Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1995

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

1121

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

1 122

Arbeit noch nicht zugängliche, jedoch für das Thema sehr wichtige
Kommentar von Albrecht Peters zum vierten Hauptstück in
Luthers Katechismen (1993), zu schweigen von den das Thema
einschließenden Untersuchungen zur gesamten Sakramentenlehre
. Im englischen Sprachbereich hingegen ist diese Spezialuntersuchung
, eine an der Universität Durham 1991 angenommene
Dissertation, zweifellos ein Sonderfall, zugleich aber
auch in vieler Hinsicht eine wichtige Bereicherung zu den vorlegenden
Studien, die in mancher Hinsicht weitergeführt und
ergänzt werden.

Dies betrifft zunächst einmal die Bearbeitung von Luthers
Schriften nach 1527, während sonst vorwiegend die Tauftheologie
des jungen Luthers und deren mittelalterliche Tradition
untersucht worden sind. An erster Stelle wird, was bisher völlig
versäumt war, die Genesisvorlesung (1535- 1545) herangezogen
, die ja in der Tat eine Fundgrube für die gesamte Theologie
Luthers bildet (Kap. 2). Anschließend wird (Kap. 3) mit dem
Schwerpunkt auf der Tauflehre des Großen Katechismus die
Abrundung der Tauftheologie nach den Kontroversen mit den
Schwärmern herausgestellt, zumal in der Verbindung von Wort
und Element als Vergegenwärtigung der Taufgabe. Das gegenwärtige
und vergegenwärtigende Wort (present word) wird
historisch und theologisch mit gutem Grund hervorgehoben.
Die Betrachtung wendet sich dann auf den jungen Luther', vor
allem anhand der ersten Psalmenvorlesung (Dictata super psal-
terium 1513-1519) (Kap. 4). An der Abfolge der Kapitel und
der ausgewählten Quellen wird deutlich, daß es dem Vf. nicht
um die Nachzeichnung einer biographischen Entwicklung geht,
sondern um die Stetigkeit in der Schriftbegründung, wobei mit
Genesis und Psalmen alttestamentliche Vorlesungen deshalb in
den Vordergrund gerückt werden können, weil es durchweg um
die besondere Weise der Begegnung von Gott und Mensch im
Wort geht.

Die auf den ersten Blick etwas befremdlichen Titel der Kapitel
machen dieses systematische Interesse deutlich: "A cuckoo
in the nest?" greift in Kap. 1 aktuelle Problematisierungen zu
Luthers Taufverständnis von Karl Barth bis zu dem Lima-Dokument
„Taufe" auf. In Kap. 2, „The trysting place" (Stelldichein
) erscheint die Genesisvorlesung als Treffpunkt der Probleme
, und mit „Wasser ins Wort gefaßt" wird in Kap. 3 die
Grundposition beschrieben. "Reboarding an abandoned ship"
beschreibt in Kap. 4, wie die innerreformatorische Kontroverse
um Geltung und Wirkung der Taufe zu klärenden Abgrenzungen
bei Luther führt. Das folgende Kapitel behandelt dann das
Leben aus der Taufe: „Semper es in motu et initio" (Kap. 5).

In Kap. 6 werden Überlegungen zu den Grenzen der Kirche
im Blick auf Gabe und Wirkung der Taufe angestellt. Als Ertrag
aus der Quellenanalyse werden Einsichten gesammelt, die sich
unmittelbar auf die volkskirchliche Situation der Gegenwart beziehen
. „Wie verhält sich die Taufe zu den unsichtbaren Grenzen
wahrer Gliedschaft in der Kirche und wie kann ihre scheinbar
unumgängliche Randstellung vermieden werden? - Die
Antwort auf diese Rätselfrage liegt in der .Zeitform' der Taufe.
Taufe kann nicht auf die Vergangenheit beschränkt werden -
sie wirkt als Ruf in der Gegenwart. Die getaufte Gemeinde mag
eine amorphe Masse sein, deren Grenzen nahezu genau mit der
sie umgebenden Gesellschaft zusammenfallen. Aber durch die
Kraft der Taufe ist die gesamte Gemeinde gerufen, das Wort der
Verheißung zu hören und im Glauben Gott, dem Urheber der
Verheißung zu begegnen an den bestimmten Treffpunkten, zu
denen die Taufe selbst gehört..." (1%)- Die Taufe in der Zeitform
der Gegenwart zu begreifen, erschließt mithin die Wirklichkeit
christlicher Existenz und der kirchlichen Gemeinschaft
nicht bloß in Beschreibung und Betrachtung, sondern unter dem
gegenwärtigen Handeln Gottes: „Die Zeitform der Gegenwart
ist bei der Taufe vor allem konzentriert auf das Wort Gottes, das
in ihr gehört wird. In der Taufe vollzieht sich eine Begegnung

von Gott und Mensch..., und Luther zögert nicht, dies als Theo-
phanie zu bezeichnen..." (202).

In einer abschließenden Würdigung von Luthers Tauflehre
(Kap. 7) wird der theologiegeschichtliche Rückblick in einen
theologischen Ausblick auf die kirchliche Gegenwart überführt
mit der Frage: „Welchen Wert kann eine Tauftheologie, die im
Kontext einer Christenheit des 16. Jahrhunderts entstanden ist
für eine Kirche haben, die in der pluralistischen Welt des ausgehenden
20. Jahrhunderts lebt?" (207). Die Einsicht, daß die
Taufe nicht nur Vergegenwärtigung, sondern Gegenwart der
Wirklichkeit Gottes ist, öffnet den Blick dafür, daß es bei Luthers
Tauftheologie nicht um geschichtsbedingte und mithin
zeitlich begrenzte Eigentümlichkeiten geht, sondern um das,
was von grundlegender Bedeutung für die „katholische Kirche"
insgesamt ist (207).

Dies aber bedeutet ganz praktisch, daß die weithin vergessenen
Abgrenzungen Luthers in ihrer grundlegenden theologischen
Berechtigung wieder gesehen und nach vollzogen werden
müssen. Dies betrifft z. B. die Ablehnung einer Trennung zwischen
„äußerem Zeichen und innerer Wiedergeburt". Es betrifft
ferner ein Verständnis der Taufe, bei dem der menschliche Akt
von gehorsamer Antwort die Tat, Gabe und Wirkung Gottes
verdeckt oder ersetzt. Glaube und Taufe gehören zusammen!

Mit diesen und ähnlichen Hinweisen wird die Frage gestellt,
inwieweit es berechtigt ist, im Rückblick auf die reformatorischen
Kontroversen in Luthers Taufverständnis eine vermittelnde
Grundlage für die Verständigung über die Taufe in der
Gegenwart zu sehen. Die Antwort ist ein eindeutiges Nein; die
entscheidende Begründung dafür liefert eine ausführliche Fußnote
(223 A.7I), in der das „Lima-Dokument Taufe" mit guten
Gründen kritisiert wird. Dies zielt vor allem auf die Kompromißformel
in § 8: „Die Taufe ist zugleich Gottes Gabe und unsere
menschliche Antwort auf diese Gabe."

Es ist sicher auch berechtigt, wenn der Vf. einen "pervasive
use of unqualified language in the document" kritisiert, mit dem
vorhandene Gegensätze nicht aufgehoben, sondern nur verschleiert
werden. Leider wird aber das entscheidende Problem
dieses Dokuments nicht benannt, nämlich daß die Gegenwartswirkung
des Herrenworts für die Begründung und Wirkung der
Taufe aufgehoben ist und durch die Taufpraxis der Kirche
ersetzt wurde (§§ 1-3).

Die Antwort auf Luthers quälende Frage nach dem gnädigen
Gott und auf seine ernsten Bemühungen, mit Werken der Buße
das Heil zu gewinnen, war die Einsicht, daß er damit nicht mehr
ausgerichtet habe, „denn das ich nur die liebe Taufte verloren,
ja helffen verleugnen" (WA 37,661,26 f). Der Vf. beginnt seine
Einleitung mit einem Zitat aus der Genesisvorlesung und dem
Hinweis auf Luthers tägliches Gebet, „daß ich die Gabe der
Taufe recht in Ehren halte und in Wahrheit achte, daß ich getauft
bin..." (WA 42,666,34).

Erlangen Reinhard Slenczka

Brändle. Werner: Überlegungen zur Rede vom Handeln Gottes (NZSTh
37, 1995,96-1 17).

Edgar, William: Two Christian Warriors: Cornelius Van Til and Francis
A. Schaeffer Compared (WTJ 57, 1995, 57-80).

Ernst. Stephan: Hoffnung auf ein neues Leben. Der Reinkamationsglau-
be als Anfrage an die christliche Eschatologie (StZ 120, 1995. 447-457).

Häring. Hermann: Opnieuw leren wat wij zijn vergeten: De vele kanten
van het spreken over God in een seculaire samenleving (TTh 35. 1995. 148-
170).

Härle. Wilfried: Christus factus est peccatum metaphorice. Zur Heilsbedeutung
des Kreuzestodes Jesu Christi (NZSTh 36. 1994. 302-315).

Jansen. Henry: Moltmann's View of God's (Imlmutability: The God of
the Philosophers and the God of the Bible (NZSTh 36, 1994, 284-301).