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Ausgabe:

1995

Spalte:

1029-1030

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Ucko, Hans

Titel/Untertitel:

Vom Judentum lernen 1995

Rezensent:

Schröder, Bernd

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Seite 1

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1029

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. II

1030

Braun oder... mit Dorothea Sülle.... mit Gerhard Ebeling. Paul
Tillich. Wolfhart Pannenberg und anderen Wortführern des liberalen
Protestantimus"' (10). Orth will möglichst „Gollwitzer
selbst zu Worte kommen lassen. Dabei entsteht so etwas wie
eine Landkarte seines Denkens und seiner Praxis" (II).

G. erzählt, er sei „als bayerischer lutherischer Pfarrerssohn
von der rechtesten Seite der Hitlerverehrung" in seinem Studium
..nach links gerutscht unter Einfluß auch von Karl Barth"
(15). Seine 1937 in Basel vorgelegte Dissertation „Coena Domini
. Die altlutherische Abendmahlslehre in ihrer Auseinandersetzung
mit dem Calvinismus dargestellt an der lutherischen
Frühorthodoxie" wird als ..frühe Voranmeldung der späteren
ArnoldshainerThesen" verstanden (22). Niemöllers Verhaftung
am [. Juli 1937 erlebt G. mit (23-29). 1940 wird G. Soldat:
Georges Casalis erinnert an eine spannungsvolle Begegnung in
Paris 1941 mit G. in Wehrmachtsuniform (46-48). Nach der
Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion erscheint sein Buch
..Und führen, wohin du nicht willst"; es wurde ..das Buch des
Kaiser Verlags mit der höchsten Auflage": 360000 Exemplare
in deutscher Sprache, da/u Übersetzungen (52).

Immer wieder bewegt G. das Thema ..Israel und wir" (58-
70). Das Kapitel ..Von der Antiatom- zur Friedensbewegung"
(71-91) stellt fest: Nach der sowjetischen Kriegsgefangenschaft
„bejaht er in den Jahren 1950 und 1951 die Rüstung des
Westens" (72). Auf dem Stuttgarter Kirchentag 1952 gehört für
ihn die ..bewaffnete Verteidigung... /.um Gehorsam gegen Gottes
Gebot" (73). 1957 geht er jedoch in der Schrift „Wir Christen
und die Atomwaffen" (76-80) ..auf deutliche Distanz zu
den Organen des bundesdeutschen Staates" (83). G.s Entwicklung
führt zu den Überschriften „Gerechtigkeit: Vom .gerechten
Krieg' zur .gerechtfertigten Revolution'" (92-118) und „Verän-
derung zu einer solidarischen Gesellschaft" (119-152) und zu
seiner Selbstbezeichnung von 1976: „Kommunist ökologischer,
marxistischer, christlicher, lukanischer, lutherischer, barthiani-
scher. demokratisch-sozialistischer Prägung... als so geprägter
Kommunist bekenne ich mich weder zum Kommunismus noch
Zum Sozialismus noch zu Luther, sondern allein zu meinem
Herrn Jesus Christus" (129). Dem Buch „Krummes Holz - aufrechter
Gang" (1970) gilt das Kapitel „Nichts ist gleichgültig.
Ich bin nicht gleichgültig" (153-176). Auf die Abschnitte
..Sinnkrise: Hiob und Jesus am Kreuz" sowie „Gute Botschalt
für Judas Ischarioth. oder: Versöhnung aller" sei besonders verwiesen
. Abschließend bemerkt ().: „Nach 1989 ist nichts mehr,
wie es war... Gollwitzer. der Christ und Sozialist, der evangelische
Theologe und Marxist - das scheint lange her zu sein"
(186). G. erscheint „unzeitgemäßer denn je" (187). Dennoch
fordert das Buch Respekt und Anteilnahme.

Rostock Gert Haendler

Ucko, Hans: Vom Judentum lernen. Gemeinsame Wurzeln
neue Wege. Aus dem Engl, von H. Voigt. Frankfurt/M.:
Lembeck 1995. 149 S. 8°. ISBN 3-87476-302-1.

Das interessante Moment dieses Buches liegt in der Perspektive
des Vf.s: Selbst Judenchrist (12) gehört Ucko zu einer oft (faktisch
wie theologisch) unbeachteten Minderheit im Schnittfeld
des jüdisch-christlichen Dialogs: zudem dürften seine Auffassungen
als des „Verantwortlichen für christlich-jüdische Beziehungen
im Stab des ORK" (12), dessen Programmatik in diesem
Themenbereich durchaus prägen. Sein Buch erschien im
englischen Original 1994 als ÖRK-Publikation.

Eine Bestandsaufnahme des christlich-jüdischen Gespräches
erfolgt mir skizzenhaft; der Schwerpunkt liegt auf der Betrachtung
der christlich-jüdischen Begegnung im Licht des interreligiösen
Dialogs des ORK. Für Defizite christlicher Theologie, die

im Zuge dieses Dialoges sichtbar werden, wird die Rezeption
jüdischer Einsichten empfohlen. Dies geschieht teils nur andeutungsweise
(z.B. zum Sabbatjahr [38]), teils tiefergehend (s.u.).

Die acht Kapitel bilden kein straffes gedankliches Raster. Kap.
I (.Erben gemeinsamer Wurzel') nennt verbindende Elemente
beider Religionen und skizziert den Weg von jahrhundertelangem
christlichen Antijudaismus zti den Fortschritten des jüdisch-
christlichen Dialogs. Dessen Mängel sieht U. u.a. im .Beiseiteschieben
' der Frage der Mission (20) und der Überbelonung
christlicher Schuld (21 f.). Zudem wünscht er sich, die jüdische
Seite möge ihre theologische Einschätzung des Christentums
deutlicher einbringen (26f). Kap. 2 (.Erwählung und verheißenes
Land') erläutert die Bindung des Judentums an das Land Israel
als Schauplatz des Bundes (33). Dabei akzentuiert er zum einen
die Offenheit des Judentums für die Völker (Möglichkeit der
Konversion; noachidische Gebote; 30 f. 34 f.). /um anderen aber
die Bindung der Landgabe bzw. -Verheißung an das „Moralgesetz
" (41). Im 3. Kapitel (.Identität und Berufung einer Minderheit
') zeichnet er das jüdische Volk als Minderheit, die im Befolgen
der Gebote und im Gedenken an die eigene Befreiung „ausgesondert
ist, um Zeugnis abzulegen" (52). Diesen Auftrag und
dies Selbstverständnis erachtet er als erstrebenswert auch für
christliche Kirche(n): „Der christlich-jüdische Dialog hat es
uns... ermöglicht, dieses Erbe wieder als unser eigenes zu erkennen
." ..... dies könnte, zusammen mit den Erfahrungen christlicher
Minderheiten in der ökumenischen Bewegung. ... gemeinsames
Zeugnis lordern und zu einem erneuerten Verständnis der
Berufung und der Identität der Völker Gottes beitragen" (59).

Kap. 4 (.Das Christentum und die anderen Religionen') geht
zwar von der Feststellung aus. daß es die Kirche „in ihrer Begegnung
mit den Juden ... nicht mit Fremden, sondern mit Verwandten
zu tun" hat (64); doch zielt es auf die Erörterung von
missiologischen Problemen jedweden interreligiösen Dialogs
(68). Kapitel 5 (.Der Mensch - Ebenbild Gottes') spürt in der
judischen Tradition Impulse für eine „neue Schöpfungstheologie
" (89) auf. Kapitel 6 (.Das Reich des Himmels als Bekenntnis
') und 7 (.Messiaserwartung') suchen die christliche Kirche
von jüdischer Sehnsucht nach dem Kommen des Messias inspirieren
/u lassen (100). Die „Vision des Reiches Gottes" (105)
kann christliche Ethik beleben (109). Das letzte Kapitel (.Kaum
für andere ) verläßt den jüdisch-christlichen Dialog und bietet
Überlegungen zu einer interreligiös verständlichen Christologie
in der „Sprache der Liebe", die „beides" bezeugt: ..Daß es .keinen
anderen Weg /um Heil gibt als Jesus Christus", und daß man
.der erlösenden Kraft Gottes keine Grenzen setzen kann." (145)

U.s Darstellung spiegell die Diskussionen, in die jüdischchristliche
Begegnungen im ORK eingebunden sind, wider. Sie
wirft nachdrücklich die Fragen nach dem Verhältnis des jüd.-
christl. zum interreligiösen Dialog und nach der Akzeptanz des
ersteren innerhalb des ORK auf. die U. ohne eindeutige Antwort
läßt (vgl. 64. 68 ff.; 20 ff.). Angesichts der Zielsetzung des Buches
, „die Christen in der ökumenischen Bewegung an einigen
der Früchte des christlich-jüdischen Dialogs teilhaben zu lassen"
(101). wäre eine deutlichere Unterscheidung gesicherter Erträge
dieses Gespräches von spezifischen Einschätzungen U.s hilfreich.
Statt häufig von „den Christen" oder „der Kirche" zu sprechen,
hätten Vertreter bestimmter Positionen im Dialog klar benannt
werden können. Die 46 Anmerkungen bieten dazu kaum Hilfestellung
.

Halle/S Bernd Schröder