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Ausgabe:

1995

Spalte:

1115-1117

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Sauter, Gerhard

Titel/Untertitel:

Einführung in die Eschatologie 1995

Rezensent:

Beißer, Friedrich

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1115

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

I I 16

„Epigrammatisch" der Gedichtsammlung von 1815): „A: Was
widert dir der Trank so schal? B: Ich trinke gern aus dem frischen
Quall. A: Daraus kam aber das Bächlein her! B: Der
Unterschied ist bedeutend sehr: 's wird immer mehr fremden
Schmack gewinnen;/Es mag nur immer weiter rinnen." Soll das
„Büchlein" lutherischer Theologie nicht zu einem „schalen"
Trank verkommen, dann darf man es in der Tat nicht einfach
„nur immer weiter rinnen" lassen; dann darf man es freilich
auch nicht um der vermeintlichen Reinheit willen kanalisieren
oder verrohren. Wie das Luthertum neu auf seinen ursprünglichen
Geschmack gebracht werden kann, ist bei B. beispielhaft
zu lernen.

Wuppertal Johannes von Lüpke

Sauter. Gerhard: Einführung in die Eschatologie. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1995. XIV, 232 S. 8° =
Die Theologie. Kart. DM 38,-. ISBN 3-534-07044-5.

Dieses kleine Buch halte ich für eines der interessantesten, die
auf diesem Gebiet seit längerer Zeit erschienen sind. Von den
Problemen, die es aufgibt, wird freilich noch die Rede sein
müssen.

Ein Autor, der sich auf dieses Feld begibt, steht vor immensen
Schwierigkeiten, einmal, weil der Begriff und damit der Gegenstand
der Eschatologie ganz unterschiedlich gefaßt wird, dann
wegen der Überfülle unterschiedlicher Positionen. Sauter stellt
zunächst einen (von ihm schon früher vorgeschlagenen) dreifachen
Eschatologie-Begriff auf. Eschatologie kann demnach aufgefaßt
werden als Lehre von der zukünftigen Vollendung aller
Dinge, als „Lehre von den Letzten Dingen", sie kann weiter
bezeichnen das Letzte als in der Geschichte wirksames Ziel, auf
das insbesondere unser Handeln sich auszurichten hat, und sie
kann als „radikale Eschatologie" Gott als den ganz Anderen
überhaupt der Welt und der Geschichte gegenübersetzen.

In den folgenden 3 Kapiteln (2-4) stellt S. drei Ausprägungen
eschatologischen Denkens dar, wie sie sich in der neueren Theologiegeschichte
geltend gemacht haben. Zuerst wird die Eschatologie
liberaler Theologen wie (u.a.) Troeltsch, A. Schweitzer und
die sog. Konsequente Eschatologie behandelt unter dem Stichwort
: Jesus von Nazareth: „Hoffnungsträger". Der (typisierenden
) Darstellung schließt sich an eine detaillierte Kritik, als
deren Hauptmoment man vielleicht diesen Einwand benennen
kann: Solche E. begrenzt Jesus ganz auf sein diesseitiges Verhalten
. Außer acht bleibt dabei aber das Geschehen seines Todes,
seiner Kreuzigung und seiner Auferweckung, von der, die Gabe
der Hoffnung verleihend, der Heilige Geist ausgeht.

Im nächsten Kapitel stellt S. die E. der Dialektischen Theologie
(und verwandte oder darauf bezogene Positionen) dar, die
im Wesentlichen als radikale Eschatologie gekennzeichnet
wird. Die Hauptlinie der Kritik liegt m.E. in der Warnung, E.
dürfe nicht aufgelöst werden lediglich zu einem Ferment aller
Theologie, vielmehr sei doch am wiederkommenden Christus
festzuhalten. Dabei liegt S. freilich vor allem daran, von einer
solchen Wiederkunft verschiedene naheliegende Mißverständnisse
fernzuhalten.

Das vierte Kapitel behandelt unter der Überschrift „Der Gott
der Hoffnung - Macht der Zukunft" den eschatologischen Aufbruch
der 60er Jahre (u.a. Pannenberg, Moltmann, die Theologie
der Befreiung). Die Kritik läßt auch Verständnis für diesen
Aufbruch erkennen. Hierzu doch ein Zitat: „Die theologischen
Lehrer, die damals eine Eschatologie zusammenstellten, wollten
in dieser Umbruch- und Aufbruchsituation ihren Zeitgenossen
keine neuen Visionen vermitteln und auch nicht eine bessere
Welt vor Augen malen, sondern beharrlich die Frage wachhalten
: „Was ist dein ein[z|iger Trost im Leben und Sterben?"

(156 - Wollten sie alle wirklich nur das ?) S. markiert aber auch
die Gefahr einer solchen nur in der Geschichte wirksamen
Eschatologie. Wir dürfen Gottes eschatologisches Handeln
nicht verwechseln mit unseren ethischen Aktivitäten, nicht
Gottes Handeln verwechseln mit der Geschichte, so sehr aber
grundsätzlich eine Theologie der Geschichte erforderlich sei.

Kapitel 5, das insbesondere der römischen Theologie gewidmet
ist, verbindet eine Darstellung der wichtigeren neueren
Positionen mit einer ökumenischen Auseinandersetzung, die
vor allem ein unterschiedliches Verständnis der „Hoffnungsgewißheit
" herausarbeitet.

Das letzte darstellende Kapitel (6) versammelt verschiedene
Stellungnahmen zu eschatologischen Fragen, die sich aus dem
„Leben der Kirche" heraus neuerdings ergeben haben. Recht
Verschiedenes ist hier vereint, z.B. ein Hinweis auf das Votum
des Theologischen Ausschusses der EKU über die „Bedeutung
der Reich-Gottes-Erwartung für das Zeugnis der christlichen
Gemeinde" (dazu zitiert S. das Diktum von Pfarrern, „dies seien
.todrichtige' Ausführungen" (189], betont aber, hier sei doch
einige Klarstellung erreicht), z.B. über den eschatologischen
Charakter des Abendmahls u.v.a.

Ein Schlußkapitel liefert ein Resümee, doch darauf ist im folgenden
einzugehen. Mit diesen wenigen Angaben können die
überaus reichen und differenzierten Ausführungen S.s nur ganz
grob angedeutet werden. S. zeichnet ein umfassendes Spektrum
, sowohl der neueren Positionen wie auch der damit verbundenen
Sachfragen. Neben der deutschen ist auch die angelsächsische
, neben der evangelischen ist auch die römische
Theologie umfaßt. Dies alles bildet eine bewundernswerte Leistung
. Etwas kurz kommen allenfalls die Beiträge lutherischer
Theologie (Peter Brunner z.B. findet so wenig Erwähnung wie
A. Peters. P. Althaus wird nur kurz abgekanzelt).

Doch nun der Versuch, S.s Position etwas zu analysieren:

Entscheidend ist dafür sein Kegriff von Eschatologie. Daran
ist bedeutsam die Dreigliedrigkeit. Man kann darüber diskutieren
, ob man gut daran tut, eine solche Ordnung vorzunehmen.
(Ich habe meinerseits in der ThLZ 1995, 495-510, eine Einteilung
vorgeschlagen, die der von S. nahekommt: E. als Lehre
vom künftigen Ende / E. als „chiliastische" E. / E. als E. des
Glaubens. Die beiden ersten Glieder entsprechen m.E. denen
von S.) Aber viel wichtiger und bemerkenswerter ist das Verhältnis
, in das jene 3 Gruppen von S. zueinander gesetzt werden
. Es handelt sich nicht einfach um irgendwie nebeneinander
oder gegeneinander operierende Typen von Konzeptionen, vielmehr
sucht S. sie zu verstehen als gegensätzliche Teil-Momente
einer Einheit. Diese 3 Typen verweisen aufeinander, sie bilden
zusammen die Eschatologie als ganze.

Damit modifiziert S. die Positionen all derer, die er referiert,
entscheidend. Der Interpret relativiert sie alle, die doch ihrerseits
jeweils die (ganze) Eschatologie darlegen wollen, zu Teilmomenten
, die sich gegenseitig ergänzen und in Frage stellen. Zwischen
den von S. behandelten Positionen besteht aber nicht selten
ein kontradiktorischer Gegensatz. Troeltsch oder Schweitzer
z.B. wollten eine rein diesseitige Eschatologie, weil sie eine E.
der künftigen Vollendung für erledigt hielten. Umgekehrt wird
ein Vertreter einer E. der Letzten Dinge sich unmöglich mit einer
bloß immanenten Geschichtseschatologie abfinden können etc.
Es ist S.s Unternehmen, diese Positionen als notwendige Teilmomente
eine Ganzen aufzulassen.

Welches Verständnis von E. ergibt sich hieraus? Formal, so
kann man antworten, entsteht ein dialektisches Pendeln. Jede
der drei aufgestellten Typen hat ja ihr Recht, ihre Wahrheit.
Keine aber vermag die ganze Wahrheit selbst zu bieten. So
kann jede nur aufgestellt werden, indem man sie gleichzeitig
kritisiert und zurücknimmt. Genau dieses dialektische Spiel
führt uns S. durch seine Kapitel hindurch mit vielen bemerkenswerten
Argumenten auch vor. Auf diese Weise erhalten alle