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Ausgabe: | 1995 |
Spalte: | 1097-1098 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Reformationszeit |
Autor/Hrsg.: | Rogge, Joachim |
Titel/Untertitel: | Commentarii in secundam Pauli epistolam ad Corinthios 1995 |
Rezensent: | Rogge, Joachim |
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1097
Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12
1098
Hing des Müntzerbriefwechsels nicht vorliegt, für die Manfred
Kobuch seit Heinrich Boehmer und Paul Kirn bislang als einziger
die Moskauer Autographen kollationieren konnte, ist für die
Frühzeit der Edition B.s anstelle der im MSB unumgänglich.
Als 10. Stück fügt B., ebenfalls in kritischer Edition, die Frage-
artikcl des Nürnberger Montanunternehmers und Ratsherrn
Christoph Fürer mit den eigenhändigen Antworten Müntzers
an, die er im Scheurlarchiv entdeckt hat. Er datiert sie auf Oktober
/Dezember 1524. Es folgt die erwähnte Nachschrift
Müntzers einer Wittenberger Hieronymusvorlesung nach der
Lichtdruckausgabe. Den Abschluß bilden fünf Quellen zur
Altarstiftung Henning Godekens zu St. Michael in Braunschweig
, an der Müntzer von 1514 bis 1521122 durch ein Lehen
partizipierte. Auch diese Stücke sind sorgfältig ediert. Fraglich
ist nur die Quellenbestimmung. Ist es korrekt, die Eintragung
beurkundeter Rechtshandlungen in das städtische Testamentbuch
(Testament Godekens), in das Fundationsbuch (Errichtung
von Godekens Altarlehen) oder ins Briefbuch (Präsentation von
Müntzers Vorgänger Johann Kills, Präsentation Müntzers, Präsentation
von Müntzers Nachfolger Gregor Harwen) als
Abschriften bzw. Reinkonzepte zu bezeichnen? Hatten die Eintragung
durch den Ratsschreiber nicht ebenfalls Urkundencharakter
?
Die Fragen und die ergänzenden Hinweise sind als Reaktion
aul B s Erwartung weiterer neuer Erkenntnisse zu verstehen
<XV). Ob die Forschung zu Müntzer gegenwärtig wirklich
»sehr im Fluß" ist. wie der Autor 1988 meinte, kann bezweifelt
werden. Thomas Müntzer ist im Zuge der politischen Veränderungen
eher in die Gruppe der vielen reformatorischen Theologen
eingereiht worden, deren Wirken nach wie vor zu den Forschungsaufgaben
der Reformationshistoriker gehört. B.s Untersuchungen
zur Frühzeit Müntzers /ählen zur Grundliteratur für
die wissenschaftliche Arbeit mit den frühen Quellen über den
eigenwilligen und profilierten Reformator.
Berlin Siegfried Brauer
Feld. Helmut (Ed.]: Commentarii in secundam Pauli Episto-
lam ad Corinthios. Genf: Droz 1994. LX, 247 S. gr.8° =
loannis Calvini. Opera Exegetica. Series II. Vol. XV. ISBN
2-600-00021-6.
Eine ganze Reihe international anerkannter Calvinforscher hat
es unternommen, alle Werke des Genfer Reformators erneut
(denuo), versehen mit einem allen modernen Editionskriterien
gerecht werdenden textkritischen Apparat, herauszubringen. Es
ist schon jetzt kein Zweifel, daß nach Erscheinen des groß angelegten
Werkes wissenschaftliche Arbeiten nach dieser Ausgabe
zitieren werden. Sieben Abteilungen sind vorgesehen: Institu-
tio, exegetische Werke. Kirchenschriften, didaktische und polemische
Werke. Predigten. Briefe und „Varia".
Wir haben in der Serie der Exegetica den als zweiten erschienenen
Band, den 2. Korintherbrief betreffend, vor uns. Zeitlich
davor ist bereits der Kommentar zu den kleinen Paulusbriefen
erschienen. (Korrekturen und Nachträge dazu (11/16) sind hier
in Band 15 mit verzeichnet. (LVI1-LX)
Helmut Feld, als Hg. bereits mehrfach glänzend ausgewiesen,
vermittelt uns eine weitere Probe seiner editorischen Meisterschaft
. In seinem Vorwort (IX f.) und in seiner instruktiv-aus-
lührlichen Einleitung (XI-XLV), außerdem in einer akribischen
Bibliographie (XLVII-LVI), führt F. in das Verständnis des lateinisch
verfaßten Calvin-Kommentars, der 1548 zum ersten Mal
»schienen ist, ein. Der hier gebotenen Version „liegt der Text
der dritten Ausgabe von 1556 zugrunde". (XXIII)
F. hält sich an die detailliert vorliegenden Editionsgrundsätze
, die in einem schmalen Separatdruck in deutscher und englischer
Fassung dem ersterschienenen Band beilagen. Danach ist
zu erwarten, daß auch künftige Bände der Opera Omnia zu hervorragenden
Arbeitsgrundlagen für alle Calvinforscher werden.
In den Präliminarien berichtet F. darüber, auf welchem wissenschaftlichen
Hintergrund seine editorische Arbeit geschah.
Er widmet sein Werk dem Andenken des zu früh verstorbenen
Reformationshistorikers Peter Manns und weiß sich, was vielfältig
deutlich wird, dessen Arbeitsweise verpflichtet. Der
Erwähnung bedurfte auch die „umsichtige und gediegene
Unterstützung und Zusammenarbeit", die „dem Moderator der
Kommission zur Herausgabe der Werke Calvins und Sekretär
des Internationalen Calvin-Kongresses, ... Wilhelm H. Neuser '
zu danken ist. (IX) Die Hgg. des Gesamtwerkes wissen sich
ohnehin dem Internationalen Calvin-Kongreß in vielfältiger
Weise verbunden, so daß diese wissenschaftliche Einrichtung
den Hintergrund für die Neuausgabe bildet. Sie ist eine der
Früchte des kontinuierlich tagenden Kongresses, für den nicht
genug zu danken ist.
F. nimmt Formales und Inhaltliches zur angemessenen Einbindung
des Calvin-Kommentars zum 2Kor auf. Der Kommentar
ist dem bedeutenden Juristen und Humanisten Melchior
Volmar gewidmet (3 f.), worauf der Hg. in extenso eingeht.
(XIII-XXIII) Die Art der Verbundenheit dieser beiden gelehrten
Zeitgenossen wirft ein interessantes Licht auch auf die Biographie
, besonders den Werdegang, des Genfer Reformators.
Wie stark Calvins Kommentar Eingang fand in die Auslegungsgeschichte
der nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte,
dokumentiert F. eindrücklich. Außer der Übersetzung ins Japanische
(1963) finden sich Ausgaben in lateinischer, englischer,
niederländischer und deutscher Sprache. Das macht ein weiteres
Mal schon rein formal deutlich, wie wichtig es ist, zum Verständnis
des Lebenswerkes Calvins nicht allein die immer wieder
traktierte Institutio, sondern auch die exegetischen und
Brief-Corpora heranzuziehen. In der Korrespondenz bezüglich
der Kommentare werden beispielsweise „die Sachdifferenzen
und latenten Spannungen zwischen (dem Zwingli-Nachfolger in
Zürich) Bullinger und Calvin, die auch in den Kommentaren
des öfteren angedeutet sind" (XIII), deutlich.
Vor dem Abdruck des Kommentarcorpus selbst (5 bzw. 9-
218) mit seinen 13 Kapiteln nimmt F. ebenso eindeutig wie
zurückhaltend den Leser an die Hand zur Einführung in die
.theologischen Themen" des Kommentars. (XXX-XLV) Calvin
handelt Uber die Diener des Wortes, die Botschaft der Versöhnung
, die Gemeinschaft mit dem Leiden Christi und über
falsche Lehren. Mit exakten Stellenangaben und Zitaten weist
F. die Akzente auf, die Calvin setzt.
Die Aussagen gegen die Korinther, die sich ein „Christentum
ohne Kreuz" konstruieren (zu 4,12; XLI), werden vom Kommentator
genau so apostrophiert wie der kontemporäre Gegner
Michael Servet, „in dessen monophysitisch geprägter Theologie
er die christologischen Häresien des Zeitalters der Alten Kirche
wiedererstehen sieht", (zu 5,16; 13,4; XLIV) Calvin wendet
sich gegen die Bischöfe als pseudoepiscopi (XLIV). ganz besonders
scharf jedoch gegen den Papst, der sich als „Stellvertreter
Christi" bezeichnet, aber „in Wirklichkeit ein Schüler des
Teufels" sei, „der seinen Meister an jeglicher Abscheulichkeit
zu übertreffen sucht", (zu 11,14; XLIV f.)
Der Hg. resümiert: „Wie man weiß, ist das theologische Denken
Calvins durch eine große Geschlossenheit und Gleichförmigkeit
ausgezeichnet: in seinen zentralen theologischen Aussagen
ist über die Jahre seines Wirkens als Lehrer der Kirche
hin so gut wie keine Veränderung festzustellen." (XXXI) Für
solche bezeichnende conclusio rindet F. offenbar auch im Kommentar
zum 2Kor hinreichend Belegstellen.
Berlin Joaehim Rogge