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Ausgabe:

1995

Spalte:

1031

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Hattrup, Dieter

Titel/Untertitel:

Theologie der Erde 1995

Rezensent:

Beinert, Wolfgang

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Seite 1

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1031

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 11

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Systematische Theologie: Dogmatik

Hattrup. Dieter: Theologie der Erde. Paderborn: Bonifatius
1994. 272 S. 8". Kart. DM 39.80. ISBN 3-87088-826-1.

Der Autor. Jahrgang 1948. ist seit vier Jahren Professor für Dogmatik
und Dogmengeschichte an der Theologischen Fakultät in
Paderborn und hat sich zum Ziel gesetzt, schon zu Beginn seiner
Lehrtätigkeit eine mehrbändige Darstellung der Gesamtdogmatik
zu veröffentlichen.

Als erster Band kam die „Eschatologie" 1992 auf dem Markt,
es folgt das hier anzuzeigende Werk. Der Fachmann wird nun
verwundert fragen, welchen der herkömmlichen „Traktate" dieses
Buch abdecken soll, dem es nach Bekunden des Vf.s darum
geht, ..das Thema des nächsten Jahrhunderts" zu behandeln,
nämlich „die Bewohnbarkeit der Erde, die Ökologie" (8). ..Fs
handelt zunächst von Versuch und Irrtum der Idee, die Endlichkeit
der Erde abzustreifen", erfährt der Leser weiter, „dann vom
Durst nach dem Unendlichen, der nicht zu stillen ist.... schließlich
vom Schiff der Kirche, das die Kirchenväter oft als Arche
Noah beschrieben haben..." (a.a.O.). Das Rätsel löst der Autor
selbst: Er möchte die Theologische Erkenntnislehre, also den
ersten Teil der Katholischen Dogmatik (jedenfalls nach neuerem
Verständnis; oft isi sie der letzte Traktat der fundamentaltheologischen
Gesamtdarstellung), liefern.

Aber vergebens wird man die traditionellen Themen suchen
wie Offenbarung, Glaube oder eine Darlegung der dogmatischen
Bezeugungsinstanzen und Interpretationskriterien. Hattrup
unterwirft die nacheartesianischen Erkenntnistheorien
einer scharfen Kritik und kann daher nicht akzeptieren, aus
ihnen jene Ableitungen zu ziehen, die nach seiner Meinung die
klassischen Prinzipienlehren vertreten. Er bewegt sich vielmehr
in einem radikalen noetischen Piatonismus.

Allerdings tauchen dann doch die wesentlichen Themen auf
wie eine Kritik der Wissenschaftstheorien, die Untersuchung
der Offenheit der Vernunft für die Offenbarung und speziell für
die Gottesfrage, die theologische Methodenlehre, aber auch die
Frage nach dem Hellenistischen im Christentum oder, heute
von nachdrücklicher Wichtigkeit, die Religionenproblematik.
Insgesamt aber ist man geneigt, das Buch eher im fundamentaltheologische
Regal zu deponieren. Was übrigens den Titel
angeht: Von der ökologischen Thematik ist per Saldo doch
nicht allzuviel zu merken, jedenfalls nach dem Gemeinverständnis
des Begriffs.

Das Werk ist alles andere als eine eingängige Lektüre. Es soll
wohl Lehrcharakter haben, doch dürfte sich nicht allein der
Anfänger schwer tun. den nicht selten sehr komplizierten und
mit vielen oft überraschenden Aphorismen angereicherten
Denkwegen zu folgen. Es verlangt außerordentliche philosophische
Vorkenntnisse. Auch wenn sich der Vf. durch Kästen
bemüht, die wesentlichen Thesen oder Definitionen hervorzuheben
, bleiben sie nicht selten dunkel. Beispielsweise heißt es
am Schluß:

„Der Mensch will als Gott geboren werden, denn er will von
Natur aus nicht sterben. Die Antwort Gottes auf dieses Verlangen
ist. daß er als Mensch geboren wird. Damit zeigt er. daß es
dem Menschen in seiner Endlichkeit an nichts fehlt" (268). Ist
Menschwerdung dann nicht mehr echte und unverstellte Keno-
se, muß man fragen.

Allerdings, und hier liegt der Wert der neuen Veröffentlichung
: H. versteht es, zum Nachdenken auch dann anzuregen,
wenn man seine Ansichten nicht in allem zu teilen imstande ist.
Originell sind seine Ausführungen immer; und so wartet man
mit Interesse auf die Folgebände seiner Dogmatik.

Regensburg Wolfgang Beinert

Klaiber. Walter, u. Manfred Marquardt: (ielebte Gnade.

Grundriß einer Theologie der Evangelisch-methodistischen
Kirche. Stuttgart: Christi. Veriagshaus 1993. 463 S. gr.8».
Lw. DM 38.-. ISBN 3-7675-9497-8.

Das vorliegende Werk entstand, angeregt durch eine private
Initiative, als Auftragsarbeit für die Evangelisch-methodistische
Kirche, die durch eine Gutachterkommission der Publikation
einstimmig zustimmte. Das Ergebnis ist eine, auch in weltweitem
Zusammenhang des Methodismus einzigartige Entfaltung
der christlichen Glaubenslehre aus methodistischer Perspektive,
die sich die doppelte Aufgabe stellt, sowohl darzustellen, „worauf
sich unser Glaube gründet und was die Verkündigung der
Kirche begründet und bestimmt", als auch herauszuarbeiten,
„wie Verkündigung und Praxis des Evangeliums durch Ordnung
, Lehre und theologisches Erbe der Evangelisch-methodistischen
Kirche akzentuier! werden" (17). Die sorgsame Erhebung
der biblischen Grundlagen des christlichen Glaubens und
die theologische Rechenschaft über seinen Anspruch auf Wahrheit
und Relevanz wird von Walter Klaiber und Manfred Marquardt
konstruktiv und kritisch auf das theologische Erbe der
Brüder Charles und John Wesley und auf die Geschichte me-
thodistischen Glaubensdenkens und Glaubenslebens bezogen.
So erfüllt ihr Buch nicht nur die Ansprüche einer auch theologisch
interessierten Laien zugänglichen Dogmatik, sondern gibt
zugleich der methodistischen Interpretation des Gemeinchristlichen
für das ökumenische Gespräch Profil.

Organisierendes Prinzip der Darstellung ist der Gedanke der
Liebe als Wesensbestimmung Gottes und als Grundbestimmung
seines Verhältnisses zu den Menschen, durch die sich Gott dem
Sünder in Gnade zuwendet und ein Leben aus der Gnade in Liebe
zu Gott und allen Menschen ermöglicht und fordert. Wesleys
Definition des Christentums als „Religion der Liebe" wird so
als „das konstruktive Prinzip und der hermeneutische Schlüssel
für jede methodistische Theorie und Praxis" (303) in der
Strukturierung der christlichen Glaubenslehre umgesetzt. Die
Darstellung erfolgt in vier Hauptteilen. Teil I. „Verantwortete
Verkündigung oder Grundlagen einer Theologie der Evange
lisch-methodistischen Kirche" (13-84), bietet eine theologische
Prinzipienlehre, die aus dem Verständnis von „Ciottes Selbstoffenbarung
als Ausdruck seiner Liebe" die Stellung der Bibel als
„Grundlage der Theologie" ableitet und daran die programmati
sehe Entfaltung methodistischer Glaubenslehre als „Theologie
für die Praxis" anschließt.

Teil 2. „Universales Heil oder Gottes Liebe /u seiner Welt",
behandelt den Gesamtzusammenhang der Heilsökonomie in der
Zuordnung von Gottes schöpferischem (86-116), versöhnen
dem (1 17-181) und erneuerndem Handeln (182-214). Vor diesem
Hintergrund w ird in Teil 3 unter der Überschrift „Persönlicher
Glaube oder Die Heilserfahrung des ein/einen" (215-304)
das Leben des Glaubens (215-250) in der Dynamik von Rechtfertigung
(252-268), Wiedergeburt (269-279) und Heiligung
(280-304) skizziert.

Der komplementäre Teil 4, „Ganzes Christsein oder die
Wirklichkeit der Liebe" (305-406). thematisiert das Leben des
Glaubens in seinen durch die Liebe als Gabe und Aufgabe
strukturierten Sozialbeziehlingen in der Gemeinde (314-340). in
der Mission (341-360) und im Leben der Gemeinde in der Welt
(361-406). In ihrem thetischen Summarium („Statt einer Zusammenfassung
"), in dem die Autoren kurze Antworten auf
Kants Fragen „Was muß ich glauben? Was muß ich tun? Worauf
darf ich hoffen '" formulieren, finden sich Aussauen, die die
Quintessenz ihres Buches zusammenlassen: „Gottes Heil ist
ganz Geschenk, ist nichts als Gnade. Weil aber Gott die Menschen
als sein personales Gegenüber schuf, bezieht seine Gnade
ihr Tun in sein Heilswirken ein...: erlebte Gnade soll zur gelebten
Gnade werden." (407 f.)