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Ausgabe:

1995

Spalte:

1120-1122

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Trigg, Jonathan D.

Titel/Untertitel:

Baptism in the theology of Martin Luther 1995

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

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hende Kenntnis der jeweiligen Positionen offensichtlich nicht
abgedeckt" (300). Deshalb kommen nun Philosophen der phänomenologischen
Tradition wie E. Husserl, M. Heidegger, M.
Merleau-Ponty und G. Marcel zur Sprache, deren „philosophische
Positionen sich eines substantialen Ansatzes erfolgreich
entschlagen haben (... und deren) Denken daher die Wahrheit
einer ontologischen Alternative zur Substanzontologie darstellt,
die von den Vertretern der Transssignifikationslehre verfehlt
wird" (293). Dabei zeigt sich die Phänomenologie als eine konsequente
Fortschreibung der Neuzeit, so „daß es sich keinesfalls
um eine ,Wende zum Objekt' handelt" (355). Ihre zentrale Frage
zielt vielmehr, darin die Höhe des ebenfalls ausführlich dargestellten
Substanz-Denkens bei Aristoteles (vgl. 305-343)
wahrend, auf eine letzte, nicht mehr hintergehbare Wirklichkeit
im Sinne der Transzendentalphilosophie Husserls. Deren
eigentliche Leistung ist es, „die Ursprünglichkeit einer Relation
vor jeder ,Subsistenz' auszuweisen (,... wobei) die Relate -
Subjekt und mundanes Objekt - erst entspringen" (387). Die
eindringlichen Darstellungen dieser verschiedenen philosophischen
Ansätze münden jeweils in eine knappe Bilanz, die die
besondere Leistung der einzelnen phänomenologischen Entwürfe
gegenüber einer Substanzontologie würdigen. Als eigentlicher
Vorzug dieses phänomenologischen Denkens wird die
darin vorgestellte Alternative zu einem substanzontologischen
Wirklichkeitsverständnis betrachtet:

„Die Substanzontologie betrachtet das .Sein' als Voraussetzung seines
.Erscheinens für...', während ein phänomenologischer Ansatz dies .Sein' als
.Erscheinen für..." identifiziert: Vom Standpunkt einer Substanzontologie
ist die Subsistenz eines Subjektes und eines Objektes die Voraussetzung für
deren commercium, dem eine erscheinende Welt, und möglicherweise auch
eine subjektive Lebenswelt entspringt, die eine subjektive .Interpretation'
oder Verzeichnung der .Welt an sich' ist. Ein phänomenologischer Standpunkt
hintergeht diesen Ansatz: weder die Welt, noch das Subjekt ,sind',
ohne jeweils einem Subjekt, bzw. sich selbst gegeben zu sein: die Voraussetzung
der SeinsbeTiauptung ist das Erscheinen." (540)

In einem abschließenden 3. Teil (542-582) wird dieses auf
der Ebene des philosophischen Denkens gewonnene Ergebnis
auf seine theologische Bedeutung hin durchsichtig gemacht.
Weit über die engere Fragestellung nach Recht und Wahrheit
der verschiedenen Entwürfe zum Verständnis einer Transsignifikation
der eucharistischen Gestalten hinaus stellt sich nun die
grundlegende, freilich auch eucharistisch bedeutsame Frage
nach der Zuordnung von „Pro me und Substanz" (552-580).
Hier wird in knappen und eindringlichen Strichen die offenkundige
Nähe einer lutherischen Verhältnisbestimmung von Glaubensgegenstand
und Glaubensvollzug zu dem ausführlich beschriebenen
phänomenologischen Ansatz umrissen. Unter deutlicher
Reserve gegenüber einer Substanzontologie plädiert der
Vf. dabei für einen bei Luther zu findenden „Transzendentalismus
", wonach „die Aussagen über das Verhältnis Gottes, Christi
und der Realpräsenz zum Glauben bzw. zum Nichtglauben
ihrer eigenen Logik gemäß nicht mehr auf ein ,an sich' Gottes,
Christi, der promissio hintergehbar sind" (557 f.). Dabei verkennt
er allerdings nicht die offenkundige Gefahr eines solchen
Ansatzes, nämlich „die Unfähigkeit, Gott als Ursprung des
Glaubensvollzuges im eigentlichen Sinne auszusagen" (580).
Die innere Verknüpfung dieser theologischen mit einer ontologischen
Problematik, die „Frage nach dem Verhältnis von
Theologie und Ontologie" (581) bleibt daher die endlich in Angriff
zu nehmende Aufgabe. Dabei handelt es sich allerdings,
wie der letzte Satz andeutet, um nichts anderes als um „die
Begründung des substantialen Denkens" (582).

Eine stupende Gelehrsamkeit und Begabung zu philosophischem
Denken, solide Kenntnis der dargestellten theologischen
und philosophischen Entwürfe, beachtliche Souveränität bei der
kompetenten Darstellung der verschiedenen Ansätze, ein hohes
Problembewußtsein und die Fähigkeit zu ebenso scharfsinniger
wie scharfer, stets um eine sachliche Begründung bemühte Kritik
zeichnen diese gewichtige Arbeit aus. Dabei verdienen auch
die klare Gliederung, die hilfreiche Vorschau auf einzelne
Abschnitte sowie abschließende Zusammenfassungen, Rückblicke
und Überleitungen sowie eine klare Argumentationsstruktur
besondere Erwähnung.

Bedauerlich bleibt unter dieser Rücksicht allerdings, daß die z.T. recht
umfangreichen Untergliederungspunkte der einzelnen Abschnitte im Text
nicht wieder auftauchen. Auch wenn damit dem ohnehin dicken Band noch
einige Seiten hinzugefügt worden wären, hätte dies die Orientierung erheblich
leichter gemacht. Daß in den laufenden Text sowohl englische als auch
französische und sogar niederländische Originalzitate unübersetzt eingebracht
wurden, erschwert, gerade für den letzteren Fall. Lektüre und Verständlichkeit
der Argumentation unnötig.

Die besondere Stärke dieser Arbeit liegt allerdings in der
stringenten und beharrlich durchgehaltenen Zuspitzung auf jene
fundamentalontologischen Fragen, die sich in der Vorstellung
einer Realpräsenz Christi zugleich als dringliche theologische
Probleme widerspiegeln. Daher bleibt der Schwerpunkt dieser
Dissertation die umsichtige Entfaltung einer wirklichen Alternative
der Phänomenologie gegenüber den begrenzten Möglichkeiten
einer Substanzontologie. Die ausführliche Darstellung
und Kritik der neueren Bemühungen um eine Transsignifikati-
onslehre in der katholischen Theologie erscheint demgegenüber
nur einen einzigen Zweck zu erfüllen: Sie dient als Sprungbrett
und Einstieg für die viel breiter ausgreifende, vor allem aber
entschieden höhere Ebene einer theologisch-philosophischen
Diskussion der Alternativen zu einer Substanzontologie.

Angesichts dieses vorrangigen thematischen Interesses bleibt
zu fragen, ob der Vf. eine wirklich kongeniale, den Intentionen
der jeweiligen Theologen entsprechende Interpretation der
Transsignifikationslehre vorlegt. Sicherlich wird man seinem
(den enormen Aufwand rechtfertigenden) einleitenden Urteil
zustimmen, es fehle bislang „eine ausführliche kritische Analyse
dieser Thesen" (16). Sie vorgelegt zu haben, bleibt daher ein
unleugbares Verdienst dieser Studie. Allerdings führt die gesamte
Kritik mit einer auf Dauer ermüdenden Monotonie stets
..auf den schon des öfteren thematisierten Generalfehler der
Transsignifikationslehre: den Rückfall in die Grundbestimmungen
der Substanzontologie" (200). Warum der Vf. für sein
offenbar ziemlich anders gelagertes Interesse einen derart breiten
.Einstieg' braucht und dabei die besprochenen eucharistischen
Neuansätze über einen einzigen, von ihm unbeirrt zum
alleinigen Maßstab gemachten Leisten schlägt, bleibt schwer
verständlich.

Mit einigem Staunen fragt sich der Leser dieses voluminösen Bandes, ob
das „gewaltsam" (580) erreichte Ende bzw. Ergebnis, nämlich die Verwandlung
der „Frage nach dem Verhältnis von .Realpräsenz und Ontologie
'... zur Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Ontologie" (581),
dem enormen Aufwand, gerade einer so eindringlichen Untersuchung der
Transsignifikationslehre, entspricht und diesen lohnt - zumal dieser Einsatz
am Schluß kaum mehr aufgenommen und eucharistietheologisch fruchtbar
gemacht wird. Was hier als wichtige Einsicht und eigentlicher Gewinn der
überaus lang und diffizil geratenen Ausführungen verbucht wird, hätte sich
wohl auch mit geringerem Aufwand und etwas zurückhaltender Polemik
und Überheblichkeit gegenüber diesem (sogar vom Vf. schlußendiieh anerkannten
) ökumenischen Bemühen erreichen lassen. Der wesentliche Ertrag
dieser durchaus gescheiten Arbeit bleibt daher, was sie selbst mit großem
Selbstbewußtsein präsentiert: ein Problem.

Mainz Arno Schilson

Trigg. Jonathan D.: Baptism in the Theology of Martin
Luther. Leiden-New York-Köln: Brill 1994. VII, 234 S. gr.
8° = Studies in the History of Christian Thought, 56. Lw. hfl
120.-. ISBN 90-04-10016-4.

Im deutschen Sprachbereich ist kein Mangel an Arbeiten zur
Tauflehre Luthers: Werner Jetter (1954). Karl Brinkel (1958).
Lorenz Grönvik (1968) und zuletzt der für die vorliegende