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Ausgabe:

1995

Spalte:

1069-1073

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lohfink, Norbert

Titel/Untertitel:

Studien zur biblischen Theologie 1995

Rezensent:

Lux, Rüdiger

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

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eines für Gerechte wie Sünder unterschiedlichen Geschicks In der Sache setzt er konsequent mit Arbeiten zum innerübrig
. Alle anderen Stimmen, die sich in Prophetenbüchern kirchlichen Gespräch ein, um damit den Ort zu annoncieren, an
durchaus linden, stammen, wenn sie das gleiche Thema zur Spra- den er sich als Bibelwissenschaftler gebunden weiß und für den
che bringen, von Redaktoren. Diese äußern sich freilich so unter- er arbeitet und denkt. Wer die Arbeiten L.s kennt, weiß aber
schiedlich, daß keine „Übergreifende Redaktionsschicht" nach- auch, daß diese Bindung keine Beschränkung auf den Horizont
weisbar wird (254). Ihr Anliegen ist seelsorgerlich. Die Redakto- dieses Ortes bedeutet, sondern eher eine Entschränkung dessel-
ren lösen die Prophetenworte aus ihrem konkreten historischen ben durch biblische Horizonte. L. beginnt mit einem Aufsatz
Kontexl und machen sie. was K. besonders wichtig zu sein aus dem Jahr 1964 „Über die Irrtumslosigkeit und die Einheit
scheint, zu Lehren ..einer ewig gültigen Wahrheit" (261. vgl. der Schrift" (13-39). Darin wird der Versuch unternommen, die
259-263 insgesamt und schon 184-220). Inspirationslehre, die der durch die kirchliche Tradition vorge-

Der Aufgabe, die er sich gestellt hat, ist der Vf. umsichtig gebene Begriff der ..Irrtumslosigkeit der Schrift" impliziert, auf

nachgegangen. Wo Sekundärliteratur herangezogen wird, ge- dem Hintergrund der neuzeitlichen Bibelwissenschaft neu zu

schiebt das mit behutsamem Abwägen. Das zentrale Ergebnis, denken. Er vertritt die These, daß sich die Irrtumslosigkeit der

daß in den Prophetenbüchern zumeist erst in den redaktionellen Schrift für den Bibelwissenschaftler nicht mit der Irrtumslosig-

Schichten ein Interesse an einem detaillierten Geschick für Sün- keit der Hagiographcn oder der einzelnen biblischen Bücher

der wie Gerechte erkennbar wird, trifft sicherlich zu. begründen lasse, sondern nur mit dem auf eine Einheit tendie-

Was der Leser von den weiteren Ergebnissen der Monografie renden Prozeß der Kanonisierung der Schrift. L. ist der Auffas-
für stichhaltig hält, häng! von seinen eigenen methodischen sung. daß dieser Einheitssinn der Bibel, den schon Martin
Vorentscheidungen ab. Ausschlaggebend für den exegetischen Buber in ihrer Schriftwerdung angelegt sah, im Neuen Testa-
Ertrag ist in der Studie durchweg die gegenwärtig modisch ment zu seinem Abschluß kommt. „Deswegen wird man erst in
gewordene isolierte Uterarkritik. Erwägungen zu strukturalen der Biblischen Theologie beim irrtumslosen Schriftsinn ankom-
Rahmenbedingungen atl Texte finden sich ebensowenig wie men" (38). An diese wichtige systematische Studie schließt sich
semantische Überlegungen Mit dieser Art des Vorgehens dürf- ein energisch vorgetragenes Plädoyer an, mit dem L. den not-
te zusammenhängen daß die älteren ..Namenspropheten" ins wendigen Raum und die Bedeutung exegetischer Arbeit für
theologische Abseits zu -eraten drohen. Ihre „radikale Volks- Studierende der Theologie gegen eine sich absolut setzende
Perspektive" war damals schon nach Meinung des Vf.s ..an- Systematik einklagt (Text und Thema. 40-48). Mit den Stichstößig
"; während die individuell differenzierende Sicht der Worten „Text" und „Thema" wird auf zwei wissenschattstheo-
Redaktoren eine menschlichem Denken und Gerechtigkeits- retisch selbständige und notwendige Arbeitsweisen der Theolo-
empfinden viel eher entsprechende Vorstellung" in die Texte gie aufmerksam gemacht. „Niemals durfte die Spannung und
einbringt (232) Stellt sich das Entweder-Oder unter den Bedin- fruchtbare Wechselwirkung zwischen 1 hema und Text, sachge-
gungen hebräischen Denkens wirklich so einfach dar? Wie, bundener Frage und textgebundener Offenheit des Hörens zu-
wenn die Volksperspektive der frühen Propheten gar nicht gunsten der absoluten Alleinherrschaft des einen Wegs der W is-
so ..radikal" gewesen wäre? Bezeichnenderweise setzt der Vf. sensfindung beseitigt werden" (44). Einen bewegenden Beitrag
Programmatisch mit der traditionellen Wiedergabe von Am 8,2 widmete L. einem bedeutenden Gelehrten und Kirchenmann:
ein: ..Das Ende ist gekommen für mein Volk Israel" (1). ohne „Augustin Bea und die moderne Bibelwissenschaft" (49-63).
die mit dem Wortlaut des Urtextes verbundenen semantischen Einfühlsam wird dargestellt, auf welche Weise A. Bea wie kein
und formkritischen Probleme auch nur mit einer Silbe zu er- anderer den Weg der katholischen Bibelwissenschaft in unse-
Wähnen. Ähnliche Bedenken weckt die pauschale Behauptung rem Jh. mitbestimmte. „Gesellschaftlicher Wandel und das Ant-
von „ewig gültigen Wahrheiten" als Absicht der Redaktoren. litz des wahren Gottes" (64-77) ist eine Studie, in der nach
Gewiß sind sie bestrebt an zahlreichen Stellen die überkomme- „Leitkategorien einer Geschichte Israels" gelragt wird. Zutref
nen Profezeiungen aus ihrer engen historischen Situation heraus fend kritisiert L.. daß die gängigen Darstellungen der Geschich-
zu lösen Geschieht das aber nicht häufig so. daß sie den Text te Israels zu stark von der Kategorie des „Staates" her entwor-
für die neue Lage in einem fortgeschrittenen Zeitalter aktuali- fen wurden. Dagegen schlägt er vor, daß es sachgerechter sei.
Gierend fortschreiben so daß er durchaus an einen dramatischen von der Kategorie „Gesellschaft" auszugehen, da diese dem
Ablauf gebunden bleibt? Was auch an weiterführenden Fragen Selbstversländnis Israels, wie es sich im Alten Testament nie
zu erörtern sein w ird sollte nicht den Dank für eine gründliche dergcschlagen habe, eher entspräche. So müßte eine künftige
Arbeit schmälern die ein vernachlässigtes, aber wichtiges Pro- Geschichte Israels dem gesellschaftiichen Wandel nachgehen.
Wem prophetischen Schrifttums aufgegriffen und eine Lösung der sich nicht unabhängig von einem ..voranschreitenden Hervorgelegt
hat an der niemand vorbeigehen sollte, der sich künf- vortreten des Bildes Gottes" vollzogen habe (72). „Im ganzen
tig mit alttestamentlicher Prophetie beschäftigt. käme es... darauf an. den Zusammenhang von sozialem Wandel

und Fortschritt der Gotteserkenntnis aufzuzeigen (73). Der

Hamburg Klaus Koch crste Teil der Studien schließt mit der kritischen Analyse eines

Konzilsdokuments: „Der weiße Fleck in Dei Verbum. Artikel
12" (78-96). L. macht deutlich, daß die Konzilsväter eine ganze

Lohfink. Norbert: Studien zur biblischen Theologie. Stutt- M ^ Methodik der Textauslegung zu sagen hatten, die

gart: Kath. Bibelwerk 1993. 325 S. 8<> =Stuttgarter Biblische ^ Erhebung dfis Textsinnes der Autoren in ihrer jeweiligen

Aufsatzbände, 16. Kart. DM 54.-. ISBN 3-460-06161-8. Zgjt djem Djg Frage aber ^ QoU uns heu(e m den bjb|j

Nach einer Sammlung von Aufsätzen Lohfinks zum Pen.ateuch sehen Texten sagt", wurde lediglich mit einem dürren Hinweis

(SBAB 4. 1988, und dem ersten Band seiner Studien zum Deu- auf „Inhalt und Einheit der Schritt als ganzer versehen (87),

teronomium und zur deuteronomistischen Literatur (SBAB 8, ohne daß es dabei zu einer vergleichbaren Me.hodenretlexion

1990, hat dieser eine weitere Sammlung seiner teilweise an ent- kanv Das in der neueren Exegese angestrebte Gleichgewicht

legeneren ()„en erschienenen Arbeiten zur Biblischen Theolo- von Diachronie und Synchronie konnte viel dazu beitragen die-

gie vorgelegt Er hat diese in drei Rubriken gegliedert (I. Inner- sen „weißen Fleck ,m Konziisdokument mit mehr Farbe zu

kirchliches Gespräch, II. Thematische Fragen ans Alte Testa- versehen a„«ww«
III. Ausblicke ins Neue Testament) und dann, versucht, Der Autsa.z Beobae i.ungen zur Geschichte des Ausdrucks

unterschiedliche Ebenen, auf denen die Probleme einer Bibh- ™- □, ,99-132). der den Teil der alttes.amen.hchen Themen

sehen Theologie heute verhandelt werden, nicht zu verwischen. eröffnet, geht der „Verwendung von mrr oy ,n der Davidsze.t