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Ausgabe:

1995

Spalte:

1016-1017

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Questions d'un païen à un chrétien 1995

Rezensent:

Haendler, Gert

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1015

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 11

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treffend bemerkt: „Der gnostische Christus .lächelt' am Kreuz
überlegen über die Torheit seiner Gegner, aber er klärt sie über
ihren Irrtum nicht auf' - eine merkwürdige Parallele zu zeitgenössischen
Formen von intellektueller, ökumenischer Kirchlichkeit
.

Gert Haendler untersucht „Tertullian und die Einheit der Kirche
" anhand derekklesiologischen Kardinalstellen des Kirchenvaters
mit gründlicher Einbeziehung des Forschungsstandes.
Auch für den Montanisten Tertullian bestand „ein letztes Band
zur Großkirche". Gehörte also der Montanist Tertullian (nach
D. Powell in Vig Chr 29, 1975, 38) zu einer „ecclesiola in
ecclesia"?

Der kurze, aber mit starken Quellen abgesicherte Beitrag von
Wolfgang Bienert („Der Streit um Origenes, Zur Frage nach
den Hintergründen seiner Vertreibung aus Alexandria und den
Folgen für die Einheit der Kirche") stellt die These auf, daß der
allererste origenistjsche Streit zu Lebzeiten des Origenes keineswegs
nur einen disziplinaren Grund in dessen Presbyterweihe
, sondern schon in dessen Theologie hatte.

Ulrich Wickert äußert sich über „Sacramentum unitatis: Verkennung
und Chance des cyprianischen Kirchenbegriffs in
Geschichte und Gegenwart". Als immer noch hervorragender
deutschsprachiger Cyprian-Kenner durfte W. Reaktionen auf seine
einschlägige Monographie „Sacramentum unitatis" (1971)
zurückweisen. Das aktualisierende Bemühen, bei Cyprian „eine
Affinität zum Protestantismus" zu sehen und sogar von Cyprian
aus eine Brücke zu einer echten, von der röm.-kath. Kirche
noch nicht wahrgenommenen Mariologie zu schlagen, hat sich
gleichwohl von einer Kritik der Dogmatik durch die Historie
weit entfernt: „Die Una Mater stellt den überlieferten Petrozen-
trismus in Frage, wie das Solus Christus den Anthropozentris-
mus in Frage stellt" (125). Dieser ganze Satz sei freilich auch in
Frage gestellt. W. dürfte jedoch der Frage des Rez. zustimmen:
Warum hat eine protestantische Patristik gelegentlich zwar die
fundamentale Bedeutung der Diakonie (vgl. Ritter und Haendler
), aber fast noch gar nicht der Liturgie und der Sakramente
im Rahmen der frühkirchlichen Ökumene wiedererkannt?

Kiel Reinhart Staats

Nil d'Ancyre: Commentaire sur le Cantique des Cantiques.

Edition Princeps. I: Introduction, Texte critique, Traduction
et notes par M.-G. Guerard. Paris: Cerf 1994. 385 S. 8" =
Sources chretiennes, 403. Kart. fFr 169.-. ISBN 2-204-
05141-1.

Nilus von Ancyra hinterließ den ältesten vollständig erhaltenen
Kommentar zum Hohenlied in griechischer Sprache. Erst vor
kurzem hatten die Sources Chretiennes den Kommentar des
Origenes zum Hohenlied in den Bänden 375 (1991) und 376
(1992) vorgelegt, der die ihm wichtigen Abschnitte auswählte
und auslegte. Nilus dagegen legt vollständig aus. Vers für Vers.
Von ihm weiß man wenig, er könnte in der Historia Lausiaca
66-68 gemeint sein (22). Seinen Kommentar zum Hohenlied
dürfte er bald nach den Homilien des Gregor von Nyssa über
dieses biblische Buch geschrieben haben, also kurz vor oder um
400 (24). Fragmente des Nilus werden in Katenen überliefert
(27). Der Text ist nur in einem einzigen Manuskript in Cambridge
vollständig erhalten (87 f.); dazu kommen weitere Teilüberlieferungen
, die für die Edition nützlich sind (88-96).
Berücksichtigt wird auch ein späterer Auszug des Prokop von
Gaza, der im 16. Jh. gedruckt wurde und von Migne übernommen
wurde: PG 87,2, 1545-1753 (8 f.).

Deutlich ist der Widerspruch zwischen den Lebensidealen
des Mönches Nilus und den wörtlichen Aussagen des biblischen
Textes. Ein wesentlicher Teil der Arbeit des Nilus besteht

darin, denen zu widersprechen, die das Hohelied als »texte ero-
tique« lesen (31). Im Prolog äußert sich Nilus grundsätzlich
zum Anliegen seiner Deutung (112-123). Schon jüdische Exe-
geten hatten das Hohelied in dem Sinne verstanden, daß die
Einheit zwischen Gott und seinem Volk ausgedrückt werden
solle (38). Diese Sicht hatte Origenes in die christliche Auslegung
aufgenommen. Nilus deutet den Text aber primär als eine
Geschichte zwischen Gott und der Seele. Leider zitiert Nilus
keinen Autor und keinen Titel, doch hat er sicher Ausleger früherer
Zeiten gekannt. Er kann mit Cyrill von Jerusalem, Chry-
sostomus, Athanasius, Didymus dem Blinden und Evagrius von
Ponticus verglichen werden (38-43).

Der jetzt vorgelegte Teil I reicht bis Canticum 4,1; der Text
ist gerade bis dahin durch drei Textzeugen gut gesichert. Von
den Bemühungen im Vetus-Latina-Institut in Beuron um das
Hohelied sagt der Band nichts: Als Band 21 der Reihe „Vetus
Latina - aus der Geschichte der lateinischen Bibel" bot 1992
Hildegard König die Untersuchung „Apponius. Die Auslegung
zum Lied der Lieder. Die einführenden Bücher 1-111 und das
christologisch bedeutsame Buch IX" (ThLX 1993, 187 f.). Eva
Schulz-Flügel brachte in derselben Reihe 1994 als Band 26 den
ältesten lateinischen Kommentar zum Hohenlied heraus: „Gre-
gorius Eliberritanus Epithalamium sive Explanatio in Canticum
Canticorum". Sie begann 1992 mit der ersten Lieferung zum
altlateinischen Text dieses Buches (Bd. 10,3, 1-80). Dem 2.
Band des Niluskommentars darf man gespannt entgegensehen:
die Arbeit verdient als Erstedition besondere Aufmerksamkeit.

Rostock Gert Haendler

Questions d'un Pa'ien ä un chretien (Consultationes Zaechei
christiani et Apollonii philosophie). Tome I (Livre I) et Tome
II (Livres II et III). Texte critique, Traduction. Index et Notes
par J. L. Feiertag, et W. Steinmann. Paris: Cerf 1994. 224 S.
et 277 S. 8» = Sources Chretiennes, 401/402. fFr je 94.-.
ISBN 2-204-05125-X u. 2-204-05126-8.

Der Hg. J. L. Feiertag hatte eine Untersuchung vorgelegt »Les
Consultationes Zacchaei et Apollonii. Etüde d'histoire et de
soteriologie« (Paradosis 30), Fribourg 1990, deren Ergebnisse
der Edition zugute kommen. Die Editio princeps erschien 1671
in Paris, wo auch die zweite Ausgabe 1723 herauskam (63-65).
Die 3. Edition wurde in Venedig vorgelegt, der Migne folgte:
PL 20, 1071-1 166. Neu entdeckte Manuskripte brachten einen
Fortschritt mit der Ausgabe von Morin 1935, der diesen Text
als eine Arbeit des Firmicius Maternus ansah (66). Der Zuweisung
des Textes an diesen Autor widersprach Axelson mit
Erfolg (9 f.), aber der von Morin erarbeitete Text behielt seinen
Wert und bleibt auch Grundlage der jetzt neu erarbeiteten Ausgabe
. In Anmerkungen werden abweichende Lesarten und sachliche
Hinweise geboten. Sechs Manuskripte bilden die Grundlage
, drei von ihnen befinden sich in Paris, je einer in Leiden,
Metz und Cues (43-54).

Die Datierung des Dialogs kann nicht vor 375-380 angesetzt
werden, Argumente aus dem antipneumatomachischen Streit
werden vorausgesetzt. Spätester Termin ist 484 die Historia per-
secutionis Africanae provinciae des Victor von Vita, die in II.
75-80 unseren Text übernimmt (16). In 1,28 (Bd. I, 172/176)
wird gegen die Anbetung von Kaiserbildern polemisiert; das
erinnert an Predigten des Johannes Chrysostomus 387 in Antiochien
, aber auch an ähnliche Kritik bei Sulpicius Severus,
Hieronymus und Philostorgios (17). In 1,21 ist von Christi Himmelfahrt
die Rede, die bleibende Fußabdrücke hinterlassen
habe: „Pene adhuc solo resident pedum pressa vestigia" (1,21.
146). Solche Nachrichten finden sich auch bei Paulinus von
Nola, Sulpicius Severus und Augustin (18 f.). Von Bedeutung