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Ausgabe:

1995

Spalte:

1068-1069

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Koenen, Klaus

Titel/Untertitel:

Heil den Gerechten - Unheil den Sündern! 1995

Rezensent:

Koch, Klaus

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1067

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

1068

(prädeuteronomisch) und 15 (nachexilisch; zu dieser Datierung
vgl. P. Mommer, Samuel. Geschichte und Überlieferung.
WMANT 65, Neukirchen-Vluyn 1991. 145-162).

Jes 56,1-7 ist ein singuläres Prophetenwort, denn es befindet
„sich nicht nur im faktischen Gegensatz zur Fremden- und
Mischehenpraxis der Zeit Nehemias und Esras, sondern (es)
setzt im Namen Jahwes Dt. XXIII 2-9 außer Kraft." (171) Es
handelt sich um den einzigen Fall der Abrogation eines heiligen
Textes im Alten Testament, autorisiert durch den Willen Gottes
und ausgesprochen durch einen Propheten. Mal 2,13-16; Jes
23,17f und Ez 20,25 sind keine vergleichbaren Fälle („Jesaja
LVI 1-7: Ein Abrogationsfall innerhalb des Kanons - Implikationen
und Konsequenzen", 165-179). Unter dem Vorzeichen
neuer Konzeptionen über das Werden Israels bedenkt D. erneut
die Bedeutung des Issachar-Spruches Gen 49,14f für die geschichtliche
Rekonstruktion.

Der Aufsatz unter dem Titel „Der Spruch über Issachar (Gen.
49.14-15) als Quelle zur Frühgeschichte Israels" (180-187)
kommt unter Berücksichtigung von EAT 365 zu dem Ergebnis,
daß es sich bei den Issachariten um Kulturlandnomaden unterschiedlicher
Herkunft (also nicht um Nomaden im Sinne A.
Alts und R. de Vaux') handelte, die sich als Stamm organisierten
und für die umliegenden Kanaanäersiedlungen landwirtschaftliche
Arbeiten erbrachten. Der Tadel, den der Spruch enthält
, ist von der antikanaanäischen Tendenz der benachbarten
Gruppen diktiert.

Das Wallfahrtslied „Psalm 122" (189-198) beurteilt D. als
einen Rückblick auf die absolvierte Wallfahrt, in dem auch der
Verweis auf „Sehenswürdigkeiten" in Jerusalem seinen Platz findet
, so daß man mit dem Beginn der Verehrung heiliger Stätten in
Jerusalem in der Perserzeit rechnen kann. ".Forscht in der Schrift
Jahwes und lest!'" (199-212)-diese Aufforderung und überhaupt
die Verse Jes 34,16 f. bestimmt D. als den Zusatz eines schriftgelehrten
Interpreten zu dem vorgegebenen Text 34,1-15. Seine
Intention ist es, die Vorlage, die offenbar noch nicht zum Kanon
gehörte, sowohl mit der Thorah und der Autorität Moses als auch
mit dem vorliegenden Jes-Buch (über Jes 13,21 f.) in Verbindung
zu setzen. Damit wurde der Text kanonwürdig gemacht. Unter
dem Titel „Der verläßliche Prophet" (213-223) verknüpft D. den
Bericht über die Einsetzung des Hasmonäers Simon in lMakk
14,41-49 mit Ps 110. Der in lMakk 14,41 vorgesehene „verläßliche
Prophet" sei notwendig gewesen, um Simon die nicht vorhandene
genealogische Legitimation durch ein prophetisches Gottes-
wort zu erteilen. Dieser Gottesspruch sei im Kanon erhalten, und
zwar in Gestalt von Ps 110. Diese makkabäische Datierung des
Psalms, ein Rückgriff auf B. Duhm und überhaupt auf die Jahrhundertwende
, ist zwar in der derzeitigen Forschungssituation
kein Einzelfall, überrascht aber doch angesichts der sonstigen
peniblen und bedachtsamen Vorgehensweise des Vf.s.

Die letzten drei Beiträge betreffen Kanonwerdung und Kanonbegriff
sowie den vorkritischen Umgang mit der Schrift
(",Wie geschrieben steht'. Herkunft und Sinn einer Formel",
224-238; „Prophetie und Propheten in Spinozas Theologischpolitischem
Traktat", 239-258; „Der Redaktor. Überlegungen
zum vorkritischen Umgang mit der Heiligen Schrift", 259-285).
Am interessantesten ist wohl der dritte Aufsatz. D. sucht die
Arbeitsweise der Pentateuchredaktion (vor allem des Rp) durch
Vergleich mit den Evangelienharmonien zu erhellen. Als gemeinsame
Arbeitsmerkmale lassen sich erkennen: möglichst
wenig Textverlust bei den Vorlagen; Wahl einer Schrift als
Rahmen, in den die anderen Quellen eingearbeitet werden; relativ
geringer Eigenbeitrag der Redaktion. Grundsatz der redaktionellen
Arbeit ist die Voraussetzung der Harmonie der Vorlagen
. „Der Redaktor, der disparate Stoffe und Wortlaute einfältig
nebeneinder stellt oder gar ineinanderschiebt und dem Leser die
Entscheidung überläßt, ob er das eine oder das andere für richtig
halten will, ist eine Karrikatur (sie!)." (284) Rp ist auf dem

Wege zu einer gleichsam kanonischen Beurteilung der Texte,
die deren Harmonie und Widerspruchslosigkeit voraussetzt.

Man freut sich, die zum größten Teil wohlbekannten Arbeiten
gesammelt zur Hand zu haben. Darauf, daß die Forschung
indessen weitergegangen ist. verweist der Vf. schon im Vorwort
. Freilich vermittelt der Band nur ein sehr einseitiges Bild
des Gelehrten H. Donner, denn ein für ihn ganz wichtiges
Arbeitsgebiet, die Palästina-Forschung, fehlt darin völlig. Man
kann dann wohl auf einen weiteren Sammelband hoffen, der
diesem Bereich gewidmet ist.

Bochum Winfried Thiel

Koenen, Klaus: Heil den Gerechten - Unheil den Sündern!

Ein Beitrag zur Theologie der Prophetenbücher. Berlin-New
York: de Gruyter 1994. XI, 293 S. gr.8« = Beihefte zur Zeitschrift
für die alttestamentliche Wissenschaft, 229. Lw. DM
144,-. ISBN 3-11-014376-3.

Die Tübinger Habilitationsschrift geht von der zweifellos zutreffenden
Feststellung aus, daß die frühen Schriftpropheten die
Zukunft des Volksganzen und nicht die seiner einzelnen Mitglieder
vor Augen haben; erst die zahlreichen redaktionellen
Zusätze in älteren Prophetenbüchern und einige jüngere Propheten
künden dann: „Heil den Gerechten - Unheil den Sündern
!" Sie geben damit die Einheit des gegenwärtigen Volkskörpers
für künftige Zeiten preis. Es erstaunt, daß dem Thema
bislang keine eingehende Untersuchung gewidmet worden war.
K. verdient Dank, daß er die Aufgabe entschlossen angepackt
hat. Es geschieht mit textkritischer Sorgfalt beim Durchgang
durch die einschlägigen Belege und in behutsamer Anlehnung
an derzeit übliche literarkritische Theorien.

Zu Beginn wird eine wichtige Unterscheidung vorgenommen
. Der ältere kollektive Zukunftsaspekt kann auf zweierlei
Weise aufgesprengt werden. Hinmal durch die Idee eines Läuterungsgerichts
, nach der allein die Gerechten den kommenden
Umbruch überleben, um dann das Heil zu genießen. Daneben
steht aber eine weisheitlich beeinflußte Auffassung, wonach
Gerechte wie Sünder dereinst das je entsprechende Ergehen
erfahren, das ihnen jetzt noch nicht zugekommen ist.

In einem ersten Durchgang (9-123) werden diejenigen Texte
eingehend behandelt, die auf ein Läuterungsgericht zielen. Der
Vf. zählt dazu vor allem Jes 1,27 ff.; 25,4 f.; 26,4-6; Am 9.8b-10:
Zef 2,3.7.9b; 3,1-13; allesamt Stellen, die als sekundär eingestuft
werden.

Das nächste Kapitel (124-220) wendet sich den Aussagen
über einen doppelten Ausgang des individuellen Geschicks, je
nach Betroffenheit zu. Habakuk kündet als erster Prophet, daß
„dem Gerechten eine ganz andere Zukunft bevorsteht als dem
Frevler" (163). Vielleicht teilt Nahum eine ähnliche Anschauung
, falls Nah 1,2-8 ihm zuzusprechen sind. Ein differenziertes
Zukunftsgeschick schimmert auch bei Ezechiel in 14,12-23;
9,1-1 1 als eine theoretische Möglichkeit durch, die freilich nach
diesem Propheten von den Jerusalemern vertan worden ist: „Es
gibt keinen Gerechten, der gerettet würde" (173 f.). Mit einer
tatsächlichen Verschiedenheit des künftigen Geschicks für die
beiden in Frage stehenden Gruppen rechnen Jes 3.10 f.: 48,22;
50,1 f.: Jer 17,5-8; Hos 14,10. Dagegen gehören die oft in diesem
Zusammenhang herausgestellten Abschnitte Ez 18 und
33,10-20 nicht hierher, weil sich nach Meinung Koenens hier
das ..Du" an ganz Israel richtet (172-184).

Ein weiterer Hauptteil ist mit „Ergebnis" überschrieben (223-
270). Er bringt weniger neue Erkenntnisse, sondern ordnet mehr
die bei den exegetischen Untersuchungen gewonnenen Hinsichten
unter hermeneutischen, chronologischen und theologischen
Gesichtspunkten ein. Demnach bleibt unter den namentlich bekannten
Schriftpropheten allein Habakuk als eindeutiger Künder