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Ausgabe:

1995

Spalte:

1123-1125

Kategorie:

Kirchenrecht

Titel/Untertitel:

Kirchenrechtliche Gutachten in den Jahren 1980 - 1990 1995

Rezensent:

Bock, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

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Ley, Michael: Der Antichrist in der Moderne (ZRGG 47, 1995, 145-
159).

Murphy, Nancey C: Christianity and Theories of Truth (Dialog 34,
1995,99-105).

Poythress, Vern S.: Reforming Ontology and Logic in the Light of the
Trinity: An Application of Van Til's Idea of Analogy (WTJ 57. 1995. 197-
220).

Strazzari, Francesco |Hrsg.|: Edward Schilleheeckx im Gespräch. Einführung
von R. Gibellini. Übers, von K. Pichler. Luzern: Edition Exodus
1994. 154 S. 8". Kart. DM 25,80. ISBN 3-905575-84-1.

Uda. Susumu: Is a Pradigm Approach Relevant to the Appraisal of Con-
temporary Theology? (WTJ 57, 1995. 221-239).

Volz. Carl A.: Is 1t True? Truth. Power, and Heresy in the Church (Dialog
34, 1995,86-91).

Wagner. Falk: Nämlich /.u Haus ist der Geist nicht im Anfang. Systematisch
-theologische Erwägungen zum Synkretismus (NZSTh 36, 1994, 237-
267).

Kirchenrecht

Campenhausen. Axel Frhr. von, u. Joachim E. Christoph:
Göttinger Gutachten. Kirchenrechtliche Gutachten in den
Jahren 1980-1990 erstattet vom Kirchenrechtlichen Institut
der Evangelischen Kirche in Deutschland. Tübingen: Mohr
1994. XVIII, 370 S. gr.8« = Jus Ecclesiasticum, 48. Lw. DM
78,-. ISBN 3-16-146194-0.

Der anzuzeigende Band enthält die wesentlichen Gutachten des
Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, die in den Jahren 1980
bis 1990 in Zusammenarbeit von Axel Frhr. v. Campenhausen
als Institutsleiter und von Joachim E. Christoph als Referenten
erstellt wurden. Die kirchenrechtlichen und staatskirchenrecht-
lichen „Göttinger Gutachten" schließen an zwei vorhergehende
Bände an: die Kirchenrechtlichen Gutachten der Jahre 1946 bis
1969 und die Münchener Gutachten der Jahre 1970 bis 1980,
die ebenfalls in der Reihe Jus Ecclesiasticum erschienen sind.
Da die Autoren in gemeinsamer Verantwortung für die Gutachten
zeichnen, sind keine Autorenzuschreibungen zu finden.

Aktuelle Probleme liegen den gutachterlichen Stellungnahmen
zugrunde: sie wurden jeweils auf Anfragen der EKD, der
Landeskirchen oder einzelner kirchlicher Stellen erstellt. Daher
findet man keine Ausführungen „nur zum Heil der Wissenschaft
". Vielmehr sind kurze und prägnante Arbeiten versammelt
, die sich an Schwierigkeiten kirchen- und staatskirchen-
rechtlicher Praxis orientieren. Die 34 Gutachten verteilen sich
über große Teile der kirchenrechtlichen und der angrenzenden
verfassungsrechtl ichen Landschaft.

Rein kirchenrechtliche Expertisen behandeln insbesondere
Fragen des Kirchenverfassungsrechts, des Zusammenschlusses
von Kirchengemeinden, des Dienstrechts und des Finanz- und
Haushaltsrechts. Hervorzuheben ist die grundlegende Arbeit
„Zu einigen Fragen des Mitgliedschaftsrechts in der EKD" (6
ff.). Das Mitgliedschaftsrecht ist ein guter Gradmesser der bisher
in der EKD und zwischen den einzelnen Landeskirchen
erreichten Gemeinsamkeiten. Zugleich verdeutlicht es. daß bis
zu einem reibungslosen Miteinander der konfessionsverwandten
evangelischen Kirchen in Deutschland und erst recht in
Europa noch ein langer Weg zu gehen ist. Das gilt z.B. für die
Übernahme kirchlicher Ämter durch „Gemeindefremde": Wer
ohne Aufgabe des Erstwohnsitzes eine längere Zeit an dem durch
die Arbeitsstelle begründeten Wohnsitz in der neuen Gemeinde
wohnt und sich dort um kirchliche Ämter bewirbt, bedarf dazu
der rechtlichen Grundlage zwischenkirchlicher Kooperationsvereinbarungen
. - Auch für im Kirchenrecht Bewanderte bietet der
Band viel Neues: Es zeigt sich, daß die Stellung der Kirchengemeinden
in Deutschland gegenüber den Landeskirchen und ihren

Leitungsorganen rechtlich relativ schwach ist; die verfassungsrechtliche
Organisationsgewalt liegt weitgehend bei den zentralen
kirchlichen Leitungsorganen und -gremien. Neuere kirchenrechtliche
Entwicklungen werden in den Gutachten reflektiert
aufgenommen. Das zeigen en passant die Ausführungen zur
Geltung kircheneigener Grundrechte (71). Spannungen /wischen
staatlichem und kirchlichem Recht werden besonders
deutlich auf dem Feld des kirchlichen Dienstrechts.

Dem Begriff der kirchlichen Dienstgemeinschaft kommt
dabei, wie insbesondere ein Gutachten zu den Mitwirkungsrechten
von Mitarbeitern im Aufsichtsrat einer Krankenhaus
GmbH zeigt, besondere Bedeutung zu (82 ff., 86 ff.). Ob der
theologisch fundierte Begriff der kirchlichen Dienstgemeinschaft
geeignet ist, innerbetriebliche Machtpositionen und -gefalle
auszugleichen, für die im sonstigen gesellschaftlichen Bereich
betriebliche Mitbestimmungsmodelle entwickelt worden
sind, wird sicher auch in Zukunft zu Streitigkeiten und Problemen
führen: dabei mag ein starres Gegeneinander der Positionen
einen sinnvollen Ausgleich nicht immer fördern. Die vorliegenden
Untersuchungen enthalten produktive Beiträge,
indem sie wesentliche Probleme ansprechen und gut durchdachte
Lösungen anbieten. Gerade die rein kirchenrechtlichen Gutachten
zeigen ein faszinierendes Wechselspiel zwischen den
normativen Vorgaben des kirchlichen Rechts und dem immer
wieder für das Kirchenrecht erforderlichen Rückgriff auf ursprünglich
im staatlichen Recht entwickelte Denkfiguren und
Institute, so bei der Frage nach den Rechtsfolgen der Versagung
einer Entlastung von Jahresrechnungen (114 ff ).

Die stärker ins Staatskirchenrecht hineinreichenden Gutachten
greifen mitunter weit zurück in die Geschichte der Beziehungen
zwischen einzelnen Staaten des Deutschen Reichs und
den Landeskirchen: die Frage der grundsteuerlichen Behandlung
kirchlicher Dienstgrundstücke im Bereich des ehemaligen
Fürstentums Waldeck führt zu einer Reise durch einen besonderen
Teil des Steuerrechts der letzten beiden Jahrhunderte (129
ff.). Ähnliches gilt mutatis mutandis - fast schon ihrer Natur
nach - für dingliche Patronatsrechte mit ihren tiefreichenden
historischen Wurzeln (169 ff.). Als problematisches Feld des
Staatskirchenrechts zeigt sich das Friedhofsrecht: Kirchliches
Selbstbestimmungsrecht und für alle geltendes Gesetz, kirchliches
Handeln als öffentliche Gewalt und die Anforderungen des
staatlichen Rechts an eben diese Handlungsform sind schwer
miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Die Schwierigkeiten
dieses abgelegenen Gebiets des Staatskirchenrechts werden
mit einleuchtenden Vorschlägen angegangen: es werden zufriedenstellende
Ergebnisse für die Praxis (Möglichkeit der Abdeckung
eines Hakenkreuzsymbols auf einem Grabmal aus
nationalsozialistischer Zeit) erzielt (213 ff.). Eine angesichts der
in jüngster Zeit vermehrt auftretenden finanziellen Probleme im
diakonischen Bereich zentrale Frage ist die Aufnahme neuer
Träger in bestehende diakonische Einrichtungen (230 IT.. 235
ff.). Ob ein Absinken kirchlicher Anteile an einer diakonischen
Einrichtung auf 26% noch für die Annahme einer kirchlichen
Trägerschaft ausreicht, wird - so auch das Gutachten - jedenfalls
zu ernsthaften Überlegungen Anlaß geben müssen.

Von den staatskirchenrechtlichen Einzelexpertisen erscheinen
besonders erwähnenswert die zum Zeugnisverweigerungsrecht
von Prädikanten (267 f.), zu den Schweigepflichten im
kirchlich-diakonischen Bereich (279 ff.) und zu den Auswirkungen
des Kontaktsperregesetzes auf die Seelsorge im Strafvollzug
(340 ff.). Abschließend sei auf die sehr präzise Studie
über die Eintragung der Scientology Kirche Celebrity Center
Hamburg e.V. in das Vereinsregister hingewiesen (354 ff.): Die
Behandlung dieser Gruppierung als wirtschaftlicher Verein
beruht auf der einfachen Anwendung vereinsrechtlicher Vorschriften
. Als Religionsgemeinschaft ist sie verfassungsrechtlich
nicht von den Anforderungen des BGB befreit.