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Ausgabe:

1995

Spalte:

1081-1082

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Weatherly, Jon A.

Titel/Untertitel:

Jewish responsibility for the death of Jesus in Luke-Acts 1995

Rezensent:

Rese, Martin

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Seite 1

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1081

Theologische Literatur/eitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

1082

••Le Testament...". P. gibt in recht umfangreicher Einleitung
Auskunft über Umfang und Abfassungszeit der beiden hier
übersetzten Schriften (der „Brief" um 160/70 n.Chr., das
..Testament" 5. Jh.). Im weiteren wird Auskunft gegeben über
den Bestand an Textzeugen (Hgg.) und den Stand der Forschung
bis in die letzten Jahre. Wertvoll ist auch die in der Einleitung
gebotene Zusammenfassung wichtiger Themen dieser
Schrift: Verkündigung an Maria, Apostel, Erzengel, Glaubensbekenntnis
, Kampf gegen den Doketismus, Menschwerdung
u.a. Das „Testament" ist eine Apokalypse: Sie beschreibt die
Zeichen, die dem Kommen Jesu zum Gericht vorangehen; die
Schrift berührt sich mit den Kapiteln 34-36 des „Briefes".

Die vorliegende Studie ist eine wertvolle Einführung in ein
weithin unbekanntes Gebiet der Apokryphen und kann anregen
zu weiteren Studien. Sie dürfte vor allem auch für den Anfänger
wertvoll sein, dem es nicht unbedingt möglich ist. den (auch
finanziell!) gewichtigen „Hennecke" anzuschaffen.

Steffishurg/Bern Hans Bietenhard

Weatherly, John A.: Jewish Responsibility for the Death of
Jesus in Luke-Acts. Sheffield: JSOT Press 1994. 307 S. gr.
8°. = Journal for the Study of the New Testament, Suppl. Ser.
106. Lw. £40.-. ISBN 1-85075-503-5.

I >as in liegende Buch ist die überarbeitete Fassung einer Ph.D.Dissertation
, die der amerikanische Vf. in Aberdeen/Schottland
angefertigt und 1991 eingereicht hat. Auf dieses Buch trifft zu.
was für die meisten der in Aberdeen entstandenen ntl. Dissertationen
gilt: Sie sind sehr fleißig erarbeitet und versuchen, methodisch
und sachlich den neuesten Forschungsstand zu berücksichtigen
; inhaltlich wird für gewöhnlich ein mehr oder weniger
konservatives Ergebnis angestrebt.

W. will mit seiner Untersuchung die vor allem von Jack T.
Sanders (The Jews in Luke-Acts, London 1987) vertretene These
widerlegen, das lukanische Doppelwerk sei antisemitisch,
eine These, die W. in seinem ersten Kapitel ("A Review of Research
on Judaism and the Death of Jesus in Luke-Acts", 13-49)
als einen sehr weit reichenden Konsens (von F. C. Baur über
Overbeck. Loisy, Dibelius, Conzelmann und Haenchen bis hin
zu Sanders) charakterisiert. W. selbst stellt zwei Thesen auf,
eine nicht so konservative und eine recht konservative; die erste
wird in zwei Kapiteln entwickelt ("Jerusalem's Responsibility
for the Death of Jesus in Luke-Acts", 50-98; "Jerusalem s Responsibility
in Relation to All Israel". 99-175), die zweite in
vier Kapiteln ("Responsibility for the Death of Jesus in Paul:
IThessalonians 2.14-16". 176-194: "Responsibility for the
Death of Jesus in Pre-Synoptic Tradition ". 195-224; "Origins of
Jerusalem's Responsibility for the Death of Jesus in Acts", 225-
264; Transmission of Traditions of Responsibility for the
Death of Jesus", 243-270):

1. Nicht so konservativ ist W.s Meinung, in LkEv und Apg
würden nur die Oberen Jerusalems und die Juden Jerusalems
für die Kreuzigung Jesu verantwortlich gemacht, nicht aber alle
Juden, und außerdem wären an der Kreuzigung Jesu auch
Nichtjuden beteiligt, nämlich Pilatus. Herodes und die römischen
Soldaten; nirgends aber werde versucht, die Beteiligung
der Heiden an der Kreuzigung Jesu herabzusetzen, um die jüdische
Verantwortung zu unterstreichen. Schließlich gebe es im
lukanischen Doppelwerk keinen Hinweis darauf, daß für seinen
Verfasser ganz Israel Jesus und sein Evangelium verworfen hat,
vielmehr werde Israel gezeichnet als „eine Nation, geteilt in
ihrer Reaktion und geteilt in ihrem Schicksal" (175).

2. Recht konservativ ist es. wenn W. versucht, den Nachweis
dafür zu liefern, daß die Sicht der Kreuzigung Jesu im lukanischen
Doppelwerk nicht auf Lukas selbst zurückgeht, sondern

auf die von ihm übernommenen Quellen und Traditionen, und
wenn er außerdem vermutet, diese Quellen und Traditionen seien
an diesem Punkt wahrscheinlich historisch zuverlässig.
„Jesus (sei) von jenen getötet wurden, die Lukas nennt" (273).

W.s Buch ist erfreulich flüssig und präzis geschrieben. Das
sei ausdrücklich hervorgehoben, ist es doch bei der Gattung
„Dissertation" keineswegs selbstverständlich. Zum sachlichen
Gehalt dieses Buches ist das Folgende zu sagen. Es ist schon
schief, wie W. seine Arbeit in die Forschungsgeschichte einordnet
. Ihm ist bedauerlicherweise entgangen, daß im 19. Jh. last
nur Overbeck von einem Antijudaismus des Lukas gesprochen
hat, und daß nach dem möglichen Antijudaismus des Lukas in
diesem Jh. für lange Zeit so gut wie gar nicht gefragt wurde. In
der Lukas-Diskussion der fünfziger und sechziger Jahre unseres
Jh.s geschah das überhaupt nicht, und erst seit den achtziger
Jahren (Maddox, Sanders) interessiert man sich wieder für dieses
Problem!

Auch W.s zweite These ist mehr als schief: Selbst wenn
Lukas die Betonung der Beteiligung der Juden an der Kreuzigung
Jesu nicht selbst geschaffen, sondern aus der (vielleicht
auch noch historisch zutreffenden) Tradition übernommen haben
sollte, so hätte er sie sich doch durch eine derartige Übernahme
zu eigen gemacht, und diese Betonung müßte im Vergleich
mit anderen ntl. Aussagen (Markus; Paulus) beurteilt
werden. Immerhin ist W.s erste These halb richtig. Wie auch
W. vermerkt, hat schon J. Dupont betont, daß in den Reden der
Apg allein die Juden Jerusalems für Jesu Tod verantwortlich
gemacht werden. Etwas komplizierter ist es bei der Frage, wie
es mit der Beteiligung von Nichtjuden bei Jesu Kreuzigung aussieht
: Nach Apg 4,27 haben sich Herodes und Pilatus zusammen
mit den Heiden und Israel gegen Jesus gewandt, während
Pilatus und Herodes nach Lk 23,1-25 keine Schuld bei Jesus
finden und dieser von Pilatus den Juden übergeben wird, und
nicht (wie bei Markus und Matthäus) den römischen Soldaten;
diese Juden sind dann in Lk 23,26-34 diejenigen, die Jesus zur
Kreuzigung abführen und ihn auch kreuzigen.

Zwischen den Angaben in Apg 4,27 und in Lk 23 besteht
tatsächlich eine Spannung; sie läßt sich vielleicht traditionsgeschichtlich
erklären. Doch das ändert nichts daran, daß sowohl
im LkEv als auch in der Apg die jüdische Beteiligung an der
Kreuzigung Jesu stärker betont wird als bei Markus. In der anderen
Hälfte der ersten These meint W.. nichts im lukanischen
Doppelwerk weise darauf hin, daß ganz Israel Jesus und sein
Evangelium verworfen hat. Damit verzeichnet und verkürzt W..
was Overbeck und spätere für den Antijudaismus des Lukas
angeführt haben. Denn diese haben aus der in LkEv (4,24-29:
19.41-44) und Apg (6+7; 13,45; 18,6; 28,28) geschilderten
Ablehnung Jesu und des Evangeliums durch die Juden geschlossen
, Lukas wolle so zeigen, daß die Juden ihre Vorrechte
selbst verwirkt haben (Overbeck); das belege, daß Lukas letztlich
die Juden schon ..abgeschrieben" hat (Haenchen). und gerade
das sei sein Antijudaismus (.1. T. Sanders). Trotz aller Mühe,
die sich W. in seinem dritten Kapitel mit den genannten Stellen
gibt - nirgends hat er ihre übliche Deutung entkräftet.

Aus den genannten Gründen hält der Rez. W.s Buch nicht für
einen Beitrag, der die nötige Diskussion über den möglichen
Antijudaismus des Lukas fördert.

Münster Martin Rese

Winter, Martin: Das Vermächtnis Jesu und die Abschiedsworte
der Väter. Gattungsgeschichtliche Untersuchung der
Vermächtnisrede im Blick auf Joh. 13-17. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht 1994. 370 S. gr.8° = Forschungen zur
Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 161.
I.w. DM 118,-. ISBN 3-525-53843-X.