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Ausgabe:

1995

Spalte:

1100-1101

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Tode, Sven

Titel/Untertitel:

Stadt im Bauernkrieg 1525 1995

Rezensent:

Blaschke, Karlheinz

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1099

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

I 100

Savvidis, Petra: Hermann Bonnus, Superintendent von Lübeck
(1504-1548). Sein kirchenpolitisch-organisatorisches
Wirken und sein praktisch-theologisches Schrifttum. Lübeck:
Schmidt-Römhild 1992. XIII, 450 S. 8° = Veröffentlichungen
zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, 20. Kart. DM
24,80. ISBN 3-7950-0458-6.

Vor allem auf der Grundlage von Einzeluntersuchungen ihres
Lehrers Wolf-Dieter Hauschild in Münster legt Petra Savvidis
eine beachtenswerte Darstellung des literarischen Werkes von
Hermann Bonnus in Verbindung mit seiner Biographie vor.
Zielsetzung ist es, sein weithin unbekanntes Schrifttum vorzustellen
und sein kirchenpolitisch-organisatorisches Wirken
möglichst vollständig zu erfassen.

In einem ersten Abschnitt werden für Bonnus' Biographie bis
zur kommissarischen Übernahme des Superintendentenamtes in
Lübeck die bisherigen Forschungsergebnisse kritisch zusammengefaßt
. Der Konflikt mit dem Bürgermeister Jürgen Wullenwe-
ver führte zum Predigtverbot für Bonnus, aber nicht zur offiziellen
Abberufung. In Lübeck hatte er sich mit der altgläubigen
Opposition und mit täuferischer Lehre auseinanderzusetzen.

Außerhalb der Stadt war er schon 1533 in Rostock tätig, dort
eine Kirchenordnung aufzustellen und bei der Universitätsreform
zu helfen. Am Hamburger Konvent einiger hansestädtischer
Theologen wirkte er 1535 an führender Stelle mit. Seine Auseinandersetzungen
mit der täuferischen Lehre brachten ihn in Gegensatz
zu dem Wismarer Prediger Heinrich Never. Es ist aber
doch wohl zweifelhaft, daß Menno Simons sich bereits 1535 in
Wismar aufgehalten hat. Seine Lehre entfaltete dieser literarisch
erst später, so daß er zu diesem Zeitpunkt kaum als einer der geistigen
Väter Nevers gelten kann. Von einem Fall abgesehen
(121) wird fälschlicherweise stets Menno „Simon" geschrieben.
Das führt dazu, daß im Register unter Menno „Simon" auch in
zwei Fällen bei dem Hinweis auf S. 239 und S. 244 nicht der
Täufer Menno Simons, sondern der Apostel Simon zu finden ist.
Ausführlich wird Bonnus' Wirksamkeit als Reformator und Kirchenorganisator
in Osnabrück im Jahre 1543 dargestellt. Dazu ist
jetzt als Ergänzung das umfangreiche Werk „450 Jahre Reformation
in Osnabrück" heranzuziehen, das 1993 erschien.

Mehr als die Hälfte der Arbeit (164-405) nimmt die ausführliche
Darstellung und Besprechung von Bonnus' praktischtheologischem
Schrifttum ein. Eine Epistelpostille, Anmerkungen
zur Apostelgeschichte und eine Predigt über Mt 18 orientieren
sich an der Wittenberger Theologie. Die Rechtfertigungslehre
, vor allem durch Bugenhagen vermittelt, steht im Mittelpunkt
. Von Melanchthon übernimmt Bonnus die Akzentuierung
der pädagogischen Funktion für seine historischen Werke. Für
den Schulgebrauch bearbeitete und übersetzte er die deutsche
Weltchronik von Johannes Carion ins Lateinische. Diese wurde
auch von Melanchthon bearbeitet. Bonnus' Lübecker Chronik
gehört nach dem Urteil der Vfn. zu den hervorragenden histo-
riographischen Werken, die in Lübeck in niederdeutscher Sprache
angefertigt wurden. Bonnus' Stellungnahme zur politischen
Geschichte gleicht weitgehend der Luthers.

Das Heiligenkompendium (205-268 behandelt), die Farrago,
von 1539 ist ein hagiographisch-historiographisches Werk. Der
praktische Bezug der Heiligenlegenden als Glaubensbeispiele
für die Verkündigung steht auch hier im Vordergrund. Bonnus
war der erste Theologe, der sich im Rahmen reformatorischer
Theologie mit den Heiligen beschäftigte. Damit war er wegweisend
für die später erschienenen Arbeiten von Georg Major und
Georg Spalatin zum gleichen Thema. Die posthum herausgegebenen
Institutiones sind vor allem Anleitung zum Gebet und
stammen nicht alle von Bonnus. Wörtliche Abschriften von
Melanchthon lassen sich nachweisen. Ein Katechismus (körte
Vorvatinge) von 1538, in 168 Fragen und Antworten aufgeteilt,
ist Bonnus' bekannteste Schrift. Ausgehend von der Rechtfertigung
zeichnet er ein geschlossenes Bild reformatorischer Lehre,
wie sie uns aus Wittenberg bekannt ist. In dem Abschnitt über
Bonnus' Beitrag zur Hymnologie der Reformationszeit (344-
405) führt genauere Quellenanalyse dazu, ihn als einen der
wichtigsten Kirchenliederdichter des niederdeutschen Sprachraums
zu bezeichnen. Vor der Überschätzung seiner Mitarbeit
am niederdeutschen Gesangbuch wird aber gewarnt.

Ein kurzer Quellenanhang, ein ausführliches Quellen- und
Literaturverzeichnis, sowie ein nicht auf Vollständigkeit bedachtes
Register schließen diese Arbeit ab.

Die Dissertation von S. bringt zwar kaum grundlegend neue
Erkenntnisse, aber sie stellt das Wissen um Hermann Bonnus
durch meist sorgfältige Quellenarbeit auf gesicherte Grundlagen
. Eindrucksvoll wird das Bild eines Reformationstheologen
entfaltet, der praktisch umsetzte und durchführte, wofür Luther.
Melanchthon und Bugenhagen den Grund gelegt hatten. Arbeiten
solcher Art sind für das Erfassen dessen, was im Reformationsjahrhundert
geschah, unverzichtbar.

Emden Menno Smid

Tode. Sven: Stadt im Bauernkrieg 1525. Strukturanalytische
Untersuchungen zur Stadt im Raum anhand der Beispiele
Erfurt, Mühlhausen/Thür., Langensalza und Thamsbrück.
Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang
1994. 375 S. 80. Kart. sFr 89.-. ISBN 3-631-47240-4.

Von 1967 bis 1989 ist die Reformationsgeschichte durch eine
Reihe von hochrangigen Gedenkjahren in Atem gehalten worden
, die vom 450. Jubiläum der Thesenveröffentlichungen über
das Bauernkriegsgedenken von 1975 und das Lutherjahr 1983
bis zur 500. Wiederkehr des fiktiven Geburtsjahrs Thomas
Müntzers reichte. Als Frucht dieser Jahre intensiver Forschungen
und einer außergewöhnlich regen Publikationstätigkeit liegt
eine kaum zu überblickende Fülle von Veröffentlichungen vor,
die neben neuen Tatsachen vor allem auch ein schärfer ausgeprägtes
Problembewußtsein und eine intensivere Reflexion mit
sich gebracht haben. Besonders die Herausforderungen durch
das historisch-materialistische Konzept, die Einheit von Reformation
und Bauernkrieg als sogenannte frühbürgerliche Revolution
zu fassen, hat zu einem andauernden Meinungsstreit und
zur Formulierung neuer Leitbegriffe geführt. Wenn dieses Konzept
auch von der herkömmlichen Reformationsgeschichte
nicht angenommen worden ist. so hat es doch im Sinne des ..sie
et non" eine Überprüfung traditioneller Standpunkte nach sich
gezogen und Akzentverschiebungen mit sich gebracht, die sich
gerade im Bereich von Bauernkrieg und Thomas Müntzer belebend
auf die Kirchengeschichte ausgewirkt haben. Der bisherige
Außenseiter der Reformation wurde aus seiner Isolierung
und Verfemung herausgeholt und auf eine Stellung mehr zur
Mitte hin gerückt.

Daß dieser in 22 Jahren tief beackerte Untergrund immer noch
fruchtbar ist, zeigt sich an dem anzukündigenden Buch. Es geht
der Frage nach, welche Stellung die Städte mit ihrem Bürgertum
im Bauernkrieg eingenommen haben, wobei namentlich gedankliehe
Linien von Günther Franz. und Peter Blickle aufgenommen
werden, die einerseits den Bauernkrieg eben als einen „Krieg der
Bauern", andererseits aber mit dem Begriff des „gemeinen Mannes
" eine den engeren dörflichen Bereich überschreitende
„Revolution" zu sehen glauben, die auch städtisch-bürgerliche
Gruppen einschloß. Als Gegenstand der Untersuchung wurden
vier Städte ausgewählt, die einerseits in enger räumlicher Nachbarschaft
in einem vom thüringischen Bauernkrieg stärker betroffenen
Gebiet liegen, andererseits aber infolge ihrer sehr
unterschiedlichen Größen- und Verfassungsverhältnisse als Typen
für eine Klassifizierung der Städte verwendet werden können
.