Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1995

Spalte:

1039-1040

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

[G - N] und Bd. 3 1995

Rezensent:

Winkler, Eberhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

1039

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. I I

1040

Im ganzen ist das Buch darum eher ein profunder Beitrag zur
praktischen als zur prinzipiellen Kybernetik. Aber vielleicht
kann die Ausarbeitung einer wissenschaftlich durchreflektierten
praktisch-theologischen Leitungslehre heute, beim erreichten
Stand der kirchlichen, theologischen wie humanwissenschaftlichen
Differenzierung, gar nicht mehr von einem Einzelnen
geleistet werden, sondern nur noch von einem „konziliar" arbeitenden
Team. Ein solches Unternehmen dürfte dann durchaus
auf der Linie von B.s kybernetischem Entwurf liegen.

Halle (Saale) Jan Hermelink

Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, hrsg.
von H. Burkhardt u. U. Swarat u.a. Bd. 2 und 3. Wuppertal-
Zürich: Brockhaus I993/94.X, S. 661-1453 u. X, S. 1454-
2232. gr.8». ISBN 3-417-24642-3 u. 3-417-24643-1.

Der erste. 1992 erschienene Bd. dieses nun abgeschlossenen
Lexikons wurde in der ThLZ 1 18, 1993, 717 f. vorgestellt. Die
in unterschiedlicher Weise evangelikaler Theologie verbundenen
Hgg. gewannen auch solche Fachleute zur Mitarbeit, die
sich nicht als evangelikal verstehen. Bei der Bestimmung „für
Theologie und Gemeinde" ist sowohl an den Inhalt wie an die
Adressaten gedacht. Das ELThG informiert sachlich und sachkundig
über historische Gestalten und Ereignisse von Abaelard
bis zu den Zwölf Artikeln der Bauernschaft, über biblische und
systematische Themen vom Abendmahl bis zum Zwischenzustand
, über Kirchen- und Konfessionskunde von „Adelshofen"
(einem der vielen Artikel zum evangelikalen Umfeld) bis zum
Zölibat, und nicht zuletzt über die Praktische Theologie, deren
Themen nicht nur unter bestimmten Stichworten vom Aberglauben
bis zur Zivilreligion bedacht werden, sondern oft auch
in biblischen, systematischen und historischen Zusammenhangen
vorkommen, so daß das Werk insgesamt als praktisch
bezeichnet werden kann.

Der Bestimmung des Lexikons „für die Gemeinde" dient die
gut lesbare Darstellung, die sicher auch von den Fachleuten
begrüßt wird, weil sie in der Regel nicht durch Vereinfachungen
erkauft ist. Für den Gebrauch durch Laien und für die
Arbeit mit der Gemeinde ist eine apologetische Tendenz hilfreich
, die sich in Artikeln wie „Glauben und Denken", „Gottesbeweis
", „Kritik/Kritizismus", „Naturphilosophie", „Naturwissenschaft
und Theologie" u.a. ausdrückt. Der naturwissenschaftlich
begründete Atheismus gilt als überholt. Andererseits
haben „wahre Erkenntnisse, auch wenn sie in einem atheistischen
Kontext formuliert wurden, durch ihre Wahrheit auch für
den Christen bindende Kraft" (1410). Glauben ist nicht von den
sich ändernden wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig. Die
„Rechenschaft des Glaubens über seinen Grund muß sich zwar
dem Denken stellen, kann und darf sich aber nicht einem vorab
definierten .Denken' als der letztlich maßgeblichen Instanz in
der Wahrheitsfrage unterstellen" (772).

Das ekklesiologische Konzept geht von der Gemeinde aus
und faßt deshalb Gemeinde und Kirche in einem Artikel zusammen
. Die Volkskirche wird akzeptiert als ein von Gott gegebener
„Raum, um an dem Aufbau der Gemeinde zu einer lebendigen
Glaubensgemeinschaft zu arbeiten" (2111). Abgelehnt wird
eine „prinzipielle Entscheidung für den Pluralismus" (ebd.),
sofern er der Wahrheitsfrage ausweicht. „Es gibt weder ein Bekenntnis
der christl. Kirche zum P(luralismus) noch gegen den
P." (1579). Hier zeigt sich das im ganzen Werk zu beobachtende
Bemühen, unfruchtbare und unsachgemäße Gegensätze und
Einseitigkeiten zu überwinden. Zum Problem der Irrlehre und
des Lehrpluralismus wird erklärt, daß der Lösungsversuch
durch neue Abspaltungen „weder vom NT her noch durch die
Erfahrungen der Kirchengeschichte zu rechtfertigen" ist (968).

Die heftigen evangelikalen Angriffe gegen die Gruppendynamik
aus den 7()er und 8()er Jahren werden modifiziert: Damals
mußte teilweise „mit grobem Meißel" gegen eine falschverstandene
und zur Manipulation eingesetzte Gruppendynamik gekämpft
werden, heute ist differenzierter zu argumentieren: „Die
Gesetzmäßigkeiten, die sich in Gruppen zeigen, sind überprüfbare
Dimensionen der von Gott eingestifteten Kommunikationsfähigkeit
des Menschen. Sie können zum Guten und Bösen
eingesetzt werden" (830).

Bei den Artikeln zur Ekklesiologie und zum Gemeindeaufbau
wird neben der volkskirchlichen meist die freikirchliche
Situation und Konzeption berücksichtigt. Dagegen fehlen Bezugnahmen
auf die säkulare Diaspora in Ostdeutschland fast
völlig, und auch die Literatur aus diesem Raum ist nicht im
Blick. Das erstaunt deshalb, weil die auf evangelikaler Seite
deutlich oder auch überdeutlich gesehenen Schwächen der
Volkskirche in den ostdeutschen Landeskirchen weithin in ein
Desaster führten, das unausweichlich vor die Notwendigkeit der
Mission stellt. Da das Lexikon gut über die empirischen Seiten
des kirchlichen Lebens informiert, ist die Vernachlässigung der
ostdeutschen Situation schwer verständlich, zumal andererseits
dankenswerterweise z.T. neueste Zahlen vorgelegt werden. In
dem 1993 erschienenen Art. über die Ev.-Luth. Landeskirche
Mecklenburgs wird die genaue Mitgliederzahl dieser Kirche
vom 31. 12. 1992 mitgeteilt! Es wäre fatal, wenn der Eindruck
entstünde, die ostdeutsche Situation werde mit einem Art. „Kirche
im Sozialismus" angemessen berücksichtigt.

Angesichts der hohen Bedeutung, die der Gemeinde und dem Gemeinde-
aufbau beigemessen wird, so daß ein eigener Art. „Gemeindeprin/ip" aufgenommen
wurde, kann der Art. „Gemeinde/Kirche" nicht befriedigen. Im
Abschnitt über die römisch-kath. Kirche fehlt jeder Hinw eis auf den neuen
Ansatz bei der Gemeinde in der kalh. Praktischen Theologie sowie auf die
Bewegung der Basisgemeinden. Der anglikanischen Kirche sind drei Sätze
gewidmet, in denen das bunte Bild anglikanischer Kirchlichkeil natürlich
nicht einmal angedeutet werden kann. Im Abschnitt über die lutherischen
Kirchen wird einerseits die These übernommen. Melanchthon sei „von
Luther abgerückt und in starke Nähe zum kath. Kirchenbegriff geraten"
(702). andererseits die CA als Beleg für Luthers Ekklesiologie genannt. Die
bis heute nicht überwundene Distanz zwischen Amtsträgern und Gemeinde
Melanchthon anzulasten, vereinfacht das vielschichtige Problem.

Befriedigt nimmt der Hallenser Rez. zur Kenntnis, daß der Ev.
Kirche der Kirchenprovinz Sachsen ein Artikel gewidmet ist. Enttäuscht
stellt er fest, daß zum Stichwort „Sachsen" nur auf die
Christianisierung der Germanen verwiesen, nicht aber die Ev.-
Luth. Landeskirche von Sachsen erwähnt wird, die größte und
lebendigste der ostdeutschen Landeskirchen. Da evangclikalc
Gruppen im sächsischen Raum besonders stark vertreten sind,
fällt diese Lücke um so mehr auf. Angenehm überrascht wird der
Leser dagegen an manchen Stellen davon, wie Informationen
neuesten Datums noch aufgenommen wurden. So wird in dem
1994 erschienen Band über Südafrika bis zum Stand vom Mai
1994 und über World Vision sogar bis zum 1.9. informiert. Was
den Umfang der Art. betrifft, können es die Hgg. gewiß nie allen
recht machen, und hier ist das eigene Profil des Werkes zu
respektieren. Wenn aber Theodor Zahn mehr Platz, eingeräumt
wird als Martin Luther, ist das doch unangemessen. Andererseits
machen die Eigenarten dieses Lexikons auch seinen Reiz aus.

Halle (Saale) Eberhard Winkler

Wagner-Rau, Ulrike: Zwischen Vaterwelt und Feminismus.

Eine Studie zur pastoralen Identität von Frauen. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus 1992. 222 S. 8o. Kart. DM 68-.
ISBN 3-579-00252-X.

Die vorliegende Dissertation hat das Verdienst, nach der älteren
Arbeit von E. Senghaas-Knobloch (Die Theologin im Beruf.
1969) und unabhängig von der Debatte um die Frauenordinati-