches: „... dieses wird alle jene Reiche zermalmen
und vernichten; es selbst aber wird in Ewigkeit bestehen
; wie du ja gesehen hast, daß der Stein sich vom Berg ohne
Zutun von Menschenhänden losriß, und Ton, Eisen, Erz, Silber
und Gold zermalmte".

Weltreichelehre und biblischer Translationsgedanke (in der volkstümlichen
Prägung des Otto von Freising, 1200) führten auf der iberischen Halbinsel
, faktisch gestützt durch die Erfolge der „reconquista" und „conqui-
sta" im 15. und 16. Jh. zur Ausbildung des „Quintomonarchismus" - der
„Sehnsucht nach Vollendung des von Daniel angekündigten eschatologischen
fünften Reichs als Universalmonarchie" (30).

In der religionsgeschichtlichen Untersuchung D.s werden die
unterschiedlichen Gestalten, die dieser iberische Messianismus
angenommen habe, in Anlehnung an die Sprachregelung von
Carsten Colpe (Das Phänomen der nachchristlichen Religion in
Mythos und Messianismus, in: Neue Zeitschrift für systematische
Theologie und Religionsphilosophie 9, 1967, 42-87) als
„Metamorphosen" bezeichnet. Untersucht werden Hispanisie-
rung (Kapitel II, vor allem die Zeit Kaiser Karls V. als des
„Vollenders" des eschatologischen, fünften Reiches, zu dem
ihm Eroberung und Missionierung der Neuen Welt das Recht
gebe), Lusitanisierung (Kapitel III, vor allem die Zeit der Restaurierung
der portugiesischen Monarchie um 1640, die Visionen
des Jesuiten Antonio Vieira), Kreolisierung (Kapitel IV,
die „Beerbung" des spanischen Sendungsbewußtseins durch die
spanisch-stämmigen Bewohner der Neuen Welt von Francisco
de la Cruz, den „Guadalupanos" bis zu Simon de Bolfvar und
Jose Marti), Indigenisierung bzw. Arulinisierung (Kapitel V, die
„andine Utopie", die nach dem Zusammenbruch des Inka-Reiches
entsteht, den Mythos vom Inkarri, dem messianischen
Inkaherrscher, ausbildet, im 19. Jh. dann eine Verbindung mit
dem Marxismus eingeht, z.B. Luis E. Valcärcel, Jose Carlos
Mariätegui, Jose Maria Arguedas), Mestizierung bzw. Latein-
amerikanisierung (Kapitel VI, die Suche nach einer kulturellen
Synthese in Lateinamerika, die auf Grundlage der „mestizaje"-
und Barockethos-These von Pedro Morande entfaltet wird). In
den letzten beiden Kapiteln (VII und VIII) werden Bezüge zur
Theologie der Befreiung und zu Dokumenten des lateinamerikanischen
Lehramts hergestellt, die Nachwirkung des Messianismus
wird aufgezeigt, vor allem in Formulierungen wie der
„Zivilisation der Liebe" (Joh. Paul II), die sich in Lateinamerika
vollenden könne.

Der Studie D.s kommt insofern Bedeutung zu, im deutschen
Sprachraum zum ersten Mal in einem religionsgeschichtlichen
Überblick auf das Moment des Messianischen in der Kulturgeschichte
Lateinamerikas hingewiesen zu haben. Sie kann Ausgangspunkt
für eine tiefere Kenntnisnahme von Autoren wie Antonio
Vieria, Francisco de la Cruz, Gonzalo Tenorio, Servando
Teresa de Mier u.a. und dem messianischen Potential ihrer Schriften
sein. Ob dem Messianismus jedoch der Anspruch eines ge-
schichtstheologischen Kriteriums (1 19, Anm. 1) zukommen kann,
das die von Enrique Dussel und Hans Küng vorgenommenen
Periodisierungen der lateinamerikanischen Kirchengeschichts-
schreibung überbietet, müßten vor allem weitere historische bzw.
kirchen- und theologiegeschichtliche Studien aufzeigen.

D. beschränk! sich auf eine religionswissenschaftliche Perspektive, ob
hier vielleicht eine fundamental theologische Kriteriologie im Blick auf das
Phänomen des Messianismus weiterhelfen könnte und vor allem die von
Delgado bewußt offen gelassenen Ambivalenzen des Messianismus - als
eschatologischeoder säkulare, theologische oder politische Größe - hätte
klären können? Das Werk oszilliert so zwischen einer politischen Bewertung
des Messianismus (mit dem Quintomonarchismus werden Hegemonialansprüche
untermauert) und einer theologisch-ekklesiologischen - die lateinamerikanischen
Kulturen sind ..Land der Sehnsucht für alle" (im Sinne
Hegels), was sich in kirchenamtlichen Formulierungen wie der „Zivilisation
der Liebe" niederschlägt. Der Wert einer möglichen Periodisicrung der lateinamerikanischen
Kirchengeschichtsschreibung durch das Modell des
Messianismus soll dadurch jedoch nicht gemindert werden.

Ob es sich jedoch im einzelnen immer um Metamorphosen
des Quintomonarchismus handelt, die Ursprünge der messianischen
Hoffnung nicht im ein/einen aufgespürt werden müßten,
ist eine Frage, wird doch bei D. selbst der Begriff so weit ausgedünnt
, daß er sogar auf den Sendero Luminoso und seinen
Anspruch einer politisch-messianischen Weltrevolution (99)
übertragen wird. Die messianischen Momente in der Theologie
der Befreiung sind ebenfalls weiter zu verstehen als im Rahmen
einer Metamorphose des Quintomonarchismus. So läßt die Studie
D.s viele Fragen offen - dies jedoch im positiven Sinn einer
Anregung für weitere theologisch-philosophische Studien zum
Phänomen des Messianismus in den iberischen - und lateinamerikanischen
- Kulturen.

Tübingen Margit Eckholt

Federschmidt, Karl H.: Theologie aus asiatischen Quellen.

Der theologische Weg CHOAN-SENG SONGs vor dem Hintergrund
der asiatischen ökumenischen Diskussion. Mit
einem Vorwort von K. Raiser. Münster: LIT Verlag 1994.
XIII, 304 S. 8° = Beiträge zur Missionswissenschaft und
Interkulturellen Theologie, 7. Kart. DM 48,80. ISBN 3-8258-
2061-0.