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1995

Kategorie:

Praktische Theologie

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Theologische Lileraturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. II

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on der erste Entwurf zu sein, der die Problemwelt von Frauen
im Pfarramt explizit zum Thema gemacht hat. Das Buch verfolg
! in fünf Kapiteln die Position der Pfarrerinnen „zwischen
Vaterwell und Feminismus". Ein Überblick über die Genese der
Frauenämter im 1. Kapitel führt auf einen Dreischritl der Bestandsaufnahme
hinaus: Frauen im kirchlichen Amt haben sich
zunächst auf vermeintlich anthropologische „Wesensunter
schiede" gegenüber den Kollegen einlassen und in ihrer Arbeit
begrenzen lassen müssen, haben nach 1945 allmählich die
Gleichstellung erstritten und stellen nun gegenwärtig fest, daß
sie im pfarramtlichen Berufsbild doch nicht ihr Eigenes finden.
So liegt das Ziel in einer Neudefinition beruflicher „pastoraler
Identität" von Frauen im Pfarrdienst.

Damit stellt sich die Aufgabe, die Grundmuster weiblicher
Identitätsbildung zu beleuchten, wofür das zweite Kapitel die
psychoanalytischen Grundlagen bereitstellt. Die Ergebnisse
w eiden im dritten Kapitel auf die Icministisch-hermenetitischc
und -anthropologische Diskussion bezogen, im vierten Kapitel
im Blick auf christliche Gottesbilder fortgeführt. Das kurze
fünfte Kapitel führt die ..Wandlungen im Gemeindebild" aus.

Das Buch wird damit schwerpunktmäßig zu einer Analyse
weiblicher und dann weiblich-religiöser (christlicher) Identitätsbildung
. Die Weiterführung hin auf die Pfarramtssituation
und die „pastorale Identität" wird in den den Kapiteln zugeordneten
..Folgen für die pfarramtliche Praxis" (95 ff.,171 ff.. 189
ff.) thematisch. Frauen im Pfarramt erscheinen als diejenigen,
die, exemplarisch für wachsame Christinnen wie auch im laufenden
Gespräch mit diesen, einen zu ihrer Weiblichkeit stimmigen
religiösen Deutehorizont suchen. Ihr Ziel soll ein ..dritter
Weg" (15) sein, der ohne Konzessionen in die eine oder andere
Richtung auskommt: ..eine berufliche Identität.... die anders ist
als die der Männer, gleichzeitig aber kritisch gegenüber herkömmlichen
Rollenstereotypien" (32). ..Es gilt eine Identität zu
finden, die einerseits anknüpft an die ursprünglichen Identifikationen
und die daraus erwachsenen Möglichkeiten und Stärken.
Zugleich aber geht es auch darum, diese zu transzendieren.
denn die bruchlose Identifikation mit den Müttern führt in die
gesellschaftliche Abhängigkeit und Ohnmacht" (91).

Die frühkindlichen Identifikationsvorgänge und deren Folgen
für die religiöse und berufliche Selbstwahrnehmung spielen
dabei eine entscheidende Rolle. Betont wird, wie sehr die religiöse
Erfahrung in Folge zur eingewurzelten Geschlechler(////c-
renz steht (40 ff., 139 ff.).

Oh man die frühkindlichen Entwicklungsprozesse talsächlich so freizügig
auf den Bereich religiöser Erfahrung des Erwachsenen übertragen kann,
mag diskussionswürdig sein. Die Folgerung ist jedenfalls klar: Die weibliche
Identität, wie sie aus den frühkindlichen Erfahrungen resultiert, fordert
ihr entsprechende religiöse Symbolisierungen. Das hat Konsequenzen für
den Umgang mit dem christlichen Kanon wie mit dem Gottesbild, denn
angesichts der jeweils maskulinen Prägungen kommt es für Frauen zwangsläufig
zu Identitätskonflikten. Der Begriff der ..Identifikation" hat eine
Schlüsscllunktion auch für die pastorale Praxis: In der Identifikation der
Pastorin mit den Frauen ihrer Gemeinde und umgekehrt (95 ff.), in der
Abwehr der Identifikation mit dem starken Mann (98 f.) und der Identifikation
mit biblischen Frauengestalten (76 ff.) kann ein neues Frauenbild realisiert
und können neue, frauengerechte Formen des Gemeindelebens entwickelt
werden. Hier bietet W.-R. eine breite Palette von Erfahrungen und
Vorschlägen. Das Buch ist sichtlich auf der Basis praktischer Erfahrungen,
dazu engagiert und gut lesbar geschrieben. Verschiedene einschlägige Titel
der kirchlich-feministischen Debatte werden (manchmal sehr) ausführlich
dargestellt. Allerdings hätte man sich auch eine herausfordernde und kritische
Auseinandersetzung etwa mit der Arbeit von G. Schneider-Flume (Die
Identität des Sünders. 19X5) gewünscht. Daß sich die Arbeit bescheiden als
..Verstehensversuch der Situation" (14) von Frauen im Pfarramt begreift,
entbindet sie nicht von der theologischen Klärung ihrer Zentralbegriffe.

Entscheidend jedoch wäre die Frage, wie weit W.-R. die Entwicklung
eines ..dritten Weges" gegenüber anthropologischen
Wesenszuschreibungen einerseits, einem verfehlten Gleichheitspostulat
andererseits gelungen ist. Im Verlauf dieser Arbeit
Wird die Tendenz deutlich, die Geschlechterdifferenz sehr deutlich
festzumachen. Dem entspricht der Schwerpunkt auf dem
Identitätsbegriff einschließlich seiner psychoanalytischen Herleitung
. Demgegenüber tritt die gesamtgesellschaftliche Prägung
der Frauenrolle, auch wenn dies im Ansatz - etwa im
Modell lies hermenetttischen Zirkels (47 ff.) - mitgeplant wird,
zurück. Die feministische (iesellschaltsanalyse wird zwar aufgerufen
(25, 49, 54 f. u.ö.), aber letztlich nicht verarbeitet. Indem
die entscheidende geschlechtsspezifische Prägung in der
Frühkindheit lest verortet wird, liil.it sich in der Analyse schließlich
nur ein gesellschaftlicher Faktor erkennen, der auf die weibliche
Identitätsbildung nachhaltig einwirkt: die Abwesenheit der
Väter im Familienleben (58 ff.). So scheint die Arbeit letztlich
durch ihre Engführung auf die psychoanalytisch-herleitende
Begründung der Geschlechterdifferenz, ein Stück weit die Bewegung
zu verspielen, die die Frauenrolle - und damit auch die Rolle
der Pastorin - in der Zukunft haben könnte.

Hamburg Christine Globig

Böhme. Rolf: Menschenwürdiges Leben in der postmodernen Stadl (In:
Maurer. B.: Freiburger Kirchenbuch. Freiburg: Schillinger 1995. 23-27).

Bohren. Rudolf: Die Bußpsalmen: Lebenserfahrung und Doxologie (PTh
84. 1995, 150-165).

Evangelisation in der Kraft des Heiligen Geistes. 4. Konteren/ des
Arbeitskreises Geistliche Gemeindeerneuerung in der Evangelisch-metho-
disiischcn Kirche vom 26.-30. Oktober 1994 in Braunfels. Hrsg. von R.
Dauner. Mit Beiträgen von W. R. Davies, V. Schneeberger. Stuttgart:
Christi. Verlagshaus 1995. 40 S. 8° = EmK-Forum. 4. Kart. DM 6.80. ISBN
3-7675-9104-9.

Gemeinde als Publikum? Berichte, Analysen. Reflexionen zu einem
Marburger Fernsehgottesdienst. K.-F. Daiber u.a. Marburg: Fachgebiet
Praktische Theologie. Philipps-Universität Marburg 1995. 139 S. 8°. Kart.
DM 12.50. ISBN 3-8185-0183-1.

Josuttis. Manfred: Fremde Heimat Kirche. Fünf gute Gründe für den
Kirchenaiistritt und eine kleine Gegenrechnung (LM 34. 1995. 2-3).

Müller. H. Martin: Neues zum Gemeindeaufbau (ThR 59. 1994. 431-441).

Keumann. John: The case for Iwofold ministry (CThMi 21. 1994. 197-
212).

Stock. Eberhard: Der schwierige Weg zum Konsens: Anmerkungen zu
..Grundlagen der theologischen Ausbildung und Fortbildung im Gespräch"
(DtPfrBl 94. 1994. 523-525).

Strobel. Lee: Beim Wort zum Sonntag schalt' ich ab. Die Welt eines Kirchendistanzierten
verstehen. Übers, von M. Lange. Wiesbaden: Projektion
J. Wuppertal-Zürich: Brockhaus 1995. 235 S. 8° = Willow Creek Edition.
Kart. DM 24.80. ISBN 3-89490-063-6 u. 3-417-24230-4.

Winkler. Eberhard: Das Ärgernis der Evangelisation (LM 34. 1995. 5-8).

Praktische Theologie: Seelsorge

Josuttis. Manfred: Gottesliebe und Lebenslust. Beziehungsstörungen
zwischen Religion und Sexualität. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus 1994. 160 S. 8°. geb. DM 34.-. ISBN 3-
579-02258-X.

Religion und Sexualität: Ein Widerspruch oder zwei miteinander
vereinbare Lebenskräfte? Eine gewagte Frage, angesichts des
uns über Jahrhunderte selbstverständlich gewordenen Antagonismus
zwischen Geschlechtlichem und Religiösem. Josuttis hat
sich mit seinem Buch zum Ziel gesetzt, „die tief fundierte Beziehungsstörung
zwischen Religiosität und Sexualität" (9) aufheben
zu hellen. Interessant ist der Weg. den er beschreitet. Während
gemeinhin Sexualität in der Theologie als Problem der Ethik verhandelt
wird, reflektiert J. Sexualität unter schöpfungstheologischen
und eschatologischen Gesichtspunkten. Schöpfungstheolo-
gisch insofern, als „das sexuelle Verlangen in der Schöpfung
Gottes zur Weitergabe des Lebens dient" (8): eschatologisch, da
..die sexuelle Lust Elemente der entgrenzenden Reich-Gottes-
Erfahrung enthält" (8). Insbesondere letzteren .Aspekt entw ickelt