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Ausgabe:

1995

Spalte:

1017-1018

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Satran, David

Titel/Untertitel:

Biblical prophets in Byzantine Palestine 1995

Rezensent:

Stipp, Hermann-Josef

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1017

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. II

1018

sind Nachrichten von einer Hungersnot, die zum Kannibalismus
geführt haben (111,8 = Bd. 2.220). Man sah das als ein Zeichen
für das baldige Weltende, Worte Jesu Mt 24,14 f. wurden zitiert
(III.8 = Bd. 2.222). Der Vorgang wird überliefert als Folge der
Belagerung Roms durch den Gotenkönig Alarich in den Jahren
408-410 nach Berichten von Hieronymus, Olympiodor, Zosi-
mus, Philostorgios, Sozomenos, Procop von Caesarea sowie
Hydacius (20 f.). In diesen Zusammenhang ist daher wohl auch
der anonyme Dialog zwischen Zachäus und Apollonios in die
Jahre um 410 einzuordnen.

Inhaltlich stehen die Ausführungen im Kontext altkirchlicher
Apologetik, besonders zu Laktanz sind Beziehungen zu erkennen
, doch wird kein Name genannt. Die Praefatio beruft sich
auf Cicero: „placuit gentilitatis adhibere philosophum" (78).
Der Heide Apollonius kennt das Zeugnis der Seele für Gott
(1,22 = S. 148). man fühlt sich an Tertullian erinnert. Zachäus
als der Vertreter des Christentums breitet seinen Glauben aus:
Buch 1 bringt einige Grundwahrheiten über Gott (Bd. 1.76-
219); Buch 2 belehrt über die Trinität und weist Irrtümer der
Juden und Häretiker zurück (Bd. 2, 8-157); Buch 3 schildert das
christliche Leben, das in Jungfräulichkeit und Mönchtuni seinen
Höhepunkt findet, zuletzt wird über das Jüngste Gericht
gesprochen (Bd. 2, 158-239). Appendices und Register be-
schließen die beiden Bände.

Rostock Gert Haendler

Satran, David: Biblical Prophets in Byzantine Palestint'.
Reassessing the Lives of the Prophets. Leiden-New York-
Köln: Brill 1995. XI. 150 S. gr.8« = Studia in Veteris Testament
Pseudepigrapha, II. ISBN 90-04-10234-5.

Die Vitae Prophetarum (VP), ein Büchlein mit biographischen
Notizen und legendarischen Erzählungen von all. Propheten,
gehörten in diversen Rezensionen zu den vielgelesenen Schriften
der antiken Christenheit, wie eine Fülle von Handschriften
und Zitaten in allen Sprachen der christlichen Antike belegt.
Bisher betrachtete man das von explizit christlichen Theologu-
mena freie Dokument als Werk des palästinischen Judentums
des 1. Jh.s n. Chr.. wobei seine Nachrichten von Prophetengräbern
und deren Verehrung als wichtige Quelle jüdischer Volks-
religion zur Zeit Jesu galten. David Satran, Professor an der
Hebräischen Universität in Jerusalem, unternimmt es in der vorliegenden
Arbeit, mit außerordentlichem Scharfsinn und methodischem
Problembewußtsein den Nachweis zu führen, daß die
VP in den ältesten uns erreichbaren Fassungen vielmehr ein
Erzeugnis byzantinischer Frömmigkeit des 475. Jh.s seien. Darauf
deutet schon ihre ausschließliche Bezeugung in christlichem
Rahmen ab einem halben Jahrtausend nach dem vermeintlichen
Ursprung. Selbst wenn das Werk auf jüdische Vorstufen zurückgehe
, könne es erst in einem christlichen Kontext den uns
bekannten Gestalten nahegekommen sein, so daß Rückschlüsse
auf jüdische Vorformen vergeblich erscheinen.

Angesichts der eindrucksvoll demonstrierten Unmöglichkeit,
einen Urtext zu rekonstruieren, wählt S. die Fassung des Codex
Marchalianus (6. Jh.) als Grundlage: "It simply provides the
earliest form of the Greek lext within a known historical con-
text."' Deren "dose reading" ergibt, daß zentrale literarische
Charakteristika befriedigende Parallelen in nachbiblischer jüdischer
Literatur vermissen lassen; so der "unlrammeled associa-
tive thought" der geographischen Angaben, die eschatologi-
schen Prophezeiungen, Traditionen von Prophetenmartyrien
und Verehrung von Prophetengräbern. Ähnlichkeiten finden
sich dagegen in christlichen Schriften der byzantinischen Zeit;
so in den damals aufblühenden Pilgerberichten. Gattungsmäßig
stehen die VP der anekdotischen Hagiographie des Christentums
im 5. Jh. am nächsten, deren Typik sie auf die atl. Propheten
übertragen. Verehrung von Toten und ihren Gräbern sei
Uberhaupt eine christliche Innovation in der Antike. In der Vita
Daniels spiegele die Schilderung der Reue Nebukadnezzars und
die Rolle Daniels als Fürbitter und geistlicher Begleiter den
Hintergrund der frühchristlichen Bußpraxis. Wenn ferner Nebu-
kadnez.zar als Fastenspeise „eingeweichte Hülsenfrüchte" verzehre
, falle hier der sonst kaum belegte Fachausdruck für die
Asketendiät des frühen christlichen Mönchtums.

S. wertet die VP als Ausdruck der "silent appropriation of the
biblical heritage which came to the fore in the early centuries of
the Byzantine period... The Compound identity of the Lives of
the Prophets corresponds precisely with this blurring of the
distinetion between Jewish past and Christian present." (120)
An anderer Stelle trifft er allerdings zur Frage der Herkunft der
VP die wichtige methodische Feststellung: "The mere incorpo-
ration of... traditions from the period of the Second Temple...
teils us very liltle about the essentially Jewish of Christian cha-
raeter of the Lives. These traditions were. alter all, part of the
post-biblical heritage common to both Judaism and Christiani-
ty." (61) Hat das "biblical heritage" nicht zu diesem gemeinsamen
Erbe gezählt?

S. hat eine geschliffene Monographie vorgelegt, die mit ihren
methodischen Überlegungen zu Möglichkeiten des Rückgriffs
hinter die handschriftlich belegten Fassungen (68-78) und fundierten
Zweifeln an der Trennung zwischen einer offiziellen
und einer populären Religion (115-117) auch fachübergreifen-
des Interesse verdient.

Tübingen Hermann-Josef Stipp

Ziebritzki. Henning: Heiliger Geist und Weltseele. Das Problem
der dritten Hypostase bei Origenes, Plotin und ihren Vorläufern
. Tübingen: Mohr 1994. VII. 286 S. gr.8° = Beiträge
zur historischen Theologie, 84. Lw. DM 128,-. ISBN 3-16-
146087-1.

Die Arbeit will eine Antwort auf die Frage geben, wie sich die
Ausbildung von Drei-Hypostasen-Lehren bei Origenes und Plotin
zueinander verhalten, wobei es speziell dann um die dritte
Hypostase, den Heiligen Geist bzw. die Weltseele geht. Zugrunde
liegen die drei platonischen Prinzipien Gott - Ideen -
Materie, wobei Weltschöpfung darin besteht, daß die Gottheit
die Materie mit den Ideen formt. Im mittleren Piatonismus zeigt
sich die Tendenz, zwischen Gott und dem eigentlichen Demiur-
gen zu unterscheiden, wobei ein offenes Problem die Verortung
des Ideenkosmos in Gott bzw. dem Demiurgen ist.

In präzisen Analysen stellt Z. fest, daß der mittlere Platonis-
mus ein zweistufiges Gotiesbild hat. das sich bei Alkinoos (dessen
Identifikation mit Albinos Z. wie Whittacker ablehnt) und
bei Numenios verschieden artikuliert, aber grundsätzlich darin
übereinstimmt, daß die erste Instanz als Intelleklgottheit, die
zweite als Schöpfungsmittler verstanden ist. Nicht nur Klemens
AI. ist grundsätzlich bei dieser Zweistufigkeit geblieben, auch
bei Origenes und Plotin bildet sie noch den Ausgangspunkt. Um
Mittler sein zu können, muß die niedere Instanz doppelt gerichtet
sein, zur Gottheit wie zur Materie hin. Die obere Instanz
dagegen unterliegt der Tendenz zu rein transzendenter Auffassung
. Daraus ergeben sich schon innerhalb des Zweierschemas
weitere Untergliederungen, die jedoch noch zu keiner Dreistufigkeit
führen, obwohl gelegentlich bei Numenios schon von
einem dritten Gott die Rede sein kann.

Z. zeigt sehr schön, wie von dieser Grundlage aus Plotin den
Weg weitergeht und das zweistufige Schema nach oben hin
durch das ganz transzendent verstandene t;v erweitert, während
sich Origenes durch die kirchliche Tradition genötigt sieht, die